7054966-1991_14_17.jpg
Digital In Arbeit

Theater für internationales Publikum

Werbung
Werbung
Werbung

Wie es in Ungarn mit dem Theaterweitergehen wird, weiß niemand so ganz genau. Aber es wäre absurd, wenn es ausgerechnet jetzt, da man zweihundert Jahre Theater in ungarischer Sprache feiert, nicht weitergehen sollte. Mag die eine oder andere Spielstätte entfallen, dafür gibt es neue. So mußte die Universitätsbühne die Piaristen-Kapelle in Budapest räumen, die wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt wurde. Im Komplex des Budapester Rathauses soll ein Theater in englischer Sprache eingerichtet werden. Für ein internationales Publikum, das nicht nur für ein paar Tage zu Besuch kommt, sondern sich hier geschäftlich oder diplomatisch betätigt.

Das Theater, das bisher als hauptstädtischer Stützpunkt des staatlichen Wandertheaters diente, liegt in einem Außenbezirk. Die Reisetätigkeit über die Dörfer soll stark

eingeschränkt werden, vermutlich auf jene fünfzehn Spielstätten, die nach einer neuen Studie geeignet und zumutbar sind. In der Hauptstadt will man dagegen Außergewöhnliches zu erhöhten Preisen bieten und im Sommer mit einem kleinen Opern-Ensemble und wenig bekannten Werken die Zentren des Fremdenverkehrs bespielen.

Auch die Theaterleute, die sich nicht mehr automatische Unterstützung vom Staat erhoffen dürfen wie bisher, müssen wirtschaftlich denken lernen. Sie erwägen verschiedene Finanzierungs-Modelle, diskutieren Stiftungen und Sponsoren und hoffen auf ein Publikum, das für besondere Leistungen auch höhere Preise zu zahlen bereit sein könnte. Je größer freilich die Bühne, umso langsamer nur kann sie ihren Kurs ändern. Das Operetten-Theater, das sich in den letzten Jahren mit großer Anstrengung modernisierte und am liebsten nur noch Musicals spielte, hat offenbar eingesehen, daß nicht nur ein großer Teil der Einheimischen die guten alten Operetten immer noch schätzt, sondern daß die vielen Ausländer in Budapest hier das Spezifische suchen und nicht Musicals, die sie anderswo vielleicht besser und in der eigenen Sprache erleben können.

Das Nationaltheater hält - wie schon früher - zu Andräs Sütö, dem prominenten Dichter der Ungarn in Siebenbürgen, der in den jüngsten Auseinandersetzungen hart drangsaliert wurde. In seinem Stück „Advent in Hargitay", das wie ein altertümliches Bauerndrama wirkt, sind das Schicksal des von Rumänien unterdrückten Siebenbürgen und der Aufruf, der Heimat treu zu bleiben, in alte Legenden verwoben. Neuerdings spielt man im selben Theater auch wieder Sändor

Marai (1900-1988). Der Autor ist nach der kommunistischen Machtergreifung emigriert und hat Aufführungen seiner Stücke in Ungarn verboten. Seine Erben meinen jetzt, daß das Verbot keinen Sinn mehr hat. Das Drama „Die Bürger von Kaschau" spielt im 14. Jahrhundert und zeigt die Auseinandersetzungen bürgerlichen Selbstbewußtseins mit feudaler Herrschaft.

Das „PesterTheater",dasmitdem traditionsreichen Vig-Szinhäz (Lustspiel-Theater) zusammengehört, spielt eine Dramatisierung des Romans „Rosen-Schau" des verstorbenen Istvän Örkeny. Es geht um das lange tabuisierte Problem des Todes: Ein Fernseh-Mann will unbedingt lebensechtes Sterben zeigen und schließt Verträge mit Moribunden zwecks Verfilmung ihrer letzten Stunden. Was natürlich nur unzulänglich gelingt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung