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Tödliches Uran

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Alle Pläne für einen weiteren Ausbau der Kernkraft sollten von den Regierenden in aller Welt genauestens überprüft werden. Diese Mahnung richtete der schwedische Physiker und Nobelpreisträger Hannes Alfven an die schwedische Regierung und darüber hinaus an alle für die Lebensbedingungen der Menschen Verantwortlichen. Seine mit dieser Mahnung verbundene Argumentation war für Schweden so überzeugend, daß schon wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung die für den Ausbau der Kernkraft zuständige Stelle den vorläufigen Aufschub ihres Programms bekantgab.

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Alle Pläne für einen weiteren Ausbau der Kernkraft sollten von den Regierenden in aller Welt genauestens überprüft werden. Diese Mahnung richtete der schwedische Physiker und Nobelpreisträger Hannes Alfven an die schwedische Regierung und darüber hinaus an alle für die Lebensbedingungen der Menschen Verantwortlichen. Seine mit dieser Mahnung verbundene Argumentation war für Schweden so überzeugend, daß schon wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung die für den Ausbau der Kernkraft zuständige Stelle den vorläufigen Aufschub ihres Programms bekantgab.

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Hannes Alfven, der durch seine Plasmaforschung und seine Theorien über die Existenz einer Welt der Antimaterie weltberühmt geworden ist und heute Lehrstühle in den USA und in Schweden innehat, verweist vor allem auf die noch unübersehbaren Folgewirkungen, die mit dem Ausbau der Kernkraftproduktion verbunden sein könnten. — „Man sieht in dem Ausbau der Kernkraftanlagen die Lösung des immer brennender werdenden Energieproblems“, sagte er. „Auch ich selbst befand mich vor einigen Jahren noch auf dieser Linie, doch seither sind immer mehr Forscher und auch Politiker zur Einsicht gekommen, daß die Ausbeutung der Kernkraft Probleme schafft, die lebensbedrohend für die ganze Menschheit werden können. Die Regierenden haben diese Veränderung in den Anschauungen der Forscher zuwenig beachtet. Eine grauenhafte Vergiftung der Umwelt und eine Gefährdung des Weltfriedens müssen die Folgen eines solchen Verhaltens sein!“

Alfven weist dann vor allem auf die Gefahr hin, die darin liegt, daß schon in absehbarer Zeit alle Staaten in der Welt über ihre Kernkraftproduktion in den Besitz des Kernwaffenmetalles Plutonium gelangen werden. Plutonium ist vor allem einmal unerhört giftig — sowohl chemisch wie auch durch seine Strahlungskraft —, und schon bei der Produktion einer Energiemenge, die man braucht, um ein gewöhnliches Mittagessen zu bereiten, wird eine hohe Dosis Gift erzeugt, von dem wir nicht wissen, was wir mit ihm anfangen sollen.

Im selben Prozeß werden die fast ebenso giftigen Produkte Strontium 90 und Caesium 137 freigesetzt, und beide sind unzerstörbare Grundelemente. Plutonium hat eine „Halbwertzeit“ von 26.000 Jahren. So lange dauert es, bis sein Strahlungseffekt sich um die Hälfte vermindert hat.

Bisher ist es gelungen, diese gefährlichen Zerfallsprodukte unter Verschluß und Kontrolle zu halten. Doch was wird geschehen, wenn ringsum in der Welt tausende Kernkraftwerke in Tätigkeit sind und täglich Giftmengen produzieren, die imstande sind, die gesamte Menschheit zu vernichten? Ein einziger Arbeitsunfall kann bereits unübersehbare Folgen haben.

Das große Problem ist zudem die Behandlung des außerordentlich gefährlichen radioaktiven Abfalls. Allein Europas Kraftwerke werden im Jahre 1980 etwa 225.000 Kubikmeter hochaktiven Abfalls erzeugen. Die Lagerung und ständige Kontrolle dieses Jahr für Jahr anwachsenden Abfallberges wird ein unlösbares Problem darstellen, wohin man auch diese Mengen transportieren mag: in die tiefsten Gruben oder unter das Eis der Polarmeere, was wieder in kurzer Zeit zur völligen Vergiftung der Weltmeere führen würde.

Alfven kommt zu dem Schluß, daß die Erzeugung von Energie durch Atomspaltung zu unübersehbaren Gefahren führen muß und deshalb eine untaugliche Lösung des Energieproblems darstellt. Dazu kommt noch, daß das Uran, der wichtigste Kernkraftbrennstoff, nur in begrenzten Mengen auf dieser Erde vorhanden ist, daß er in absehbarer Zeit erschöpft sein wird, dies aber dann in einer Welt, die für immer für alles menschliche Leben unbewohnbar geworden ist. Das Energieproblem besteht, doch es muß auf andere Art gelöst werden.

Der schwedische Reichstag hat unter dem Eindruck dieser Warnungen beschlossen, nur die elf bereits im Bau befindlichen Kernkraftwerke zu vollenden. Alle Vorbereitungsarbeiten für weitere dreizehn Werke, die bereits geplant waren, sind aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eingestellt worden. Man betonte bei der Begründung dieses Beschlusses ausdrücklich, daß man die aus Forscherkreisen kommenden Warnungen nicht in den Wind schlagen könne. Im Vergleich zur Einwohnerzahl habe Schweden das umfangreichste Kernkraftprogramm unter allen Ländern der Erde, es sei deshalb notwendig, erst einmal die weitere Entwicklung auf dem Kernkraftsektor abzuwarten.

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