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Tirols Fremdenverkehr: Quantitativ am Ende?

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Angesichts der Tatsache, daß im abgelaufenen Fremdenverkehrsjahr 1977/78 in Tirol mit seinen 550.000 Einwohnern 5,090.420 Gäste zu Besuch waren - mit über 35,3 Millionen Ubernachtungen -, wäre man fast versucht, auf die Frage in unserem Titel mit „Ja“ zu antworten. Hält man dieser imposanten Zahl jedoch dagegen, daß die 350.000 Gästebetten Tirols (in rund 8000 Hotels und bei 23.000 Privatzimmervermietern) im Durchschnitt nur zu knapp 30 Prozent ausgelastet sind, wird diese Antwort schon nicht mehr so spontan und selbstverständlich „Ja“ lauten.

Natürlich wäre es eine Utopie- und alles eher als wünschenswert -, würde man sich auch in Zukunft die gigantischen Nächtigungssteigerun-gen etwa der sechziger und frühen siebziger Jahre erwarten. Vergleicht man die Nächtigungszahlen Tirols kurz nach dem Krieg, als in Tirol lediglich 2,3 Millionen Nächtigungen zu verzeichnen waren, mit denen der beginnenden Hochkonjunktur, dann sieht man die sprunghaften Anstiege, bis sie heute bei 35,3 Millionen Nächtigungen angelangt sind.

Daß Tirols Fremdenverkehrswirtschaft einen solchen Aufstieg nehmen konnte, lag nicht nur im Fleiß und in der Gastfreundschaft der Bevölkerung, lag auch nicht allein an den landschaftlichen Schönheiten und an der idealen Lage im Herzen Europas, an einem Knotenpunkt im europäischen Nord-Süd- und Ost-

West-Verkehrsweg, dieser Aufstieg lag, glauben wir, an einer idealen Verknüpfung aller dieser Faktoren.

Und wenn aus einer neulich erstellten Reiseanalyse des Studienkreises für Tourismus in München hervorgeht, daß Tirol von allen österreichischen Bundesländern den weitaus höchsten Bekanntheitsgrad in der Bundesrepublik Deutschland besitzt (74,8% aller Befragten kannten Tirol und seine Bedeutung für den Erholungsurlaub), dann ist auch dies eine Bestätigung dafür, daß diese Verknüpfung einer Reihe positiver Faktoren den Ausschlag für diese Steigerungen gegeben hat.

Man hat Tirol manchmal den Vorwurf gemacht, es sei bereits übererschlossen, man habe zuviel des Guten getan, man habe zu viele Seilbahnen gebaut, zu viele monströse Hotelbauten, zu viele Straßen in die Berglandschaft geschlagen. Zugegeben - als der plötzliche Tourismusboom ausbrach, einer Art „Tiroler Goldrausch“ ähnlich, wurden zweifellos da und dort Fehler gemacht. Aber es waren Fehler, die korrigierbar waren und die auch größtenteüs korrigiert wurden. Man hat in Tirol als einem der ersten Bundesländer sehr rasch erkannt, daß der Tourismus nicht nur Vorteile, sondern auch Gefahren in sich birgt. Man hat ein Fremdenverkehrsgesetz erlassen, man hat Naturschutz- und Landschaftsschutzgesetze ausgearbeitet und in Kraft gesetzt, die unser gottbegnadetes Stück Erde auch den kommenden Generationen sauber und schön erhalten lassen.

Dazu noch eines: Tirol mit seinen rund 12.000 Quadratkilometern Fläche ist auch im extremsten Fall nur zu 11 Prozent be- und verbaubar. Alles andere sind Wälder, Almen und Felsregionen - Natur also in Hülle und Fülle, die man auch beim bösesten Willen nicht zerstören kann. Nehmen wir allein Innsbruck, Tirols Landeshauptstadt, her: die gesamte, der Stadt Innsbruck zugehörige Gebietsfläche ist lediglich zu knapp 5 Prozent verbaut, der Rest sind Wiesen, Wälder, Almen und Felsgipfel!

Daß Tirol mit seiner Fremdenverkehrspolitik auf dem richtigen Weg ist, beweisen wohl am sinnfälligsten unsere Dörfer. Auch wenn da und dort ein Hotelkoloß den Rahmen dessen sprengt, was man sich einstens unter einem Tiroler Dörfchen vorgestellt hat, muß auch der schärfste Kritiker zugeben, daß Landschaft und Dorf noch immer jenes Etwas ausstrahlen, was beides so vertraut, so behebt und so heimelig macht. Trotz aller Modernisierung: die Kirche wurde im Dorf belassen, wie man so treffend sagt.

Tirol kennt keine Geisterdörfer. Hier fühlt sich nicht nur der Gast wohl, sondern auch der Einheimische. Hier können nämlich beide daheim sein! Nicht umsonst gibt es immer mehr Stammgäste, von denen einige schon 30-, 40-, ja sogar 60mal ihre Ferien in Tirol verbracht haben.

Ist Tirols Fremdenverkehr quantitativ am Ende? Wir glauben nicht, vor allem, weil ja auch die Zwischensai-sonen ausgebaut werden können, weil gottlob auch die Schulbehörden eingesehen haben, daß es purer Unsinn ist, hundert Millionen Europäer zur selben Zeit in die Ferien zu entlassen. Und weil der Hunger nach Urlaub, Erholung und Freizeit wohl kaum irgendwo besser gestillt werden kann als in einem Land, das Lebensqualität zum Prinzip erhoben hat. Tirols Fremdenverkehr steht heute in optimaler Bereitschaft da, dem Gast all das zu bieten, was er zu Hause nicht findet, ob es sich nun um die infrastrukturellen Einrichtungen eines Gebirgslandes handelt oder um die herrliche Natur mit all ihren Erholungsmöglichkeiten.

Wir Tiroler sind sicher, daß wir zu unseren unzähligen alten Freunden immer wieder neue hinzugewinnen werden!

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