6905188-1980_41_23.jpg
Digital In Arbeit

Traditionelles Bauen in Oberösterreich

Werbung
Werbung
Werbung

Die Zeiten, in denen Städte und Länder auf ihre Neubauten stolz waren, sind vorbei. Wenigstens vorläufig. Heute ist man stolz auf das, was der „Fortschritt" verschont hat. Oberösterreich ist in dieser Beziehung besonders reich.

Das Land hat regional und sozial äußerst differenzierte Bauformen hervorgebracht. Eine Fülle bäuerlicher Baustile im Sinne der heute hochgeschätzten „anonymen Architektur", prachtvolle Bürgerhäuser und eine eher zurückhaltende, menschennahe Schloßarchitektur.

Zwischen Bauern- und Bürgerhäusern und denen des Adels gibt es fließende Übergänge. Sehr oft unterschei- • det sich das Schloß vom Bürgerhaus gar nicht so sehr durch die Größe wie durch die auf Repräsentation angelegte Formensprache.

Auch in Oberösterreich hat die Spitzhacke gewütet, ist in den zurückliegenden Jahrzehnten ein nicht gerade kleiner Teil der wertvollen überkommenen Bausubstanz verlottert. Aber das große Umdenken, das heute allenthalben im Gange ist, fand hier besonders günstige Voraussetzungen vor. Viele Hausbesitzer investierten auch in jener Zeit, in der das Abreißen und Neubauen als schick galt, viel Zeit, Mühe und Liebe in die Instandhaltung ihrer Häuser.

Dies kommt dem Landschaftsbild -im Sinne von Kulturlandschaft - nicht nur direkt, sondern auch indirekt zugute, denn die Allgegenwart historischer Bausubstanz hat starke positive Rückwirkungen auf das jeweilige aktuelle Baugeschehen: Gute neue Architektur braucht gute alte Architektur als Vorbild, als Maßstab, als Herausforderung.

Ein interessantes Merkmal vieler oberösterreichischer Landsitze - der kleinen Schlösser, der großen, repräsentativen, alleinstehenden Bürgerhäuser - ist der sogenannte Aufschiebung, ein „Knick" im nach oben steiler werdenden Dach. Dieses Architekturdetail ist Beispiel einer weitgehend verschwundenen Baugesinnung, die Funktion und Ausdruck auf einen harmonischen Nenner zu bringen sucht.

Der Aufschiebung mag dem Schnee das Abrutschen erleichtern, gibt aber auch dem Dach Schwung, dem ganzen Haus etwas Bewegtes. Beispiel auch für architektonische Ausdrucksmittel, die ästhetische und psychologische Wirkung entfalten, ohne daß dem Beschauer zu Bewußtsein kommen muß, mit welchen Mitteln diese Wirkung erreicht wird. Solche Häuser „gefallen uns auf den ersten Blick" - ohne daß wir gleich erkennen, warum.

Ein anderes Architekturdetail, das in Oberösterreich seit Jahrhunderten besonders beliebt ist, ist der Erker. Er begegnet uns sowohl im bürgerlichen wie im bäuerlichen Bauen, in Stadt und Land, in einer Fülle von Variationen.

Er ist nicht nur schön, sondern auch funktionell. Mit seinen großen Glasflächen gestattet er nicht nur Ausblick und verbessert die Lichtverhältnisse im Zimmer, sondern er wirkt - ebenso wie eine Veranda - auch als eine Art von Sonnenkollektor und gibt selbst an sonnigen Wintertagen erstaunlich viel Wärme an den darunterliegenden Wohnraum ab.

Leider zerstören auch heute noch allzuoft gutgemeinte Modernisierungen kunstvoll kalkulierte Wirkungen. Zum Beispiel Isolierglasfenster, deren Proportionen (Sprossenteilung, Sprossenstärke!) mit denen des alten Fensters nicht übereinstimmen. Auf diese Weise wird nicht selten die ästhetische Wirkung eines ganzen Hauses ruiniert.

In letzter Zeit wurden solche Sünden .gerade in Oberösterreich seltener - eine von der Raiffeisen-Bausparkasse (gemeinsam mit den Oberösterreichischen Nachrichten) gestartete Aktion setzte, wie schon vorher in Niederösterreich und später in der Steiermark, positive Impulse.

Dies vor allem im ländlichen Bereich, dessen historische Bausubstanz nach wie vor am stärksten gefährdet ist. Dabei hat gerade Oberösterreich eine besondere Fülle eigenwilliger, regional überaus unterschiedlicher bäuerlicher Baustile hervorgebracht.

Ein Glück, daß die Schubraupen der Modernisierer um jeden Preis an so manchem bäuerlichen Sturschädel, der sich den Argumenten ach so aufgeklärter „Berater" verschloß, zum Stehen kamen. Dies hat dem Land viel Reichtum an Abwechslung und Schönheit bewahrt.

Wie überall auf der Welt, haben auch hier- die Bauern seit grauer Vorzeit mit ■ dem Material gebaut, das ihnen die Natur zur Verfügung stellte. Im Innviertel zum Beispiel mit Holz. Leider gibt es nicht mehr allzuviel der in Holzblockbauweise errichteten und mit Schindeln verkleideten Häuser, in denen alles unter einem Dach beisammen war, der Mensch, das Vieh, das Gerät und das Heu.

Holzschindeln halten in höheren Lagen jahrhundertelang - heute werden sie wieder modern. Holzhäuser bieten ja ein besonders günstiges Raumklima.

Dafür kann den wuchtigen steinernen Gehöften des Mühlviertels weder die Zeit noch das Wetter viel anhaben. Als Ausläufer der böhmischen Masse ist das Mühlviertel reich an Granit und Gneis, die äußerst langlebige Baumaterialien darstellen. Die Strohdächer wurden mit guten Gründen durch Eternitdächer ersetzt, geblieben ist der Schwung, mit dem mancher dieser Bauernhöfe die Linien der Hügellandschaft aufnimmt und weiterführt und der oft bewußt herausgearbeitete Kontrast zwischen weißer Tünche und naturbelassenem Feldstein.

Denn einst waren die Hausfassadeh ihren Besitzern mehr Mühe wert als heute. Der Bequemlichkeit wurde auch leider sehr oft das rot-weiß-rote Streifenmuster geopfert, das vielen ober-österreichischen Vierkantern ihr Gepräge gab: Roh und rot jeweils eine Schicht Selbstgebrannter Ziegel, weiß verputzt eine gerne im Fischgrätmuster verlegte Flußstein-Schicht. Durchgehend verputzt - kaputt.

Heute findet man wieder, daß die mühsame Pflege „dafürsteht". Ein positives Zeichen . ..

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung