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Tiefschlag gegen den Schilling

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Noch steht der österreichischen Volksvertretung die Behandlung des Rechnungshofberichtes — offenbar als Dauerbrenner! — bevor, der dem Finanzminister u. a. eine gesetzwidrige Budgetfinanzierung mit Hilfe der Notenbank zum Jahresende 1974 zum Vorwurf macht, da hat die Regierung neuerlich nach der Notenpresse gegriffen. Der Generalrat der österreichischen Nationalbank hat in seiner letzten Sitzung soeben die Zusage gegeben, auf zehn Jahre laufende Schuldentitel des ERP-Fonds und der Investkredit-AG mit einem Gesamtvolumen von zwei Milliarden Schilling zu erwerben, sobald die Banken sie ihr zur Refinanzierung präsentieren.

Diesem Beschluß ging eine Woche bewegter Auseinandersetzungen um diese Transaktion voraus, die der österreichischen Währungspolitik in mehrfacher Hinsicht einen Schlag versetzt. Ist es an sich schon problematisch, ob Zinsverbilligungen angesichts des schrumpfenden Anteils am österreichischen Kreditmarkt, der mit (dafür um so höherer) „normaler“ Verzinsung operiert, überhaupt ein auf die Dauer zielführender Weg zur Wachstumsförderung sind, so ist es der Wirtschaft sicherlich nicht zu verargen, wenn sie — in der Schere zwischen wachsender Gewinn-, ja Scheingewinnbesteuerung auf der einen und einer „expansiven“ Lohnpolitik auf der anderen Seite — nach jeder zunächst verlockenden Kostenverbilligung greift, die ihr als das „Zuckerbrot“ zur Peitsche (Georg Wailand in der „Kronen-Zeitung“) von der Regierung geboten wird.

Es war daher mehr als bemerkenswert, daß die Wirtschaft — dieses Spiel durchschauend — am Tage unmittelbar vor der Generalratssitzung in der „Wirtschaftspolitischen Aussprache“ der Sozialpartner mit Regierung und Notenbankspitze feststellte, daß sie sich nicht nur mit der Schaffung einer Art Staatsbank durch die Ausstattung der ERP-Fonds mit dem Emissionsrecht nicht einverstanden erklären könne, sondern mehr noch — und das ist das währungspolitisch grundsätzlich Bedeutende — daß angesichts der überreichen Liquidität eine zusätzliche Geldschöpfung der Notenbank außerordentlich bedenklich wäre.

Tatsächlich wurde der Damm, den Notenbankgesetz und Notenbankpraxis gegen ein weiteres Überborden der Inflation aufgerichtet hatten, an zwei Stellen durchbrochen. Im Wege sogenannter „Offenmarktoperationen“ hat die Nationalbank das Recht, Wertpapiere anzukaufen, wenn sie es für notwendig hält, zusätzliches Geld in die Wirtschaft zu pumpen, oder Wertpapiere abzugeben, wenn es gilt, inflationistische Gelder abzuschöpfen und vorübergehend stillzulegen. Nicht auf Grund gesetzlicher Verpflichtung, sondern lückenloser Praxis des Generalrates hatte sie bisher nur solche Papiere angekauft, die längstens binnen Jahresfrist fällig wurden und die daher in kurzer Zeit wieder an den Emittenten zurückgingen. Mit gutem Grund: Die Aufgabe der Notenbank ist es, kurzfristiges Zentralbankgeld zu schaffen, nicht aber, den volkswirtschaftlichen Sparprozeß zu ersetzen. Auch muß die Nationalbank, die für jeden Geldschöpfungsakt naturgemäß stets zahllose Bundesgenossen findet, jede Milliarde Abschöpfung ihren Partnern in den „Gipfelgesprächen“ dem Finanzminister und dem

Kreditapparat mühsam abringen. Erfolgt der Ankauf nur mit Papieren mit kurzer Laufzeit, dann fließt das so geschaffene Geld mit deren Fälligkeit automatisch wieder in die Tresore der Notenbank zurück und ist damit wieder „vernichtet“, ohne daß die Organe der Notenbank abermals tätig werden müßten. Für eine Vermehrung der Liquidität auf längere Sicht kann sie die bei ihr unverzinslich eingelegten Pflichtmindestreserven der Banken senken. Theoretisch könnte die Nationalbank freilich, wenn sie wieder abschöpfen will, auch längerfristige Papiere vor ihrer Fälligkeit wieder verkaufen und eine solche Abschöpfung wird sich längstens bei Wiederanläufen der Investitionsbereitschaft der Wirtschaft als notwendig erweisen. Gerade dann aber wird ihr kein Kreditinstitut ein nur etwa 4,5 prozentig verzinsliches Papier abnehmen, wenn es weit lukrativere Anlagemöglichkeiten findet. Abgesehen davon, daß es hierzulande zunächst noch keinen in beiden Richtungen tatsächlich funktionierenden „offenen Markt“ gibt und ein solcher sicherlich nicht über Nacht geschaffen werden kann —• mit der Zustimmung zu diesem Konzept hat sich die Notenbank nicht eines „Tabus“ begeben, sondern eine angesichts ihrer Situation sehr vernünftige Waffe aus der Hand gelegt.

