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Total weltfremd?

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Im Herzen Brasiliens findet anscheinend die Ge­neralprobe für die Reevan-gelisierung der Menschheit statt. Ein Hauptakteur dabei ist das umstrittene Opus An-gelorum (Engelwerk).

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Im Herzen Brasiliens findet anscheinend die Ge­neralprobe für die Reevan-gelisierung der Menschheit statt. Ein Hauptakteur dabei ist das umstrittene Opus An-gelorum (Engelwerk).

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„Ich habe Angst zu reden", be­ginnt Maria da Cunha (Name geän­dert), die im März 1989 vom Orden vom Heiligen Kreuz in Anapolis dispensiert wurde, das Gespräch. „Ich weiß nicht, was denen alles einfallen kann." Dir Werdegang als Ordensschwester scheiterte an ih­rer Lust zum Leben. „Sie dulden nicht, daß man krank wird", sagt die 25jährige, die noch immer in psychiatrischer Behandlung ist.

Unter der Obhut der Österrei­cherin Waltraud Langer sind die 23 jungen Frauen aus der Bun­desrepublik Deutschland, aus Öst­erreich, der Schweiz, aus Portugal, Holland, Mexiko, Indien und Bra­silien auf einem etwa 80 Hektar großen Gelände etwas außerhalb von Anapolis mit 65 Ordensbrü­dern isoliert von der Außenwelt. In absolutem Gehorsam und in Ge-fügsamkeit werden die jungen Leute unter strengsten Regeln in minu­tiös eingeteilte Tagesabläufe ge­preßt.

Jos6 Carlos Rezende, der in der klostereigenen Tischlerei tätig war, erzählt von Pater Refugio, einem Deutschen, der sich in gebrochenem Portugiesisch bei ihm ausgeweint haben soll: „Je mehr sie einen demütigen können, desto mehr freut sie das." Unter den Demütigern soll sich auch Hans Georg Bitterlich befinden, Sohn der Österreicherin Gabriele Bitterlich, der Gründerin des mit dem Orden der Regularka-noniker vom Heiligen Kreuz ver­bundenen Engelwerkes (Opus An-gelorum).

„Sie gehen zu weit", meint auch der Ex-Seminarist Jos6 Lopez. „Tagsüber darf nichts geredet wer­den. Die schwarze Soutane muß ständig am Leib getragen werden. Selbst unter der Dusche. Ich bin eingetreten, weil ich in Theologie ausgebildet werden wollte, aber davon hörten wir nur wenig, dafür umso mehr über Mission. Ich bin Brasilianer. Ich kenne unsere Wirk­lichkeit. Was die da tun, ist ja total weltfremd."

Maria, die ausgebildete Kran­kenschwester ist, kam als 18jährige zum Kreuzorden. Als Novizin ver­brachte sie ihr erstes Jahr im Klo­ster „Aparecida do Norte"/Sao Paulo, der einzigen Dependence von Anapolis in Brasilien, ehemals gegründet von bayerischen Ordens­leuten. Danach wurde sie zwei Jahre nach Fatima/Portugal geschickt. Die letzten Jahre der achtjährigen Ausbildung verbrachte sie in Ana­polis. Die Lebensaufgabe der Schwestern ist innerhalb der Klo­stermauern definiert. „Wir haben den Priestern zu dienen."

Nach der Ausbildung werden die Seminaristen in die schon be­stehenden Klöster des Ordens nach Indien (Kerala, Poona), nach Öster­reich (St. Petersberg in Tirol), Por­tugal (Fatima und Braga, in die Schweiz (Flüeli), in die Bundesre­publik Deutschland (Schondorf am Ammersee), nach Kolumbien (Bo­gota), nach Mexiko, nach Madeira oder in die drei Klöster nach Rom geschickt.

Die Priester des Kreuzordens wer­den auf den Kreuzzug vorbereitet, auf die Missionierung der „Kader" der katholischen Kirche, als Multi­plikatoren der neuen Evangelisie­rungsideen in Priesterseminaren und Fortbildungsseminaren für Bischöfe, mit dem Banner des Hei­ligen Geistes in Händen.

65 Aspiranten aus der UdSSR, den USA, aus Spanien, Portugal, Ungarn, der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Indien, Mocambique, Angola, Südafrika und Brasilien werden derzeit in Anapolis - insgesamt acht Jahre lang - herangebildet. Pater Edgar Frank aus Schondorf ist auch Abt des Klosters in Anapolis.

