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Toledo am Tajo

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In einem berühmten Epigraph hat Miguel de Cervantes y Saavedra den äußeren Aspekt der Stadt Toledo, die sich auf mächtigen Granitfelsen in Stufen und Terrassen von den Ufern des sie umfließenden Tajo ansteigend, aufbaut und die innere Kraft ihrer Ausstrahlung, die sie zur Leuchte der Städte Spaniens werden ließ, mit knappen, prägnanten Worten charakterisiert: Toledo, penascos a pesadumbre, gloria de Espana y luz de las ciudades“ (Toledo, von Felsgewichten Zermalmte, Glorie Spaniens, Licht unter den Städten).

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In einem berühmten Epigraph hat Miguel de Cervantes y Saavedra den äußeren Aspekt der Stadt Toledo, die sich auf mächtigen Granitfelsen in Stufen und Terrassen von den Ufern des sie umfließenden Tajo ansteigend, aufbaut und die innere Kraft ihrer Ausstrahlung, die sie zur Leuchte der Städte Spaniens werden ließ, mit knappen, prägnanten Worten charakterisiert: Toledo, penascos a pesadumbre, gloria de Espana y luz de las ciudades“ (Toledo, von Felsgewichten Zermalmte, Glorie Spaniens, Licht unter den Städten).

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Für die im Mittelalter von Madrid nach Süden Wandernden führte die Landstraße durch die Puerta vie ja de Bisagra in jene Stadt, zu welcher sich das von Titus Livius als „kleiner, befestigter Ort“ bezeichnete Toletum entwickelt hatte. Zwischen diesem im maurischen Stil erbauten Stadttor und dem heutigen nördlichen Einfallstor, der Puerta nueva de Bisagra, deren mächtige Rundtürme, der Portalaufbau und das plastische Dekor ein typisches Beispiel für die Verwendung italienischer Formen der Renaissance bietet, spannt sich der Bogen einer spezifisch toledanischen Architektur, welche mit „El Aleäzar“, der Burg des Kaisers, „in dessen Reich die Sonne nicht untergeht“, einerseits einen Blickfang für weite Femne gesetzt, anderseits dem eigenen baukünstlerischen Schaffen neue Aspekte gezeigt und neue Wege gewiesen hat.

Auf Befehl Karls V. hatte Alonso de Covarrubias die Pläne für den Umbau einer nahe dem Fluß gelegenen arabischen Festung ausgearbeitet und auch mit dem Bau begonnen, den Juan de Herrera vollendet hat. Aber nicht eine der eigentlichen für die kastilische Landschaft so charakteristischen Wehrburgen war da entstanden, sondern ein prachtvoller, sehr nobler Renaissancepalast, den sein Bauherr über alles geliebt hat, um diesen aber schließlich nach vielen schweren Schicksalsschlägen mit der strengen, ja düsteren Einsamkeit des Klosters Sah Yuste zu vertauschen.

Und der alte „Al Kassr“ — El Alcazar — entging seiner ursprünglichen Bestimmung, die Stadt schützen und verteidigen zu müssen,

nicht: 1808 wurde er von den einbrechenden napoleonischen Truppen in Brand gesteckt, später jedoch wieder hergestellt. Am 28. September 1936 schlug seine Stunde; nach 62tägiger Belagerung, während welcher 500 Zivilpersonen in seinen von 1500 Militärs verteidigten Mauern Schutz gefunden hatten, stand der Aleäzar wieder in Flammen. Er hat standgehalten um einen unfaßbar hohen Preis.

Die Spanier sind in tiefer Liebe ihrem Land und den Schätzen ihrer Kunst und Kultur verbunden. Um diese zu bewahren, nötigenfalls zu retten, werden große Opfer gebracht, sofern dies nur irgend möglich ist; denn einer großen Majorität der Bevölkerung ist klar bewußt, daß Kunstwerke, Naturschönheiten, Musik und Tanz einen gemeinsamen geistigen Besitz darstellen, der nicht selbstverständlich, sondern, wie man nur allzu gut weiß, bereits selten geworden. Um so erfreulicher ist es, daß eine aus den heterogensten Elementen gebildete Bevölkerung, wie sie in vielen spanischen Provinzen meist bereits seit vielen Jahrhunderten lebt, nicht nur dann einig ist, wenn es um Kunst und Kunsthandwerk geht, sondern auch dann, wenn Platz geschaffen werden soll für andere und anderes.

Die Stadt weist wenig ebene Flächen auf, meist sind es steile Anstiege und abrupte tiefe Schrägen, auf denen es oft schwer zu gehen ist, noch schwerer aber, zu bauen. Daraus hat man gelernt. Aus dieser Erkenntnis heraus geschieht geradezu unglaublich viel, um das Vorhandene in gutem Zustand zu erhalten und das Verschollene wieder aufzufinden — mit einem Wort: Restauration und Rekonstruktion auf allen Sektoren der Kunst ist ein ernstes Anliegen der Spanier. Solches ist heutzutage anderswo gar nicht So hat man in Toledo schon in den ältesten Zeiten Platz sparen müssen, hat ineinander geschachtelt und aufeinandergetürmt, hat zusammengerückt, bis es nicht mehr weiter ging — bis dann doch etwas zusammenfiel oder niedergerissen werden mußte. Das war besonders in den stark bevölkerten Stadtteilen, in der am Tajo gelegenen Juderia, dem Judenviertel, und dem mohammedanischen Bezirk der Fall, vor allem dort, wo Kultstätten plötzlich verlassen werden mußten, lange nicht gepflegt, oder gar von unkundiger Hand zweckentfremdend „behandelt“ worden waren.

Mit der Restaurierung diverser Objekte in diesen Stadtteilen wurde bereits seit geraumer Zeit begonnen, so die aus dem 14. Jahrhundert stammende „Sinagoga des Tränsito“, welche auf Anweisung von Samuel- Ha-Levi, dem Schatzmeister Pedros I. von Kastilien, errichtet wurde. Die Reinigung®- und Renovierungsarbeiten in diesem schönen, jetzt sonnendurchfluteten Raum haben wahre Wunderwerke arabischer Steinmetzkunst enthüllt, die zu den kostbarsten Entdeckungen dieser Restaurierungsperiode gehören. Über die Alcäntara-Brücke führt der steile und steinige Weg zu einer herrlichen maurischen Wehrburg, heute CaStillode San Servado, welche bereits im Jahr 1964 so weit restauriert war, daß sie von einem Collegio Menor bezogen werden konnte. Jetzt setzen neuerdings Renovierungsarbeiten ein, um diesen, das Landschaftsbild beherrschenden Bau zu erhalten, als Zeugnis einer immer wieder von neuem rätselvollen und faszinierenden Hochkultur des spanisch-maurischen Mittelalters. Eine besondere Freude wird man in der Kirche San Tomė erleben, wenn El Grecos Meisterwerk „Das Begräbnis des Grafen von Orgaz“ in der für dieses neu geschaffenen Beleuchtung bisher ungeahnte Schönheiten offenbaren wird.

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