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Tod eines Lieb-Kindes

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Vorläufiges Ende des polnischen Agrarfonds, mit dem die katholische Kirche des Landes den privaten Bauern helfen wollte: Das Geld aus dem Westen stand bereit, Primas Jozef Glemp mußte jedoch aus verschiedenen Gründen die Gespräche mit der Regierung in dieser Angelegenheit aufkündigen.

In erster Linie ging es um die Glaubwürdigkeit der Kirche, die die Bauern nach einem Jahr ohne weiterführende Verhandlungen nicht länger täuschen wollte. Auch die ausländischen Geldgeber waren nach vier Jahre dauernden Gesprächen enerviert. So ist die Absage Glemps nicht als Ausdruck bloßen Pessimismus, sondern als Versuch zu werten, aufgrund der realen Lage zu handeln.

Sind vier Jahre mühsame Arbeit damit zunichte? War der Aufwand für die polnische Kirche gerechtfertigt, wo man doch weithin dauernd auf die Wünsche der Regierung eingehen und sie akzeptieren mußte? Und vor allem— gibt es noch Hoffnung für den Agrarfonds?

So langweilig Zeittafeln zur Dokumentation langwieriger Verhandlungen sein mögen, liest man den Bericht der Polnischen Bischof skonf er enz über die vergeblichen Anläufe doch nicht ohne Spannung. Vom 14. September 1982 bis zum 17. Oktober des Vorjahres war die polnische Kirche zu äußersten Konzessionen bereit, um nur ja ihr Lieb-Kind -den Agrarfonds — durchzudrük-ken. Offenbar hat bei allen Verhandlungsrunden eine gewisse Haltung der staatlichen Gesprächspartner im letzten Moment - wenn die Kirche schon allen Kompromißvorschlägen zugestimmt hatte — einen positiven Vertragsabschluß verhindert.

So wurde kirchlicherseits akzeptiert, daß für importierte Waren aus dem Westen Zoll bezahlt wird und auch Steuern von finanziellen Transaktionen zwischen Stiftung und Bauern eingehoben werden sollten. So weit, so gut. Doch am 24. Juli 1984 wurde von den staatlichen Verhandlungspartnern die Verankerung einer Passage in den Statuten der Stiftung gefordert, wonach der Landwirtschaftsfonds „im Sinne der Volksrepublik Polen“ wirken sollte. Auch hier wurde mit der Formulierung ,4m Interesse der Staatsräson“ wieder ein Kompromiß gefunden.

Am 20. September 1984 schien alles zur Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages bereit. In der entscheidenden Sitzung erklärte sich die staatliche Verhandlungsgruppe dazu für inkompetent. Der kirchliche Protest an die Regierung Jaruzelski blieb unbeantwortet. Und ab diesem Zeitpunkt gab es eigentlich staat-licherseits nur Rückschritte. Im Jänner 1985 verlangte man überhaupt eine neue Grundsatzdiskussion über die Intentionen des Agrarfonds sowie die Streichung jener Bestimmungen in den Statuten, derzufolge die Stiftung das Recht gehabt hätte, Bauernbe-rufsschulung durchzuführen. Zu letzterem hatte sich die Kirche auch bereit erklärt.

Ein größeres Entgegenkommen seitens der Kirche war dann aber nicht mehr möglich; zumal dann die Forderung erhoben wurde, dem Landwirtschaftsministerium eine direkte Intervention in das Agrarfondsprogramm zu ermöglichen. Diese direkte Einflußnahme des Staates auf das Projekt wurde von der kirchlichen Delegation abgelehnt.

Auch ein weiteres Entgegenkommen der Kirche in Fragen der Zoll- und Steuerverpflichtung im September 1985 zeitigte keinen Erfolg; desgleichen konnte die Zurückweisung des von Lech Walesa dem Landwirtschaftsfonds angebotenen Friedensnobelpreisgeldes seitens der Kirche die Stimmung zwischen den Verhandlungspartnern nicht mehr verbessern.

Ab 17. September 1985 - dem Zeitpunkt, da ein angesetzter Verhandlungstermin von staatlicher Seite nicht eingehalten wurde - wußte man in der polnischen Kirche um das Aus für den Landwirtschaftsfonds.

Nun hat die Kirche — „aus Gründen der Glaubwürdigkeit“ — ein Signal setzen müssen. Der scheinbare Rückschritt durch den Rücktritt von den Verhandlungen soll die Gegenseite in Zugzwang bringen. Bisher hat es allerdings nur Krokodilstränen seitens des polnischen Landwirtschaftsministeriums gegeben.

Man beeilte sich zu erklären, wie unendlich positiv der Staat der kirchlichen Initiative zur Einrichtung des Fonds für die polnische Bauernschaft gegenübergestanden sei; wie rasch man auch durch gesetzliche Maßnahmen — über die rechtliche Stellung privater Stiftungen — die Grundlage für die notwendigen Staat-Kirche-Verhandlungen geschaffen habe.

Die Erklärung von Primas Glemp Anfang September, keine weiteren Verhandlungen mehr führen zu wollen, nimmt vorerst einmal nur die reale Situation zur Kenntnis. Sie läßt jedoch bescheidene Hoffnung für die private polnische Landwirtschaft zu, zumal sie auffordert, nach anderen Möglichkeiten und Formen zu suchen, um doch noch ein Hilfsprogramm für die polnische private Landwirtschaft zu realisieren.

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