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To the point
Als er die Grenze überschritt, war er nicht mehr Watergate-Nixon. Auf der Reise und am Reiseziel Moskau ist er der Repräsentant der Vereinigten Staaten uneingeschränkt. Erst wenn er wieder amerikanischen Boden betritt, wird er mit der Last des innenpolitischen Mühlsteines fertig werden müssen. Ist diese Verwandlung ein Zaubertrick, Symbol für eine moralische Krankheit der Vereinigten Staaten? Moskau glaubt nicht an Zauberer und gibt sich nicht mit Totkranken als ebenbürtigen Partnern in der Weltpolitik ab. Die Verwand-lungsfähigkeit ist eher der Ausdruck der Kraft der Demokratie
— der amerikanischen — in entscheidenden Augenblicken. Und Moskau empfängt Nixon, damit Entscheidungen gefällt werden.
Der Nixon-ifeindliche Senat kündete knapp vor Nixons Abreise die Stimmunigsveränderun-gen unter dem Schatten des Moskau-Gipfels an. Plötzlich schwand der Widerstand gegen das 100-Milliarden-Dollar Rüstungsbudget. Die Superbomber B 1, die Trident U-Boote — neue Transportmittel für Atomwaffen
— werden gebaut. Vor allem: Die Liberal-Isolationisten verloren diese Runde im Kampf um die Reduzierung der US-Truppen in Europa um 100.000 Mann. Vielleicht war das die Ferniwirkung des neuen Europas der Giscard und Schmidt.
Nixons Vorschläge und der Welt Erwartungen werden freilich wenig Sensationelles und mehr Sachliches, Festigendes umfassen. In der Zeit seit den vergangenen Vereinibarungen von SALT hat sich das US-Atomkonzept etwas geändert.
Nicht mehr die Zentren von Industrie und Ansiedlung, sondern die Zentren von Atomwaffen und Raketen sind jetzt die Zielpunkte der US-Zerstörungsmaschine. Diese Änderung — zwischen den beiden SALT-Kon-ferenzen getroffen — hat bei beiden Großmächten mehr Unruhe als Beruhigung ausgelöst und ein neues Wettrüsten angeheizt. Leicht könnte es „bis zu dem Punkt kommen, wo nicht die Sorge um die Erhaltung der Stabilität des Schreckens, sondern die Nützlichkeit, zuerst zu schießen“, zur Maxime von Staatsführern, Politikern, Planern wird.
Die Erneuerung, vielleicht die Verbesserung des Abkommens von 1972 ist daher das' — für die USA und für die UdSSR — wichtigste Ziel des Gipfels in Moskau. Vielleicht könnte sogar die Anzahl der Atom- und Raketenkonzentrationsstätten, im Abkommen von 1972 auf zwei für jede Großmacht, auf je eine begrenzt werden. Natürlich würde das die Chancen für den frühen
— wenn auch nicht mehr fahrplanmäßigen — Abschluß von SALT 2 erhöhen. Eine Diskussion der wichtigsten Europaprobleme wird mit viel Diskretion geführt werden — um die sich neu artikulierenden Westeuropäer, EG und europäische NATO, nicht zu vergrämen. Doch für Trupperaverdünnung und Sicherheitskonferenz könnten neue Weichen gestellt werden. Eingehend wird aber in Moskau über den Vorderen Orient gesprochen werden. Die UdSSR hat dort durch Syrien die Ebenbürtigkeit wieder errungen. Und über die Asienprobleme östlich von Suez.
Nixon in Moskau: Das wird die Frage beantworten, ob die „Detente“ ein quantitativer Begriff bleibt, oder ein qualitativer werden kann.
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