7078518-1993_27_07.jpg
Digital In Arbeit

Tokio: Viele Worte, wenig Taten?

Werbung
Werbung
Werbung

„In solch einem Krisenfall mit beschleunigt steigender Arbeitslo sigkeit kann freilich auch angenommen werden, daß in den großen Industrieländern Einsicht und Bereitschaft wachsen, eine gemeinsame Strategie zur Überwindung der Wachstumskrise zu entwickeln und in die Tat umzusetzen”, schreibt das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) im Text zu seiner jüngsten Prognose in bezug auf die internationale Wirtschaftslage. Erste Gelegenheit, solche Einsicht zu beweisen, bietet sich den Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industrieländer (USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) schon diese Woche beim alljährlichen Wirtschaftsgipfel dieser G7-Länder, der diesmal in Tokio abgehalten wird.

Aber nicht nur aus den vom WIFO genannten Gründen steht das heurige Treffen unter starkem Druck, diesmal mehr zu bieten - auch die Finanzmärkte wollen dringend Ergebnisse sehen. Wer weiß, welche Risken zu potentieller Destabilisierung der gesamten Weltwirtschaft in den Finanzmärkten stecken, weiß auch, was das zu bedeuten hat.

Vor allem wird man den Märkten beweisen müssen, daß sich die sieben wichtigsten Industrieländer des Westens noch auf eine wirtschaftspolitische Koordination mit einem einigermaßen brauchbaren Inhalt einigen können, oder ob sie nicht doch eher den zuletzt immer offenkundigeren Weg zunehmender Konfrontation weitergehen wollen. Die Probleme sind seit dem letzten Gipfel größer geworden, während gleichzeitig die Skepsis über den Willen zur Kooperation gestiegen ist.

Tatsächlich sind die G-Sie ben zerstritten wie selten zuvor: Schon die unmittelbar vor dem Gipfel stattfindenden Gespräche zur Uruguay-Runde des GATT, die man endlich zu Ende bringen möchte und deren Ergebnis die Staatschefs als Erfolg hätten herausstellen können, werden diese Hoffnung nicht erfüllen. Denn schon die vorbereitenden Gespräche dazu sind zum x-ten Mal steckengeblieben, weil alle beteiligten Seiten das Gefühl hatten, die vorgeschlagenen Zollreduktionen seien unausgewogen und aus Sicht des jeweiligen Landes besonders zum eigenen Nachteil.

Starke Worte fand da der französische Premier Edouard Balladur, der am Gipfel erst gar nicht teilnimmt, aber mit Präsident Mitterrand, der die französische Delegation leiten wird, zumindest in dieser Frage sicher einer Meinung ist. Er meinte nämlich, daß es in Tokio keinerlei Einigung zu irgendeinem Thema geben werde, wenn die amerikanischen Sanktionen gegen die europäischen Stahlexporte nicht aufgehoben werden.

Koordination scheint da nicht angesagt zu sein. Alle Versuche, irgendetwas Gemeinsames zu postulieren, hinterlassen einen eher komischen Eindruck: So hatten die USA in Vorbereitungsgesprächen eine gemeinsame Zielvereinbarung auf drei Prozent Wirtschaftswachstum und eine Beschränkung des Leistungsbilanzüberschusses auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu lancieren versucht -als ob man so etwas bestellen könnte. In diesem Fall waren sich die anderen - vor allem Japan, aber auch die Europäer und die Kanadier - völlig einig, daß so etwas nicht sinnvoll sei.

Sehr aufmerksam werden die Finanzmärkte auch beobachten, wie die USA und Japan das schon Jahrzehnte alte Problem der riesigen Ungleichgewichte in ihrem bilateralen Handel, die sich der 50-Milliarden-Dollar-Grenze zugunsten Japan nähern, behandeln werden, ohne daß es zu einem Handelskrieg mit dem Aufbau protektionisti-scher Schranken kommt. Seit langem geißeln die Amerikaner den ungenügenden Marktzutritt für ihre Produkte in Japan und fordern energisch eine weitgehende Marktöffnung, wobei sie von den Europäern intensiv unterstützt werden. Mit schöner Regelmäßigkeit ist auch heuer wieder der Yen-Kurs in den Wochen vor dem Gipfel deutlich angestiegen, um solcher Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Später geht der Yen-Kurs häufig wieder zurück...

Auch viele eigene Süppchen werden zu kochen versucht: So will sich Gastgeber Japan als Anwalt der Interessen der Länder der Dritten Welt und insbesondere der asiatisch-pazifischen Wachstumsregion profilieren. Dazu gehört der Vorschlag einer internationalen Übereinkunft zur Stabilisierung der Preise natürlicher Rohstoffe, ein Projekt, das bei den Gipfelpartnern auf Desinteresse bis Ablehnung stößt.

Ein Kapitel für sich wären die Meinungs- und Interessengegensätze zwischen den europäischen Teilnehmern selbst. Man denke nur an deren eigene Kämpfe um die Führungspositionen in der kommenden Wirtschaftsund Währungsunion, die zweifellos Auswirkungen auf das Verhalten am Gipfel haben werden. Dabei wäre die Einleitung einer erfolgversprechenden Politik in Europa, die ein weiteres Abgleiten in die Rezession verhindern könnte, zweifellos wichtiger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung