Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
To the point
Die Konfusion in den westlichen Beziehungssystemen strebt einem Höhepunkt zu: Besinnung auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in der NATO, doch englisch-kontinentale Zerreißprobe der Europäischen Gemeinschaft. Der Tod im Elysee schuf ein kurzes Intervall. Die Nachfolge wird entscheiden, ob dem neugestrafften Warschauer Pakt weiterhin ein wirtschaftlich und militärisch zerbröckelnder Westen gegengegenübersteht.
Der 25. Jahrestag der Gründung der NATO verlief in überraschender Harmonie. NATO-Generalse-kretär Luns sprach von der NATO als der Existenzbedingung für Westeuropa, für die USA. In Washington rief Nixon zur Uberwindung des partikularistischen Nationalismus auf und meinte auch den US-Isolationismus. Washington, London, Bonn schienen plötzlich wieder von der Priorität des westlichen Verteidigungssystems vor nationaler Identitätsund Budgetdemagogie erfühlt zu sein. Auch aus Paris kamen keine Störfeuer.
Die Geburtstagsharmonie der NATO fehlte in der Europäischen Gemeinschaft. In der Wirkung ihrer Aktionen einander ergänzend, will Englands neue Regierung die EG durch Druck in eine wirtschaftliche Hilfsorganisation für die englische Wirtschaft, Frankreichs alte Regierung die EWG in eine wirtschaftspolitische Hilfsorganisation für den antiamerikanischen Erdölkurs von Paris verwandeln.
Die Bereinigung mit der EG war der große Wahlschlager Wilsons gewesen. Seine Forderung, Novellierung aller von der konservativen Regierung abgeschlossenen EG-Verträge oder Austritt, ist nach dem Mund des militanten Insular-Engländertums verfaßt. Sein Zugeständnis, in einer den englischen Wünschen willfährigen EG zu bleiben, gilt den fast schon verstummten Gruppen der europäischen Engländer. Doch so geht es nicht, weder für England, noch für die EG. Die Verträge einer englischen Regierung mit der EG können nicht unter dem Druck der Annulierung umgeschrieben werden, soll nicht die Kohäsion aller europäischen Beziehungssysteme fadenscheinig werden. Wilsons Außenminister, „Sunny Jim“ Callagher, erfaßt die Unvereinbarkeit des Ultimatums mit dem Bestand Englands als Element der europäischen Wirtschaft und der gemeinsamen politischen Entscheidung, und sucht nun in dem durch Frankreich verärgerten Washington Rück halt.
Mit seiner Erdölpolitik ergänzt Frankreich Englands Zerstö rungsbemühungen. Als Reaktion auf Kissingers Erdölplan der Vereinigung der Erdölabnehmer zum Gespräch mit den ebenfalls ver einten Erdölproduzenten will Jo bert den französischen Erdölplan der Europäischen Gemeinschaft — aufzwingen. Erste Stufe: Konferenz der europäischen Erdölab-nehmer mit den arabischen Produzenten. Zweite Stufe: Gemeinsame europäisch-arabische Erdölkommission. Dritte Stufe: Ständige Konsultationen der arabi sehen und EWG-Außenminister. Das strategische Ziel: Los von Washington.
Im selben Maß, in dem Frankreich die EG als Massenbasis gegen die USA mobilisieren will, sucht England die USA als Stütze gegen die EG zu hingen — ein seltsamer Reigen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!