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Tief- und Höhepunkte

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Am 15. und 16. November 1991 findet die nächste Delegiertenversammlung des Wiener Diözesan-forums statt. Konkrete Lösungsvorschläge zum Thema: „Miteinander Kirche sein - zu gemeinsamer Verantwortung gerufen" sollen diskutiert werden. Derzeit ist die Stimmung nicht die beste.

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Am 15. und 16. November 1991 findet die nächste Delegiertenversammlung des Wiener Diözesan-forums statt. Konkrete Lösungsvorschläge zum Thema: „Miteinander Kirche sein - zu gemeinsamer Verantwortung gerufen" sollen diskutiert werden. Derzeit ist die Stimmung nicht die beste.

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Das Wiener Diözesanforum begann mit der konstituierenden Sitzung am 23. September 1989. Es war tatsächlich, wie eine Schlagzeile in der FURCHE (28/1989) es ausdrückte, eine „Reise ins Unbekannte". Es wurde zumindest zeitweise für alle Beteiligten zu einem mühsamen Weg.

Die Schlagzeilen in den Medien geben die ständig wechselnde Stimmung wieder:„,Depressiven Grundton' in der Kirche überwinden"-„Wiener Diözesanforum: ein erster Schritt" - „Hoffnung für Wien: Dialog war stärker als Konflikt" - „Keine falschen Hoffnungen" - „Die Mutter Kirche lebt: Der originellste kirchliche Vorgang weit und breit" - „Die Schällein grasen, wo Groer Gefahren sieht" - „Quo vadis, Diözesanforum?" -„Abgewürgt?"

Was waren die einzelnen Schritte auf diesem Weg? Erster Schritt war eine Befragung. Zwei Fragen gingen an alle Kirchenbeitragszahler:

1. Welche Wünsche und Anliegen haben Sie an die Kirche?

2. Was sollte in der Diözese Wien vordringlich aufgegriffen werden?

Zwei Fragen richteten sich an alle Pfarren, Bewegungen und Gruppen:

1. Was ist mein/unser Anliegen?

2. Welche konkreten Vorschläge habe/n ich/wir? (Die Jugend führte eine eigene Umfrage durch.)

Die Reaktion auf diese Fragen war überraschend gut. Es wurden 8.096 Eingaben gemacht. Hinter diesen Eingaben stehen 160.507 Personen.

Ein zweiter wichtiger Schritt war die Bekanntgabe und Diskussion der

Ergebnisse der Eingaben auf der Delegiertenversammlung vom 25. bis 27. Oktober 1990. Dabei kristallisierten sich sechs Probjemkreise heraus, die weiter verfolgt werden sollten. Eingaben zu anderen Fragenkreisen wurden diözesanen Einrichtungen zur Bearbeitung weitergegeben. Die offene Darlegung der Probleme auf dieser Delegiertenversammlung war für viele ein Höhepunkt. Aber was für die einen ein Höhepunkt ist, ist nicht selten für andere ein Tiefpunkt.

Schon bei der Delegiertenversammlung wurden die Delegierten gebeten, sich zu Arbeitsgruppen zu den einzelnen Themen zu melden. Diese Arbeitsgruppen sollten auf dem Hintergrund der Eingaben eine Vorlage zum jeweiligen Thema erstellen.

Es fehlt der Humor

Diese Vorlagen sollten dann noch einmal ausgesandt werden, damit Interessierte ihre Wünsche und Vorschläge einbringen können. Erst dann sollte vom Präsidium die endgültige Vorlage für die Debatte auf der Delegiertenversammlung erstellt werden. Ein komplizierter Prozeß, der auf eine Reihe von Schwierigkeiten stieß. Zwei seien genannt:

□ Kardinal Erzbischof Hans Hermann Groer war der Meinung, daß einige Punkte in der Vorlage „Miteinander Kirche sein - Zu gemeinsamer Verantwortung gerufen" gestrichen werden sollen, weil er eine Diskussion dieser Punkte auf Pfarrebene nicht für sinnvoll hielt. Und zu den drei übrigen Vorlagen „Ehe und Familie", „Frauen - Kirche", „Lebensräume für junge Menschen" gab er „Anmerkungen und Weisungen", die mit den Vorlagen ausgesandt wurden. Ein Echo darauf zeigt sich in den oben angeführten Schlagzeilen der Medien.

□ Viele sind der Diskussion müde. Sie wollen zu Lösungen kommen, falls sie solche noch erhoffen.

Das Thema:„Aus den Quellen des Glaubens leben" wurde auf einem eigenen Delegiertentag (26. und 27.

April 1991) behandelt. Dieses Anliegen ist auch im Jahrbuch der Erzdiözese Wien 1992 aufgegriffen. Der sechste sehr wichtige Fragenkreis, „Option für die Armen", wurde leider noch nicht in Angriff genommen.

Bei der Diözesanwallfahrt am 6. Oktober 1991 nach St. Stephan, zu der Kardinal Groer aufgerufen hatte, ging der Kardinal auf die konkreten Probleme rund um das Diözesanforum nicht ein. Thema seiner Predigt war: „Was haltet ihr vom Menschensohn?". Schon bei der Einberufung des Diözesanforums nannte der Erzbischof diese Frage das Hauptthema.

Hier dürfte ein Grundproblem des Diözesanforums Sichtbarwerden. Die einen verstehen es vor allem als einen Prozeß der geistlichen Erneuerung -durch Hören auf das Wort Gottes, Umkehr und Gebet. Andere wollen vor allem die für sie brennenden Fragen einer Lösung näher bringen.

Diese unterschiedlichen Erwartungen führen neben den verschiedenen Auffassungen bei Sachfragen und Vorkommnissen zu gegenseitigen Enttäuschungen, so daß manche sogar meinen, es wäre besser, das Diözesanforum abzubrechen als die Enttäuschungen noch zu vergrößern. Das Wiener Diözesanforum hat schon einige Tiefpunkte erlebt, die sich in Höhepunkte verwandelten. Es wäre schade, gerade in dem Augenblick, wo die sachliche Auseinandersetzung um Lösungsvorschläge erst beginnt, das Diözesanforum abzubrechen oder es durch Verweigerung der Mitarbeit verkümmern zu lassen.

Soll es aber fruchtbar weitergehen, sind vor allem drei Dinge nötig:

□ Abbau wechselseitiger Ängste,

□ Aufbau gegenseitigen Vertrauens,

□ Sich-Einigen auf erreichbare Ziele. Im Neuen Lexikon der christlichen

Moral befindet sich ein gViter Artikel über Humor. Vielleicht müßte man beim Wiener Diözesanforum den tierischen Ernst überwinden und auch mit etwas Humor an die Dinge herangehen.

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