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Trend zum Buch bleibt

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Erstaunlich-positiv entwik- kelt sich trotz steigender Konkurrenz’ durch neue Medien das Buch. Die Zahl der verkauften und gelesenen Bücher und der Büchereien nimmt zu.

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Erstaunlich-positiv entwik- kelt sich trotz steigender Konkurrenz’ durch neue Medien das Buch. Die Zahl der verkauften und gelesenen Bücher und der Büchereien nimmt zu.

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Wenn Herr und Frau Österreicher jetzt ihre Weihnachtseinkäufe machen, so hoffen die Buchhändler, daß sie dabei im Trend der letzten Jahre bleiben. Seit 1972 hat sich nämlich in Österreich die Zahl der Buchleser, der gelesenen Bücher und — besonders interessant für den Handel - die Zahl der Buchkäufer und der gekauften Bücher deutlich erhöht. Wie der Kommunikationswissenschafter Heinz Pürer (Universität Salzburg) kürzlich berichtete, ist gleichzeitig überraschenderweise die Zeit, die der einzelne im Durchschnitt pro Woche für das Lesen von Büchern verwendet, zurückgegangen. Mehr Menschen als früher scheinen also heute mehr Bücher in kürzerer Zeit zu lesen.

Alle diese Details stammen aus aktuellen Untersuchungen aus dem Bereich der Medien-, Lese- und Buchmarktforschung, die Pürer sowohl in einer Studie „Presse im Umbruch“ (unter Mitarbeit von Annemarie Miglbauer und Gertraud Lankės im Auftrag des ORF erarbeitet, erschienen in der Schriftenreihe des Salzburger Landespressebüros) wie auch kürzlich bei einem in Salzburg gehaltenen Vortrag zum Thema „Medienkonsum und Lesekultur“ ausgewertet hat.

Diese positiven Entwicklungen des Mediums Buch zeigen sich übrigens nicht nur in Österreich, sondern ganz ähnlich beispielsweise auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die aus den sechziger Jahren stammende These vom „Untergang der Lesekultur“ und vom „Ende des Buchzeitalters“, bewirkt durch das Fernsehen (Herbert Marshai McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis, Düsseldorf/ Wien 1968), hat sich demnach nicht bewahrheitet.

Im Gegenteil scheint es eher so zu sein, so folgert der Kommunikationswissenschafter, daß das Fernsehen das Buch nicht verdrängt, sondern daß vielmehr eine steigende Zahl von Menschen gleichzeitig sowohl Bücher liest wie auch fernsieht und andere Medien von der Zeitung über das Radio bis zum Magazin und zur Schallplatte nützt.

Wie sieht nun der typische österreichische Buchleser heute eigentlich aus? Ist er ein zurückgezogener „Bücherwurm“? Laut Statistik handelt es sich eher um eine junge Dame als einen jungen Herrn. Alter: zwischen 15 und 24 Jahren. Mit guter Schul- bzw. Hochschulbildung. Wahrscheinliche Tätigkeit: Schüler, Student, Angestellter, Beamter. Wohnort: eine Stadt mit mehr als 20.000 Einwohnern.

Noch immer sind also die Landbewohner, was das Bücherlesen betrifft, gegenüber den Städtern im Nachteil. Der wichtigste Grund dafür: Bücher muß man sich, im Gegensatz zu Hörfunk- und Fernsehsendungen, Zeitschriften und Zeitungen, die direkt ins Haus geliefert werden, selbst besorgen, was im ländlichen Raum nach wie vor schwerer ist als in den Ballungszentren. Kein Wunder also, wenn Bildungspolitiker im ganzen Land sich um den Aufbau leistungsfähiger und flächendeckender Büchernetze bemühen. Beispiel Salzburg: hier gibt es mittlerweile in 119 Gemeinden 137 öffentliche Büchereien.

Die Hauptgründe, warum Bücher gelesen werden, sind — so faßt Pürer aktuelle Forschungsergebnisse zusammen — nach wie vor der Wunsch nach Unterhaltung und Entspannung, dicht gefolgt von der Absicht, sich mit Hilfe des zwischen Buchdeckeln gespeicherten Wissens weiterzubilden, zu informieren. Buchhändler wissen es längst, und aufmerksame Auslagenbeobachter können es bestätigen: Sachbücher sind in der Beliebtheitsskala der Leser eindeutig im Vormarsch. Ebenso wird Gegenwartsliteratur der klassischen eindeutig vorgezogen.

Interessant für Eltern, die überlegen, womit sie ihre Kinder zu Weihnachten überraschen sollen, ist besonders folgende Erkenntnis der modernen Leseforschung, die im Grunde ganz selbstverständlich klingt und trotzdem nicht im mer Beachtung findet: Eine wichtige Rolle dabei, ob Kinder überhaupt Bücher lesen und welche Art von Büchern sie bevorzugen, spielt die Leseanregung durch andere Personen. Allen voran die Eltern selbst, außerdem Lehrer, Freunde, Bekannte.

Konkret heißt das: Eltern, die ihren Kindern Bücher schenken, aus der Bücherei heimbringen, mit ihnen darüber sprechen, die für sich selbst öfter Bücher kaufen und selber lesen, werden eher Leseratten großziehen als Familien, in denen Bücher keine Rolle spielen. In einem lesefreundlichen Milieu fällt Lesen leichter.

Daß das Lesen etwas bringt, gilt in der Forschung übrigens als unbestritten. Neben anderen Fähigkeiten fördert es die Phantasie, das Vorstellungsvermögen und das Sprachgefühl. Das alles wird auch und gerade in unserer modernen Welt wieder gebraucht.

Also insgesamt weiterhin gute Aussichten für das „alte“ Medium Buch auch im Zeitalter „neuer“ Medien? Dazu Pürer: „Die Medien- und Kommunikationsgeschichte zeigt, daß weder die Zeitschrift das Buch noch die Zeitung die Zeitschrift, weder der Hörfunk die Tageszeitung noch das Fernsehen den Hörfunk verdrängt hat. Trotz oder auch wegen der Existenz von Zeitungen, Zeitschriften, Funk und Fernsehen steigt heute die Nachfrage nach Büchern.“

Auch Kabel- und Satellitenrundfunk, Tele- und Bildschirmtext, Bildkassette und -platte werden die gedruckten Medien, speziell noch das Buch, höchstwahrscheinlich nicht verdrängen. Doch werden sie die Lesegewohnheiten und das Buch selbst möglicherweise beeinflussen. In welcher Weise, das ist heute noch nicht abzusehen.

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