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Teures Palaver

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Reformen sind nicht nur eine politische, sondern nicht zuletzt eine wirtschaftliche Angelegenheit. Wenn ein Wirtschaftsbetrieb seine Organisation ändert, will er damit Kosten einsparen, bessere Arbeitsbedingungen schaffen, im Endeffekt den Ertrag verbessern. Wenn die Schule reformiert wird, soll sie in neuer Form besser als bisher ihren gesellschaftspolitischen Aufgaben genügen, also mehr Schülern einen höheren Stand von verwendbarem Wissen für ihr späteres Leben mitgeben. Wenn die Struktur der Universität diskutiert wird, stehen ebenfalls (gesellschafts-) politische Überlegungen im Vordergrund. Ob damit aber auch eine bessere Effektivität erreicht wird, das wird zumindest von der Mehrzahl der Professoren bezweifelt.

Um nun, kurz bevor der Entwurf für ein Universitätsorganisations-gesetz überarbeitet ins Parlament geht, diesen Zweifeln Ausdruck zu verleihen, hat die Österreichische Rektorenkonferenz eine Dokumentation zur Frage der Effektivität veröffentlicht, nachdem eine erste Unterlagensammlung das Problem der Mitbestimmung behandelt hatte. „Sicherlich bestehen theoretische und praktische Schwierigkeiten, den für Produktionsbetriebe entwickelten Effizienzbegriff und Berechnungsmodus auf Hochschulen zu übertragen“, meint Alois Brusatti, Wirtschaftshistoriker der Hochschule für Welthandel. „Die wesentliche Schwierigkeit liegt darin, daß die Effizienz im Ergebnis einer Arbeit oder Leistung auf längere Sicht bezogen nicht sofort erkennbar und quantitativ schwer meßbar ist... Was aber zwingt, den Effizienzbegriff auch bei Schwierigkeiten für Hochschulen zu übernehmen, ist der gesetzliche Auftrag, auf möglichst gute, sparsame, zweckmäßige und rechtmäßige Weise Wissenschaft in Lehre und Forschung zu betreiben, auf Berufe vorzubereiten,- Absolventen weiterzubilden und den wissenschaftliehen Nachwuchs heranzubilden.“

So kritisiert es der Grazer Betriebswirt Herbert Kraus: Der neue UOG-Entwurf präsentiere eine Organisationsform, die die Universität zur Sitzungsuniversität werden läßt. Das Großgebilde Universität soll in einer Form organisiert werden, die allen Organisationsgrundsätzen widerspricht (auch jenen in Ministerien und in der Staats- und Wirtschaftsverwaltung). Statt klarer personeller Linienstrukturen, ohne die keine Institution auskommt, werden Gremien konstruiert, die in ihrer Vielfalt und Zusammensetzung die Kompetenz verschleiern und nicht transparent machen, die verlangsamen und nicht beschleunigen. Kraus vergleicht mit der Wirtschaft: Dort gibt es Mitbestimmung nur auf der Ebene des Generaldirektors. Es wäre wirtschaftlich absurd, jedem Abteilungsleiter Mitbestimmungsorgane beizugeben, da dies zu einer völligen Lahmlegung seiner Tätigkeit führen würde.

Ebenfalls von Graz aus rechnet der Nationalökonom Karl Lechner den Sanierungsbedarf der österreichischen Hochschulen vor — allerdings noch auf dem Status quo von 1969, als Prof. Alfred Wanko, Innsbruck, eine Bestandsaufnahme durchführte und den damaligen Bedarf errechnete. Vorausgesetzt, daß die Studentenzahlen gleichblieben — inzwischen sind sie aber bereits wieder um 15 Prozent gestiegen — und auf Grund der damals gültigen Studienbedingungen hätte der damals verfügbare Hochschulraum um 50 Prozent erweitert werden müssen — zusätzlicher Bedarf 200.000 Quadratmeter Nutzfläche. Hier waren noch weder Klagenfurt, noch die Kunsthochschulen, noch fünf weitere wissenschaftliche Hochschulen enthalten und so errechnete die Rektorenkonferenz schon 1971 einen Baubedarf von fünf Milliarden Schilling für die nächsten zehn Jahre als unterste Grenze. Inzwischen hat das. Wissenschaftsministerium schon genauer vorauskalkuliert und'im längerfristigen Investitionsprogramm der Bundesregierung ein Bauvolumen von 16 Milliarden angemeldet.

Was die Reform, speziell die verstärkte Inanspruchnahme von Professoren, Assistenten und Studenten in den vielen Entscheidungsgremien an Zeitaufwand kosten wird, kann bisher nur geraten werden. Harro Köhler, Prorektor der Tierärztlichen Hochschule, zitiert Untersuchungen der Technischen Universität Berlin, wo Senat und neun Fakultäten vor der Erlassung des Universitätsgesetzes mit 40.000 Sitzungsstunden das Auslangen fanden. Heute müssen allein die Hochschullehrer 113.000 Arbeitsstunden in Senat, 21 Fachbereichsräten, 21 Ausbildungskommissionen, 21 Forschungskommissionen und zirka 100 Institutskonferenzen investieren. Die Anzahl der zu besetzenden Sitze in den Selbstverwaltungsgremien hat sich gegenüber früher von 231 auf 1233 erhöht. Die Mehrkosten — an einer Universität — werden mit 4,2 Millionen Mark — rund 30 Millionen Schilling — angegeben.

Berlin ist zweifellos ein Extremfall, der bereits Anzeichen einer Gegenbewegung erkennen läßt. Aber Berichte von endlosen Konventsitzungen sind von jeder deutschen Universität zu haben. Die Sitzungszeit geht ja auch „nur“ von der Zeit ab, die die Hochschullehrer sonst widmungsgemäß in Forschung und Lehre zu investieren hätten. Die Kosten sind also schwer erfaßbar.

Konkreter sind dagegen die Kosten zu berechnen, die durch die verwaltungsmäßige Neuordnung entstehen werden: 16 neue Fakultäten sollen durch die Teilung der bestehenden entstehen, allein an der Universität Wien vier (der Diskussionsentwurf hatte noch wesentlich mehr vorgesehen). Aber jedes neue Dekanat braucht Räume für Dekan, Sekretärin, sonstiges Personal — Minimum 84 Quadratmeter. Macht allein an Raumkosten eine runde Million im Jahr, an Personalkosten 2,7 Millionen.

Niemand bestreitet heute, daß Reformen notwendig sind und kommen müssen. Aber man dürfte sie nicht angehen, ohne sich klarzuwerden, was dafür gezahlt werden muß.

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