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Traumen wird doch noch erlaubt sein

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War es nun ein Erfolg am Sonntag, oder die größte Pleite, die die österreichische Regierung je erlebt hat? Gewiß, die 86 Prozent in Kärnten erreichen das dort übliche Wahlausmaß. Sie zeigen, wie sehr die Menschen dort sensibilisiert sind, was zweifellos positiv zu werten ist Und nur um Kärnten ging es letzten Endes, alles andere war doch von Anfang an belanglos, diente nur zum Aufputz, zur Vernebelung, zur Dämpfung der Emotionen — wie man es betrachten will. Dementsprechend das fast demonstrative Desinteresse im ganzen übrigen Österreich. 25 Prozent im Durchschnitt, trotz der stereotypen Wiederholungen in jeder Nachrichtensendung der letzten Tage, von der Teilnahmspflicht, aber ohne Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Pflicht. Wer war wohl auf die Idee gekommen, nach gut österreichischer Sitte — „Wir werden keinen Richter brauchen!“ — zugleich eine Pflicht aufzuerlegen und für ihre Verletzung Stimmung zu machen ...

Doch Schwamm drüber, der 14. November ist vergangen, düster, wie es der Jahreszeit und dem Thema angepaßt ist. Die „Zwischenfälle“, vor allem jener eine in Zell Pfarre, waren unschön, hätten auch in dieser Lage nicht passieren dürfen. Man sollte sie aber nun nicht höher einschätzen, als es ihnen — Lausbubenstreichen — gebührt.

Was aber nun? Von einem Ergebnis, das erst nach Weihnachten vorliegen wird — das man offenbar gar nicht früher haben wollte, denn wozu hätte man sonst im Zeitalter des Computers die Einzelauszählung ins Statistische Zentralamt verlegen müssen? — und dessen Fragwürdigkeit von Anfang an klar war, kann man sich keine Hilfe zur Lösung alter und neu hochgespielter Probleme erwarten dürfen. Diese Lösung wird nur dann möglich sein, wenn alle Beteiligten wahrmachen,was sie in den vergangenen Monaten versichert haben — daß es ihnen um ein friedliches Zusammenleben aller Kärntner nördlich der Karawanken gehe, daß sie einander respektieren wollen, daß sie alle zu dieser Lösung beitragen wollen.

Das müßte ganz unten anfangen. Wenn etwa die deutschen Mitglieder im Gemeinderat gemischter Orte — Männer und Frauen, die in überwiegender Mehrheit trotz deutscher Muttersprache auch die Sprache ihrer slowenischen Mitbürger sprechen oder wenigstens verstehen — nicht mehr gereizt auffahren, sobald der Sprecher der Minderheit unversehens in seine Muttersprache verfällt. Wenn etwa bei Volksfesten und Kirchweihen, zu denen Gäste auch von jenseits der Grenze erwartet werden, auch Plakate in deren Sprache geduldet würden. Wenn man sich gerade in diesen Orten untereinander — und großzügig — darüber einig würde, wo welche Ortstafeln aufgestellt werden sollten. Der Verweis auf die Behörden in Klagenfurt oder in Wien schiebt die Verantwortung auf „die andern“ ab — die Verantwortung liegt aber zunächst bei denen, die sie tragen können und sollen.

Wie wäre es weiter, wenn die deutschen höheren Schulen in Kärnten Lehrer und Schüler des slowenischen Gymnasiums zu Diskussionen und gemeinsamen Veranstaltungen einladen würden, wie jene sich bereits Freunde aus dem übrigen Österreich eingeladen haben, um bei ihnen mehr Verständnis für die Lage der Volksgruppe zu wecken. Dasselbe gilt für Kultur- und Standesorganisationen, Trachten- und Musikvereine, Studenten- und Jugendklubs — wo immer sich junge und junggebliebene Menschen treffen. Das tut dem Zusammenleben besser, als sich voneinander abzuschließen und zuzusehen, wie die Minderheit jenseits der Grenzen Freunde sucht, wo nicht nur die Angehörigen des eigenen Volkstums, sondern auch die Vertreter einer uns feindlichen Ideologie zu Hause sind.

Wie wäre es, wenn sich mehr Angehörige der deutschen Bevölke-, jrung Südkärntens — wer hätte dort, nicht auch slawische Ahnen? — für die Sprache gerade dieser Ahnen und der Mitbürger von heute interessieren würden, um dann von sich aus in der Lage zu sein, überall dort aufzutreten, wo es eben um die Beherrschung beider Kärntner Sprachen geht — in der Schule, vor Gepicht, auf der Kanzel und im Beichtstuhl, aber auch im Kindergarten und im Spital. Wie wäre es, wenn sich die Vertreter der Behörden und der Landespolitik, vor allem in den gemischten Bezirken, bemühen würden, ihr Eintreten für alle ihre Bürger durch diese Zweisprachigkeit zu beweisen?

Wie wäre es, wenn man allgemein viel mehr die Gemeinsamkeit suchen, unterstreichen, fördern, praktizieren würde — es gibt dafür zahllose Möglichkeiten —, statt in bitteren Reminiszenzen und Urängsten zu verharren, die sicherlich echte Wurzeln haben, aber heute doch längst überwunden sein müßten.

Schön wäre es, wenn ... Man wird doch noch träumen dürfen!

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