Diese Operation widerspricht aber insoferne auch dem Nationalbankgesetz, als Offenmarktgeschäfte gemäß Paragraph 54 — und darauf hat „Die Presse“ wiederholt hingewiesen — lediglich aus währungspolitischen Gründen vongenommen werden dürfen. In diesem Falle heißt das, daß nur dann ERP-Papiere (wenn ihre Emission überhaupt statthaft und sinnvoll ist!) und der Investkredit angekauft werden dürften, wenn der Wirtschaft zu wenig flüssige Mittel zur Verfügung stehen. Davon kann heute aber nach übereinstimmender Meinung angesichts der förmlichen Explosion des Geldvolumens bei absolutem Rückgang des Sozialproduktes überhaupt keine Rede sein.

Auch wenn sich die Banken zunächst bereit finden werden, diese zusätzlichen zwei Milliarden Schilling mangels anderer günstigerer Veranlagungsmöglichkeiten zunächst zu halten, werden sie diese gerade dann zur Notenbank bringen, wenn interessantere Möglichkeiten gegeben sind. Gerade dann aber hat sich die Notenbank durch ihre unbedingte Zusage, diese Papiere aufzunehmen, die Hände gebunden. Ein etwaiger Bremsweg wird um diese heute überflüssigen zwei Milliarden Schilling dann noch länger, ein notwendiges Einbremsmanöver noch drastischer (Kontingentierung der Kreditgewährung!), was sicherlich nicht die öffentliche Hand, wohl aber die mittelständische Wirtschaft, die auf den Bankkredit angewiesen ist, mit voller Schärfe treffen wird!

Dieses Dilemma, das sich da ankündigt, erklärt den Widerstand der Bundeskammer und der Industriellenvereinigung neben ihrer grundsätzlichen Erkenntnis, daß die Wirtschaft zur Wiederbelebung der Investitionsfreude heute — wie überall, auch außerhalb der Interessenvertretungen, auch im Ausland erkannt wird — nicht zusätzliche, geschweige denn inflationär geschöpfte

Mittel, auch nicht um das „Zuckerl“ von ermäßigten Krediten braucht, sondern ganz einfach bessere Gewinnchancen, die es wieder interessant machen, die angesichts einer strukturell und konjunkturell ungewissen Zukunft besonders risikoreichen Investitionen vorzunehmen, ohne welche die Arbeitsplätze nicht wieder gesichert werden können.

Nicht nur dann, wenn — wie ursprünglich beabsichtigt — mit ein bis drei Prozent symbolisch verzinste ERP-Millionen auf 25 Jahre das Bergbauförderungsbudget des Bundes entlastet hätten, sondern weil diese Gelder in der Höhe von 1,5 Milliarden Schilling eigens für den vom Bundeskanzleramt verwalteten Regierungsfonds geschöpft werden, widerspricht diese Transaktion auch dem Paragraphen 41 des Nationalbankengesetzes, der es der Notenbank (zu ihrem eigenen Schutz!) verwehrt, den Bund nicht nur unmittelbar sondern auch nur mittelbar (über die Banken) zu finanzieren.

Der Opposition fällt es besonders in einer Zeit der inflationären Rezession nicht immer leicht, Alternativen zur Regierungspolitik zu finden, geschweige denn der Öffentlichkeit „zu verkaufen“. Beim Griff der Regierung zur Notenbank kann die Opposition der Ablehnung der breitesten Öffentlichkeit sicher sein, wenn die Alarmsignale vernehmlich genug betätigt werden. Es ist kein Zufall, daß die Regierung jedem wirkungsvollen Einspruch der Generalratsfraktion, die der großen Oppositionspartei nahe steht, dadurch vorgebeugt hat, daß sie den Generalratssitz, den bis zum Auslaufen seines Mandates im vorigen Jahr Generaldirektor Dr. Treichl innehatte, ganz einfach unbesetzt ließ. — Auch eine Art Respektsbezeugung dem Forum gegenüber, dem der Schutz unserer Währung anvertraut ist!

Man kann heute sicherlich nicht mehr schlechthin sagen, daß die Sozialisten generell Verächter der Unabhängigkeit der Notenbank sind. Nicht nur ein längeres Nahverhältnis ist es, was manchen von ihnen den Blick dafür geschärft hat. Dennoch ist es weltanschaulich-politisch durchaus kein Zufall, daß schon am Beginn des damals von Seipel und seiner Regierung durchgesetzten Verbotes der öffentlichen Hand, die Mittel der Notenbank in Anspruch zu nehmen — ein Verbot, das die erste Nachkriegsinflation auch unverzüglich zum Stillstand gebracht hat —, von Anfang an im Parlament auf das eiserne und leidenschaftliche „Nein“ Otto Bauers und seiner Fraktion gestoßen ist. Österreich verfügt in seiner Notenbank und Ihrer gesetzlichen Grundlage über einen Schutz seiner Währung vor einer inflationsfreudigen Regierung wie kaum ein anderes Land. Offensichtlich soll ihr nun eine Bastion nach der anderen herausgebrochen werden. Es besteht kein Zweifel, daß die für die Zukunft unseres Landes entscheidenden Schlachten vor allem an der Währungsfront geschlagen werden, die quer durch die Sitzungssäle am Otto-Wagner-Platz verläuft. Derzeit wird von der Mehrheit ein neuer Inflationsstoß vorbereitet.

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