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Tod nach 196 Jahren

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Innerhalb von wenigen Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation der Zeitungen entscheidend verschlechtert. Steigenden Löhnen, Preiserhöhungen beim Zeitungspapier und einem immer kostspieligeren technischen Aufwand stehen fal- lende Inserateneinnahmen gegenüber. Der Vorschlag des Finanzministers, über eine zehnprozentige Inseratensteuer Barmittel für eine Untenstützung der — am schlechtesten gestellten — sogenannten „Zweitzeitungen“ in einem Verbreitungsgebiet zu schaffen, begegnete harter Kritik, auch bei der Mehrzahl der sozialdemokratischen Zeitungen. Zu einer stärkeren Unterstützung der Presse über Direktzuwendungen, vom Staat bezahlte Inserierungen und möglicherweise auch Subventionen für Papier (es gibt da bereits ein erfolgreiches norwegisches Vorbild!) wird es sicher kommen, man weiß nur noch nicht, wie umfangreich diese Staatshilfe sein wird und wie sie finanziert werden soll.

Zum erstenmal melden auch die großen Stockholmer Zeitungen „Dagens Nyheter“ und „Aftonbladet“ fallende Einkünfte, der Kurs der DN-Aktien ist denn auch seit Wochen pausenlos gefallen. Die zweitgrößte Morgenzeitung Stockholms, „Svenska Dag- bladet“, gibt ebenfalls große Schwierigkeiten zu und ist eben dabei, ihr Personal um mindestens 70 Personen zu verringern. Bei „Aftonbladet“, dem Nachmittagsblatt der Gewerkschaften, ist es zu einem bitteren Streit zwischen der Redaktion und den Besitzern gekommen, da man dem Chefredakteur einen verantwortlichen „Ersten Redakteur“ an die Seite setzte. Die sozialdemokratische Zeitung „Folket“ stellte ihre Nebenausgabe in Västeras ein, diese große Industriestadt hat jetzt keine Zeitung der Arbeiterpartei. Personalentlassungen auch bei den bürgerlichen Zeitungen, so etwa in Karlstad in der Provinz Värmland. Über dieser Flut von Sorgen wurde kaum bemerkt, daß die Zweitälteste Zeitung Schwedens, „Lunds Vecko- blad“, ihr Erscheinen eingestellt hat. Das altehrwürdige Blatt ist 196 Jahre alt geworden und hat viele Stürme überstanden, vor der Kosteninflation in der Wohlstandsgesellschaft mußte es kapitulieren. Bis 1960 war „Lunds Veckoblad“ eine geachtete Tageszeitung, zuletzt eine Wochenzeitung.

91 stellten ein

Die Zahl von Schwedens Zeitungen, die mindestens zweimal in der Woche erscheinen, verminderte sich von 1950 bis 1970 um 91 auf 149. Größtes Aufsehen machte dabei die Auflassung der sozialdemokratischen Zeitungen „Morgon-Tidningen“, „Afton-Tidningen“ und „Stock-

holms-Tidningen“, da man in diesen Fällen von Zentralorganen sprechen konnte. Die Konservativen fielen von 79 auf 43 Zeitungen zurück, die Zenterpartei von 19 auf 13, die Liberalen von 64 auf 44, die Sozialdemokraten von 36 auf 24 und die Kommunisten von sieben auf eine. Besonders schwer für die Sozialdemokratie wiegen neben den Verlusten in Stockholm, wo man über keine Morgenzeitung mehr verfügt, jene in Göteborg, wo man ebenfalls die einzige Zeitung verloren hat.

Die konservativen Blätter konnten in dieser Zelt jedoch trotz des Verlustes von 36 Zeitungen ihre Gesamtauflage von 775.000 auf 809.000 erhöhen, die Liberalen erhöhten von 1,6 auf 2,2 Millionen, die Sozialdemokraten von 610.000 auf 952.000, die Zenterpartei fiel dagegen von

148.0 auf 137.000 zurück und die Kommunisten gar von 62.000 auf (schätzungsweise) 3400 Exemplare. Nach eigenen Angaben der Zeitung, „Norrskensflammen“ in Lulea, soll die Auflage bei 7000 liegen.

Der sozialdemokratische Fortschritt, der hier sichtbar wird, ist zum größten Teil auf die Entwicklung der Nachmittagszeitung „Aftonbladet“ zurückzuführen. Das Blatt wurde 1956 zusammen mit „Stockholms- Tidningen“ von der Familie Kreuger gekauft. 1960 hatte es eine Auflage von 186.000, 1970 überschritt es die halbe Million. „Stockholms Tidnin- gen“ mußte bei 140.000 Auflage niedergelegt werden.

Von den noch bestehenden sozialdemokratischen Tageszeitungen ist heute „Arbetet“ in Malmö die auflagenstarkste, in zehn Jahren konnte sie von 54.000 auf 102.600 erhöhen. Mit Ausnahme der Städte Lulea und Eskilstuna — beide alte Bastionen der Arbeiterbewegung! — sind heute alle sozialdemokratischen Zeitungen „Zweitzeitungen“, die es besonders schwer haben, sich gegen eine überlegene Konkurrenz durchzusetzen. Bezeichnend für die schwere Stellung der Zeitungen zweiten und dritten Ranges ist das Schicksal der sozialdemokratischen „Ny Tid“ in Göteborg, der zweitgrößten Stadt des Landes. Noch 1960 hatte diese Zeitung eine Auflage von 42.400, mußte jedoch schon da gegen drei auflagenstarkere Blätter ankämpfen. 1966 druckte sie nur noch 17.900 Exemplare und mußte einstellen. Auch hier mag, wie in manchen anderen Fällen, zweitrangige journalistische Führung zum schnellen Ende beigetragen haben.

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