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Torkelndes Schiff

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Nachdem die Parteien in Oberösterreich die erste Phase des Sich-Wunderns über den von keinem Lager vermuteten Ausgang der Landtagswahl (28 ÖVP-, 24 SPÖ- und 4 FPÖ-Sitze) durchstoßen haben, beginnt jetzt der Referatskampf in der Landesregierung. Die ÖVP will ihren Besitzstand wiederherstellen, den sie vor der verlorenen Wahl 1967 hatte. Die SPÖ ist ganz auf „Halten“ getrimmt. Und die FPÖ hofft auf Einflußzuckerln in Ausschüssen, Landtagspräsidium und Schuldienst.

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Nachdem die Parteien in Oberösterreich die erste Phase des Sich-Wunderns über den von keinem Lager vermuteten Ausgang der Landtagswahl (28 ÖVP-, 24 SPÖ- und 4 FPÖ-Sitze) durchstoßen haben, beginnt jetzt der Referatskampf in der Landesregierung. Die ÖVP will ihren Besitzstand wiederherstellen, den sie vor der verlorenen Wahl 1967 hatte. Die SPÖ ist ganz auf „Halten“ getrimmt. Und die FPÖ hofft auf Einflußzuckerln in Ausschüssen, Landtagspräsidium und Schuldienst.

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Bei den personellen Veränderungen erwies sich die VP in Oberösterreich als „Schnellbrüter“. Nur zwei Tage nach der Wahl wurde die veränderte Regierungsmannschaft präsentiert, die sich aus Landeshauptmann Wenzl, Landeshauptmannstellvertreter Possart, den Landesräten Diwold, Trauner und Ratzenböck zusammensetzt. VP-Landessekretär Ratzenböck, der erstmals eine Regierungsfunktion übernimmt, ist damit noch stärker an Oberösterreich gebunden. (Dennoch wollen die Stimmen nicht verstummen, daß der dynamische Organisator über kurz oder lang den VP-Generalsekretär Kohl-maier ersetzen sollte; Ratzenböck selbst dementiert solche Pläne, ob er auch ein parteioffizielles Angebot ausschlagen würde, bleibt offen.)

Veränderungen gibt es auch im Landtagspräsidium. Kultur- und Finanzreferent Hofrat Spannocchi verläßt seinen Landesratsplatz und

wechselt auf eigenen Wunsch auf den Posten des Ersten Landtagsprä-sidenten, dem in Zukunft durch die neue Verfassung weit größere Bedeutung als bisher zukommt. Mit diesem Revirement ist der VP zweifellos ein guter Wurf gelungen, da Spannocchi, ein Politiker vom seltenen Typ des bescheidenen Gentleman, über alle Parteigrenzen hinweg Ansehen genießt.

Schwieriger werden die Personal-weichen bei der SPÖ in Oberösterreich zu stellen sein. Um die Zerrissenheit an der Spitze nicht sofort in aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, gibt es im Regierungsteam und in der Partei jetzt kein Köpferollen — noch nicht, wie sich vermuten läßt. Die SP wird aber gut daran tun, möglichst bald jene Klarheit zu schaffen, die dieser Partei seit gut einem Jahr fehlt. Wahlspitzenkandidat Fridl wird wahrscheinlich einem neuen Mann weichen müssen, der für die nächste Wahl 1979 aufgebaut werden muß. Allerdings ist dieser neue Mann weit und breit nicht in Sicht. SP-Parteiobmann und Linzer Bürgermeister Hillinger, der selbst Ambitionen auf den Landeshauptmannsessel hatte, dürfte vorderhand wenig Chancen haben, sich selbst aufzubauen. Nach einer beträchtlichen Stiimmeneinbuße in der sozialistischen Hochburg Linz hat die Bürgermeisterpartei einen Stadtrat an die FPÖ verloren. Hillinger opferte das einzige weibliche Stadt-ratsmitiglied, was ihm die SP-Frauen ohne sture Parteidisziplin gründlich verübeln.

Man darf gespannt sein, wie lange Kanzler Kreisky, für den die sozialistische Wahlniederlage in Oberösterreich persönlich schmerzlich ist, dieser Landesrangelei zusehen wird. Ein Machtwort des Bundesparteivor-sitzenden dürfte aber im Augenblick ziemlich fruchtlos sein. Auf jeden

Fall käme es zu früh, weil es offensichtlich noch keine personellen Alternativen für die Führungsgarnitur der oberösterreichischen SP gibt. Damit wird aber die SP weiter Zeit verlieren und weiter politisches Terrain unbearbeitet lassen.

Sowenig Mitleid mit der Krisensituation der SP die anderen Parteien haben, so unangenehm wird für sie das Torkeln des SP-Schiffes sein, das seine trinkfesten Kommandanten offensichtlich nicht auf einem klaren Kurs halten können. Wer verhandelt schon gern mit einer Partei, von der man nicht weiß, wie ihr

Führungsgesicht in ein oder zwei Jahren aussehen wird? Und daß diese Lage dem demokratischen Wettbewerb ebenfalls nicht sehr zuträglich ist, ist auch unschwer festzustellen.

Die VP wäre freilich schlecht beraten, würde sie nach ihrer siegbe-äingten Festigung in Selbstgefälligkeit verfallen. Das Zweigespann Wenzl-Ratzenböck fühlt diese Gefahr: statt langen Siegesfeiern hat man daher auch nach der Wahl das Arbeitstempo nicht vermindert. Die Personalverhältnisse sind geklärt. Unverzüglich wurden die Marschrouten für die Parteiverhandlungen über die Landesregierungsreferate festgelegt und Gespräche eingeleitet. In der VP ist der Apparat dabei, Kommunalwahlergebnisse zu analysieren, was für manche Ortspartei und deren Chef noch schmerzliche Folgen haben könnte, weil man daraufkam, daß oft eklatante Stimmenunterschiede zwischen dem Landes-lnd Gemeindevotum der Oberösterreicher bestanden.

Alles in allem wird die Politikszene in Oberösterreich unangefochten von der VP beherrscht, die das Gesetz des Handelns laufend anwendet. Die Sozialisten sind aktivitätsarm wie selten. Und die Freiheitlichen müßten darüber nachdenken, weshalb ihr Höhenflug ausgerechnet in Oberösterreich fühlbar gebremst wurde.

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