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Thomas Morus, ein Märtyrer für die Freiheit der Kirche

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Kann das Thomas-Morus-Jubiläumsjahr der Annäherung zwischen der anglikanischen und der römischkatholischen Kirche neuen Auftrieb verleihen? Der 500. Geburtstag des englischen Heiligen wird nicht nur in seiner Heimat von Angehörigen dieser beiden christlichen Konfessionen gefeiert. Auch die Wiener Katholische Akademie veranstaltete - in Anwesenheit von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger und Nuntius Erzbischof Mario Cagna - aus diesem Anlaß eine vielbeachtete Festakademie.

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten der Akademie, Weihbischof Jakob Weinbacher, hob Univ.-Prof. Willibald Plöchl in seinem Referat „Thomas Morus und die Freiheit der Kirche“ hervor, daß weniger die Scheidung des Königs, die Morus zwar nicht billigte, aber als eine Gewissens-frage des Königs ansah, als vielmehr schwere rechtliche Bedenken ihn zum „Hochverräter“ werden ließen. Denn „Thomas Morus war ein ausgezeichneter Jurist, der das Recht hebte, lebte und erlebte“. Die große Entscheidung

für Morus bedeutete der Suprematsanspruch Heinrichs VIII., betonte Plöchl: „Hier ging es um zwei Fundamente: Um die potestas iurisdictionis des Papstes - hier sprach der Jurist -und um die Freiheit der Kirche. Der königliche Supremat vernichtete die Freiheit der Kirche und beraubte sie des Garanten dieser Freiheit, des Papstes.“

Für Plöchl geht Morus' Standpunkt aus dessen Plädoyer und dem Verhalten bei der Hinrichtung hervor: „Er zählte alle Gründe auf, warum das Parlament kein Gesetz beschließen könne, das versucht, den Papst seiner Rechte zu entkleiden. Und in diesem Zusammenhang verwies er auf the laws and statues of our own land yet unrepealed, wie sie am augenscheinlichsten in der Magna Charta zum Ausdruck kommen: Quod Anglicana ecclesia libera sit et ftabeat omnia iura integra, et libertates suas illaesas. Für diese Freiheit hat Thomas Morus mit seinem Leben Zeugnis abgelegt. Aber er war kein Rebell. Noch am Tower Hill, bevor der Scharfrichter sein

Schwert erhob, erklärte er, er sterbe als des Königs guter Diener, aber zuerst als Diener Gottes.“

Den Festvortrag - „Thomas Morus -Prophet der christlichen und kirchlichen Einheit“ - hielt Reverend Hugh O. Albin, der Vorsitzende des ökumenischen Rates der Erzdiözese Canter-bury und Pfarrer der Kirche von St Dunstan in Canterbury, wo das Haupt des Heiligen beigesetzt ist und wo gerade heuer viele anglikanische und katholische Wallfahrer herbeiströmen. Mit Zustimmung des katholischen Erzbischofs von Southwark in London, des Erzbischofs von Canterbury und der Pfarrgemeinde von St Dunstan können in dieser Pfarre von nun an bei katholischen Wallfahrten auch katholische Messen gefeiert werden. Die erste römisch-katholische Messe seit der Reformation wurde am 14. März in Gegenwart des anglikanischen Pfarrers Albin gelesen. Ein großer Fortschritt in der Annäherung der beiden Kirchen!

Wo liegen die theologischen Hauptprobleme der Versöhnung von Katholiken und Anglikanern? Für Thomas Morus waren die entscheidenden Probleme die Kirche und die Sakramente; genau darum geht es auch in der aus Anglikanern und Katholiken gebildeten Kommission, die den Weg zur Wiedervereinigung beschreiten soll. Morus definierte: „Die allgemeine katholische Kirche ist die wahre Kirche.“ Für ihn war die Kirche immer eine sichtbare Einrichtung, die Gemeinschaft von Klerus und Volk im wahren katholischen Glauben; in der Einheit zwischen Papst und allgemeinem Konzil und mit dem Corpus der Gläubigen sah er eine Notwendigkeit. Für Albin sind diese Ideen, sogar der Primat und die Unfehlbarkeit des Papstes im Prinzip für die Anglikaner annehmbar.

In den Riten und im sakramentalen Bereich sind freilich noch etliche Fragen offen. Die Interkommunion, das gemeinsame Abendmahl, stößt vor allem auf anglikanischer Seite noch auf Hindernisse. Albin verwies auf die Sakramentenlehre des Thomas Morus und die Zusammenhänge mit Kardinal Newman.

Schließlich hob er die Bedeutung des Lebens und Wirkens von Thomas Morus für die christliche Einheit hervor: „Wenn er heute unter uns wäre, frage ich mich, ob er es vorziehen würde, die Kirche durch verschiedene Traditionen bereichert zu sehen? Würde er die Kirche als eine sich ent-wickelnde Kirche sehen, als etwas, das erst geboren wird, und nicht als etwas, was schon geboren ist? Das Blut der Märtyrer kann der Same der Kirche sein, aber Same ist immer potentiell Er weist uns auf ein Endprodukt hin, auf etwas, das in der Zukunft geschaffen wird. Der anglikanische Standpunkt ist, für diese Zukunft zu arbeiten und für die zukünftige Kirche, die gerade jetzt im Werden ist, und wir alle haben unseren Anteil für die Zukunft dieser Kirche. Ich denke gerne, daß Thomas Morus mit seinem großen Mitgefühl für alle Menschen heute auch für dieses Ziel arbeiten würde.

Als ein Prophet würde er die Kirche als eine wahrhaft weltweite Apostolische und Eine sehen, und ich habe das Gefühl, er würde unsere Bemühungen gutheißen, diese Einheit zu verwirklichen.“

In die Zeit der Hinrichtung von Thomas Morus fällt die Spaltung von anglikanischer und römisch-katholischer Kirche, in die Zeit der Wiederkehr seines Geburtstages fallen große Fortschritte in der Annäherung zwischen Rom und Canterbury. Der Weg zur Einigung' ist noch weit, aber vielleicht kann der vor der Geschichte scheinbar Gescheiterte Jahrhunderte später mächtiger sein als König Heinrich VIII. und, was dieser getrennt hat, wieder verbinden.

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