Im letzten Jahr bekam die Aus­bildungsstätte in Anapolis in An­wesenheit des apostolischen Nun­tius den Status einer Universität verliehen. Die Ausbildung erfolgt nach Angaben des Bischofs von Anapolis, Dom Manoel Pestana Filho, in Theologie, Philosophie, Kirchenrecht, religiöser Kunst und Musik und theologischer Ausbil­dung für Laien. „Wir bilden eine Elite aus", sagt der Bischof, der nach vollendeter Ausbildung auch die Priesterweihen vornimmt.

40 Lehrkräfte, die alle dem Or­den angehören, wurden in den letz­ten Jahren für ihre Lehrtätigkeit im Kreuzorden in Rom ausgebildet. Neun davon unterrichten in Ana­polis. „Neben Dom Pestana unter­richteten auch die Deutschen Peter Tauscher, Andreas Dankl, Josef Kinninger, Hubert Tauer, der Öster­reicher Michael Silberer, der Liech­tensteiner Josef Seifert, der Ungar György Blaskö und der Portugiese Rodrigo Blusco", erinnern sich Maria und Jose.

„Warum kommen diese Deut­schen gerade nach Anapolis?" fragt sich der Ex-Seminarist Jose Lopez. „Orden und religiöse Bewegungen bedürfen für ihre Tätigkeit in einer Diözese der Zustimmung des je­weiligen Bischofs und seines Vi­kars", erklärt Sebastian Lino von der katholisch-charismatischen Erneuerung in der Kanzlei des amerikanischen Priesters Frei David von der Pfarre Sao Seba­stian in Anapolis.

Beide freuen sich über ihre Erfol­ge im Probelauf der Evangelisie­rungskampagne 2000. „Offiziell beginnt die Kampagne 1990", erzählt Lino, „aber wir haben hier schon früher getestet. Von den 300.000 Einwohnern von Anapolis sind bereits 30.0000 Mitglieder unserer Bewegung."

Das Menschenfischen hat sich die Bewegung offenbar von den in Brasilien sehr starken pro­testantischen Pfingstkirchen ab­geschaut. Da werden Ehepaare mit dem Evangelium in der Hand von Tür zu Tür geschickt, Hände aufge­legt, böse Geister ausgetrieben.

„Die Mitarbeit von Laien in der Kampagne ist unerläßlich", erklärt Frei David. „In meiner Pfarre gibt es für 60.000 Menschen nur zwei Priester, doch bald werden 2000 neue Seelsorger ausgebildet sein", sagt Frei David zufrieden. Anapo­lis spielt dabei eine bedeutende Rol-le. 16 6 D iözesen haben sich bis j etzt bereit erklärt,an der Evan­gelisierungskampagne teilzuneh­men.

Von Anfang an fand die Idee der katholischen Restauration beim erzkonservativen „Quinqumvirat" Dom Manoel Pestana (Bischof von Anapolis), Dom Eugenio Salles (Kardinal-Erzbischof von Rio de Janeiro), Dom Serafin Fernando de Araujo (Erzbischof von Belo Hori­zonte), Dom Jose Freire Falcao (Bischof von Brasilia) und Dom Lucas Moreira Neves (Bischof von Salvador da Bahia) größten Gefal­len. 35 Evangelisierungsschulen wurden in diesen Diözesen ins Leben gerufen. Die Bischöfe Dom Jose Sobrinho (Recife), Dom Jose Veloso (Petropolis), Dom Bonaven­tura Kloppenburg (Novo Hambur-go), Dom Claudio Colling (Porto Alegre) und viele andere schlössen sich an.

Dom Manoel Pestana Filho feier­te übrigens am 7. Jänner in der Kirche „Santa Generosa in Sao Paulo - sie gilt als Treffpunkt der Lefebvre-Bewegung - eine Messe für die Opfer des Kommunismus in Rumänien. Organisiert wurde die Messe von der rechtsextremen „acao democratica nacionalista", einer Nachfolgeorganisation der „CCC"-Bewegung („Jagd auf Kommuni­sten"). Die Priester vom Kloster in Anapolis werden im ganzen Land zu Vorträgen in die diözesanen Prie­sterseminare, in Klöster und in die Evangelisierungsschulen gebeten. „Täglich kommen Autobusse mit Priestern im Kloster des Kreuzor­dens an, um Vorträge zu hören", erzählt Jose Carlos Rezende.

Das Missionsfeuer lodert. Das Menschenfischen floriert. Der Or­den vom Heiligen Kreuz hat vor einigen Monaten 500 Hektar Land dazugekauft und baut bereits neue Unterkünfte.

Die Verfasserin ist Mitarbeiterin der Agentur APIA in Sao Paulo.

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