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1 m Dezember 1989 hat der Verfassungsgerichts}! of über eine Beschwerpe von slowenischen Eltern aus Kl????genfurt in einem aufsehenerregenden Erkenntnis ausgesprochen, daß nicht nur in Klagenfurt, sondern in allen Gemeinden Kärntens, wo Slowenen leben, zweisprachige Minderheitenschulen zu errichten seien.

Für Klagenfurt ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Denn nach Zell-Pfarre (Sele Fara) ist

Klagenfurt die Gemeinae mit der absolut größten Zahl Slowenen und daher auch slowenischen Schulkindern. Das hängt auch damit zusammen, daß früher einmal rein slowenische Ortschaften zu Klagenfurt eingemeindet wurden (Viktring, Annabichl, St. Peter, St. Ruprecht, teilweise auch St. Marfin). Zudem ist Klagenfurt die Landeshauptstadt, nicht nur für die DeutschKärntner, sondern auch für die Slowenen im gemischtsprachigen Südkärnten.

Es schien avch kein Zweifel mehr daran zu bestehen, daß die slowenischen Schulkinder in Klagenfurt im Herbst 1 990 ihre öffentliche slowenische Volksschule bekommen würden. Mehr noch: Mit der

Bundesregierung wurde vereinbart, daß ab Herbst 1990 auch endlich eine slowenische Lehrerbildungsanstalt und eine slowenische Handelsakademie (in den Räumen des Slowenischen Gymnasiums) errichtet würden, was eine alte Forderung der Kärntner Slowenen ist.

Der Verfassungsgerichtshof ha! allerding nicht nur dieser Forderung mit seinem Spruch Folge gegeben (slowenische Volksschule in Klagenfurt), sondern, über das umstrittene Pädagogenmodell hinausgehend auch, daß in ganz Kärnten also auch in rein deutschsprachigen Gebieten bei Vorhandensein (durch Zuzug) einer Mindestzahl slowenischer Pflichtschüler Minderheitenschulen beziehungsweise -lehrgänge einzurichten seien. Der Nationalrat hat dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entsprochen und entsprechende Gesetzesbeschlüsse gefaßt.

Nun hat aber die Kärntner Landessregierung auf Drängen von Landeshauptmann Jörg Haider am 1 9. Juni 1990 beschlossen, weder dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

zu folgen noch auch die darauf beruhende Schulgesetznovellen zu akzeptieren. Wie Haider am 1 9. Juni 1 990 via Fernsehen kundgetan hat, wird das Land Kärnten die erforderlichen Durchführungsbestimmungen zum Erkenntnis beziehungsweise zu den $ch????esetzen nicht erlassen, sodaß. die toter Buchstabe . bleiben müssen. Der Landeshauptmann erklärte, sicher im Einvernehmen mit den beiden anderen Landtagsparteien, die Neuregelung werde nicht anerkannt und nicht durchgeführt, solange nicht für ganz Osterreich ein Minderheitenschulgesetz erlassen wird, das die Minderheitenschulen regle und einheitlich einführe. Mit dieser Forderung würde der slowenischen Minderheit in Kärnten der Todesstoß versetzt, denn Minderheitenrecht ist in erster Linie Schulrecht.

Ein solches Bundesgesetz ist im übrigen entbehrlich, denn ethnische und sprachliche Minderheiten gibt es nur noch im Burgenland, in Wien und in der Steiermark. Im Burgenland sind die Kroaten und

die Magyaren auf dem Schulsektor volllrnmmen (durch das Landel?Schulgesetz aus dem Jahre 1 937) vollauf befriedigt, in Wien haben die Tschechen ihre privaten Minderheitenschulen (KbmenskySchulen) und in der Steiermark haben die wenig zahlreichen Slowenen einen neuen Verein gegründe. t, den „Artikel VII Kulturverein für die Steiermark" (benannt nach dem Artikel 7 des Staatsvertrages), der vielleicht für gewisse Gemeinden, vor allem Radkersburg (Dedenitz) Minderheitenschulen mit sich bringen 'wird.

Er.kenntijisiey:9i\ yerfassungsgeriChten- weraen .Jreilich auch anderswo ·rti1ßacht.et, so in der Schweiz. Dort hat das Bundesgericht in Lausanne, das auch ein Verfassungsgerichtshof ist, ent-

schieden, daß das Laufental (zum Berner Jura gehörig) ethnisches Selbstbestimmungsrecht auszuüben berechtigt ist, und am 1 2 . November 1989 haben sich die Stimmbürger in einem Plebiszit vom Kanton Bern losgesagt. Aber der Große Rat des Kantons Bern hat am 5. Februar 1990 erklärt, ihn ginge das Bundesgericht gar nichts an, Laufen vebleibe beim Kanton Bern.

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