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Tödliche Allianz für Aktion Leben

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Amerikas Katholiken haben in ihrem Kampf gegen die A btreibung viele Bundesgenossen gefunden. A ber viele dieser Bundesgenossen werden in anderen Fragen immer mehr zur Last. Der Ruf der Katholiken der USA als Sozialreformer steht auf dem Spiel.

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Amerikas Katholiken haben in ihrem Kampf gegen die A btreibung viele Bundesgenossen gefunden. A ber viele dieser Bundesgenossen werden in anderen Fragen immer mehr zur Last. Der Ruf der Katholiken der USA als Sozialreformer steht auf dem Spiel.

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Seit jeher gibt es in den Vereinigten Staaten eine „fundamentalistische“ Sicht des Christseins, die Politik und Wirtschaft, Kultur wie Wissenschaft kirchlich zu vereinnahmen versucht und, wo solche Versuche fehlschlagen, diese Bereiche dem bösen Feind zuordnet.

Solches ist trotz der strengen Formaltrennung von Kirche und Staat (oder vielleicht auch gerade deshalb) ein Randphänomen des kirchlichen (vor allem protestantischen) Amerika.

Ihre skurrilste Ausprägung findet diese Haltung derzeit (wieder einmal) in einem Prozeß, den ein kalifornischer fundamentalistischer Verleger gegen die Landesschulverwaltung mit dem Ziel angestrebt hat, gesetzlich zu verfü gen, daß im Biologieunterricht des Staates neben der Evolutionstheorie auch die dieser angeblich widersprechende Schöpfungstheorie als gleichwertige „wissenschaftliche“ Doktrin vorzutragen sei.

Katholiken tun sich in solchen Nachhutgefechten allzu wörtlicher Bibelauslegung kaum je hervor. So sehr sie im Liturgischen und auch in der Glaubensdoktrin überwiegend konservativ eingestellt sind, so sehr ist ihre weltzugewandte gesellschaftspolitische Seite im Regelfall vom Bemühen um Veränderung zugunsten größerer sozialer Gerechtigkeit gekennzeichnet.

Die Katholiken der USA kämpfen seit Jahrzehnten im vordersten Graben für mehr soziale Rechte, menschenwürdige Wohnungen, gerechte Löhne, Slumbeseitigung, Arbeitsplatzbeschaffung und mehr Bürgerrechte.

An der Kritik der Exzesse des Vietnamkrieges waren sie Führend beteiligt. Im Zweiten Vatikanischen Konzil führten ihre Bischöfe viele Feldzüge in Richtung Toleranz und Großmut an. Bischof Thomas Kelly plädierte 1980 namens der US-Bischofskonferenz vor dem Programmausschuß der Republikaner für eine Fortsetzung der Menschenrechtspolitik.

Auch in der Frage innerkirchlicher „Menschenrechte“, der Stellung der Frau in der Kirche und der Geschiedenenpastoral tut sich so manches in den USA, was hierzulande erschrecken würde. Manche amerikanische Nonnen könnten manche unserer „Emanzen“ in puncto Bewußtseinsbildung und Wagemut ganz schön bloßstellen.

Und immer sind Amerikas Katholiken sehr entschieden und sehr dynamisch auch Für die Rechte Ungeborener eingetreten. Die Pro-Life-Bewegung, etwa unserer Aktion Leben vergleichbar, wird nicht müde, immer neue Allianzen gegen die Abtreibung zu mobilisieren.

Das ist ihr in den letzten zwei Jahren auch gelungen. Aber was zunächst als willkommener Erfolg schien, beginnt sich nun zunehmend als Stahlkugel an einer Fußfessel auszuwirken.

Erzkonservative bis reaktionäre Gruppen, die die Aktion Leben unterstützen, verlangen von dieser nun auch eine Unterstützung ihrer sonstigen Anliegen. Was das in der Praxis bedeutet, schilderte kürzlich der katholische demokratische Senator Patrick J. Leahy von Vermont in einem von mehreren Zeitungen übernommenen Hilferuf:

„Auf einmal erfahre ich als christlicher Parlamentarier, daß ich für starke Kürzungen von Bundesmitteln und gegen ein eigenständiges Unterrichtsministerium stimmen muß; daß ich eine direkte Bedrohung Taiwans Tür eine direkte Bedrohung der Sicherheitsinteressen der USA zu betrachten habe: daß ich als Christ gegen Programme zur rechtlichen Gleichstellung der Frau und gegen Gesetze zur Einschränkung des elterlichen Züchtigüngsrechtes sei, daß ich, um als moralisch zu gelten, unbegrenzte Militärausgaben unterstützen und ein Abkommen zur Begrenzung der strategischen Rüstung ablehnen muß.“

Andere Forderungen, die von der neuen Neuen Rechten der USA neben dem Verbot der Abtreibung erhoben werden, beziehen sich auf Ausdehnung der Todesstrafe, Senkung der Steuern und Erhaltung der totalen „Waffenfreiheit“ für alle Amerikaner.

Senatoren, die ihnen in diesen Fragen nicht zu Gesicht standen, wurden im letzten Wahlkampf von der geldstarken und organisationstüchtigen Neuen Rechten in Form eines kalten Diffamierungsfeldzuges aus dem Senat hinausgetrieben.

Ich habe kürzlich John T. Dolan, den Direktor des Konservativen Politischen Aktionskomitees der USA, die gar nicht wählerischen Methoden dieser Anti-Werbung vor laut buhenden Studenten der Brown University sehr kaltschnäuzig verteidigen und ihn ankündigen gehört, daß die Vendetta noch nicht zu Ende sei: Das nächste Mal werde es Leuten wie Edward Kennedy an den Kragen gehen ...

Alles das bereitet vielen amerikanischen Katholiken wachsendes Unbehagen. P. Theodore Hesburgh, Präsident der weltbekannten US-Jesuitenuniver- sität Notre Dame, sagte dazu kürzlich:

„Wir haben es erlebt, daß Kandidaten, die zu 95 Prozent mit katholischen Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit übereinstimmen, nur wegen einer einzigen Frage (der Fristenregelung, d. Red.) abgewählt und durch Kandidaten ersetzt wurden, die zwar oberflächlich mit uns in der Abtreibungsfrage über einstimmen, aber in so gut wie jedem anderen Punkt, woes um Gerechtigkeit und Gleichheit geht, nicht.“

Sehr deutlich wird dies auch jetzt wieder hinsichtlich der amerikanischen Politik gegenüber Lateinamerika. Mit einer härteren Gangart der US- Regierung gegenüber der Sowjetunion und ihren imperialistischen Zielen sind die meisten Katholiken der USA voll einverstanden - mit verstärkter Militärhilfe für autoritäre und totalitäre Regime Zentralamerikas überhaupt nicht.

Hier stehen viele amerikanische Katholiken wieder in vorderster Front in dem Bemühen, die Regierung etwa von El Salvador von der Notwendigkeit ernstgemeinter und spürbarer Sozialreformen zu überzeugen. Zuerst freilich müssen sie ihre eigene Regierung in Washington dafür gewinnen.

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