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Traumverloren

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Marlen Haushofer erzählt von einer Frau, und doch ist ihr Roman „Die Tapetentür" kein Frauenroman im herkömmlichen Sinn. Die Dichterin offenbart dem Leser das intime Seelenleben einer Frau, ihre Zerrissenheit zwischen Traumwelt und Realität.

Anette, introvertiert und verschlossen, scheint durch eine gläserne Wand von der Welt und ihren Mitmenschen getrennt zu sein. Sie hat viel Distanz zu den anderen und wenig Distanz zu sich selbst. Ihre kurze Ehe, ihre Begegnungen mit Martin, Philip und Alexander haben nur wenig Spuren hinterlassen. Sie lebt ihre eigene Wirklichkeit.

Fast scheint es als genieße sie ihre Einsamkeit, ihre Verlassenheit, ihr Alleinsein mit sich * selbst. Erst als sie Dr. Xanthner kennenlernt, ändert sich ihr Leben. Die Begegnungen mit ihm geben ihr erstmalig das Gefühl, lebendig zu sein. Er wird zum Mittelpunkt ihres Lebens, all ihre Energie wendet sie auf, um sich seinem, ihr ungewohnten, Lebensrhythmus anzupassen und scheitert.

Die Ehe und die Schwangerschaft werden ihr nicht zur Wirklichkeit, sie findet sich in ihrem neuen Leben nicht zurecht. Als ihr Kind tot zur Welt kommt, zieht sie sich sofort wieder in ihre Traumwelt zurück. Am Ende wachsen Verlassenheit und Einsamkeit um sie.

Der nun neu aufgelegte Roman der 1970 Verstorbenen bannt den Leser in ein Spannungsfeld von Sachlichkeit und Traumverlorenheit, verwickelt ihn in ein Spiel von Verkleidung und Entlarvung. Die tiefsinnige, melancholische, traumverlorene und berührende Atmosphäre dieses Romans entläßt den Leser als einen, der sich selbst und einer tieferen Wirklichkeit begegnet ist.

DIE TAPETENTÜR. Von Marlen Haushofer. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1983. 239 Seiten, geb., öS 170,-.

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