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Traumpaar Ludwig/Hertiia

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Die bildende Kunst ist ins Gerede ge-, kommen. Unter den vielen Klagen und Wehen der letzten Jahre um das Unbehagen in Sachen Kultur ist wohl das Schlagwort von der „Stiftungskatastrophe Ludwig“ eines der pointiertesten.

Zum Geschehen: Ein tüchtiger deutscher Schokoladefabrikant stiftet gemeinsam mit seiner Ehefrau für Österreich eine umstrittene Bilderkollektion, ein quicker Händler und Galeriehaudegen und ein kleinformatiger Kulturschreiber attackieren eine wackere Ministerin, und ein flexibler Wechselmaler im Rektorsgewand verteidigt diese seine Mutter Courage.

Alle Beteiligten handeln selbstverständlich selbstlos: Der Schokoladechef hat keine wie immer gearteten eigennützigen Hintergedanken, die Ministerin will sich keine Blumen an den ' Hut stecken, der Galerist und der Journalist wollen keine eigenen Süppchen kochen und der Herr Rektor hat auch schon gar keine Profilierungssorgen. Alle wollen uneigennützig nur das Beste für Österreichs Kunst.

Gerechterweise muß man diesen Kulturpolitkomödianten dankbar sein, daß die Austria-Kunstlandschaft belebt wird, plötzlich allerorten von Kunst und Kunststiftern die Rede ist; schlummernde Künstler erwachen und wir stellen betroffen fest, daß es einer Ministerin gelungen ist, breites Interesse an der heimischen Kunstszene zu wecken.

Es war nicht immer so! Noch in den frühen sechziger Jahren waren die bildenden Künstler des ganzen Landes ungeliebte Mauerblümchen. Es gab fast keine Kunstgalerien, wenige Ausstellungen und gar kein Interesse der Politiker an der Arbeit der Künstler.

Erst seit den frühen siebziger Jahren gelang ein zaghafter Ausbruch aus dem Ghetto, in den letzten Jahren sogar eine breite und gar freundliche Beachtung für die Leistungen österreichischer Künstler im In- und Ausland und überdies noch eine Galerie-Schwemme in der Bundeshauptstadt.

Heute sind wir sogar so weit, daß eine Ministerin den Museen stärkere Beachtung schenkt, neue Sammlungen gründet und sich auch noch von einem Ausländer moderne Kunstwerke zum Geschenk für Österreich machen läßt. Dies war ihr Fehler, denn die traditionellen Wegelagererder Kunstszene teilten sich in viele Kleingenossenschaften mit Verteufelung moderner Kunst, Ausländerdiskriminierung, Steuergeld-

vernaderung und anderes mehr.

Die von Friedrich Heer anläßlich des Nationalfeiertages aufgestellte These von der Trinität der National-Laster - „Neidgenossenschaft, uneigennützige Gemeinheit, gepflegte Charakterlosigkeit“ - wird bestätigt. Es entstand der angeheizte innerösterreichische „Ludwig-Schock“ unter kulturpolitischem Bankrottgeschrei beteiligter Schreiber.

Nur die Künstler werden nicht ge

fragt. Statutenentwürfe werden geheim gehandelt, veröffentlicht, widerrufen und (hoffentlich) geändert. Vergessen werden die „nicht abgedeckten Bereiche“, die bestehenden staatlichen Museen oder die neu zu schaffenden Sammlungen, vergessen wird auch jenes Kunstpotential, das nicht in das enge Augenmaß der „aktuellen“ Kunst paßt.

Der deutliche Hinweis auf eine zeitlose Basis der Kunst, die Warnung vor der eingeengten Kanalisierung auf einzelne aktuelle Strömungen wird nicht einmal diskutiert, der Aufschrei gegen das Elitäre erhält ein gegenteiliges Echo. Das Gewicht wird falsch verteilt.

In dieser immer mehr kommerzialisierten und verwalteten Kulturszene ist Tür Selbständigkeit, Persönlichkeit und Vielfalt immer weniger Spielraum. Die Flut reproduzierbarer Nachrichten und

Bilder aller Art läßt kaum noch Freiraum für eigene persönliche Vorstellun- gen. Es wächst die Gefahr der Unterwerfung unter das Klischee und es blüht das Uberhandnehmen von gesteuerten Manipulationen jeder Art.

Das gesamte Konzept der zeitgenössischen österreichischen Kunst-und Kulturpolitik sollte um die Erhaltung und Schaffung größtmöglicher Freiräume bemüht sein, wollen wir nicht der Vorherrschaft der Repräsentation und Reproduktion unterliegen.

Kreativität und Produktivität sollten uns wichtiger sein. Die Kulturpolitiker und jene, die sich dafür halten, sollten darüber nachdenken, daß man mit Kunst wohl Politik machen kann, jedoch nicht mit Politik Kunst. Die Kunstjournalisten und wiederum jene, die sich dafür ausgeben, sollten mehr auf die Verantwortung achten, die sie tragen.

Die Verantwortung der Publizisten wird dann deutlich, wenn man die Wirkungen der Medien in Betracht zieht. Es gehört zur Verantwortung der Kulturjournalisten, die möglichen Wirkungen ihrer Tätigkeit zu bedenken.

Danken wir dem Traumpaar Ludwig und Hertha für ihre Initiative, achten wir aber auf die Tätigkeit und Vorgangsweise der Stiftungsexekutoren und deren Beiräte! Zeigen wir nicht Larmoyanz, sondern Selbstbewußtsein, nützen wir die importierten Angebote, besinnen wir uns aber auch auf die Eigenart und Eigenständigkeit österreichischer Kunst! Pflegen wir den genius loci!

Es ist zu hoffen, daß unter Beteiligung der interessierten Förderer und der betroffenen Künstler eine seriöse Erschließung des Potentials bildender Kunst in Österreich erreicht wird und die Verständigung zwischen Künstlern und Öffentlichkeit durch die vom Präsidenten des österreichischen Kunstsenats, Roland Rainer, bekanntgegebene „Österreich-Stiftung“ verbessert wird.

Eine Initiative, die von einem breiten Forum getragen werden soll, die sich nicht auf Teile der Gegenwartskunst beschränkt, die alle Stifter und Anreger ermuntert - in einer Stadt, die im Banne eines bedeutenden Kunsterbes steht und sein Licht nicht unter den Ludwig zu stellen braucht.

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