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Tribut an die Brückenbauer

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Was politische Eiferer - antikommunistische im Westen und kommunistische im Osten - erhofft oder befürchtet haben, ist nicht geschehen: Der Papst hat die 1100-Jahr-Feier der Slawenapostel Kyrill und Method nicht zu einer Anklage gegen die Staatsatheisten in Osteuropa benutzt, sondern zum Dialogversuch.

Obschon ihm selbst eine Reise zu den Feiern nach Jugoslawien und in die Tschechoslowakei verweigert worden war, konnte er doch durch seinen Abgesandten Kardinal-Staatssekretär Agosti-no Casaroli, den Architekten vatikanischer Ostpolitik, in beiden Ländern den Gläubigen wie Regierenden demonstrieren lassen, daß „die Zugehörigkeit zur Kirche von niemandem als Gegensatz zum Wohl des irdischen Vaterlandes betrachtet werden darf”.

So (und noch etwas genauer) hat es Casaroli in Prag zu Gustav Husak gesagt, dem Hauptverwalter einer verkrampften Kirchenpolitik; so sagte es der Papst selbst zum Fest der beiden Heiligen in seiner Predigt, die auf seinen Wunsch vom österreichischen Fernsehen nach Osteuropa ausgestrahlt wurde; und so steht es auch wörtlich in der Enzyklika „Slavorum apostoli”, die Johannes Paul II. dem Andenken der beiden Heiligen und ihrer Mission gewidmet hat.

Daß es ein politisches, die Kirchenverfolgung anprangerndes Lehrschreiben sein werde, war von manchen Agenturen angekündigt worden, deren Reporter sich rücksichtslos auf Telefongespräche mit dem 86jährigen Prager Kardinal Frantisek Tomasek beriefen. Im Gepäck einer so schwierigen pastoraldiplomatischen Reise, wie sie Casaroli unternahm, hätte aber ein polemisch getöntes Papier nur Schaden erzeugen können.

Deshalb beschränkte sich der Papst darauf, in der Enzyklika fast 40 Seiten lanvor allem das beispielhafte Le^n und Wirken der beiden (aus Griechenland stammenden) Missionare zu beschreiben, ihren Versuch, in Großmähren das östlich-byzantinische Christentum sprachlich und kulturell den slawischen Völkern anzupassen (Kyrill wurde dabei zum Erfinder der nach ihm benannten slawischen Schrift).

Für Johannes Paul IL, den ersten Papst, der — wie er schreibt— „aus der Mitte der slawischen Völker kommt”, sind Kyrill und Method authentische Vorläufer der Ökumene, der konfessionellen Versöhnung, Brückenbauer zwischen römisch-katholischer und byzantinisch-orthodoxer, westlicher und östlicher Tradition, Modellmissionare dessen, was man heute „Inkulturation” nennt.

Ihr Werk sei ein Beitrag zu den „gemeinsamen christlichen Wurzeln Europas” ... von denen kein ernsthafter Versuch, die Einheit des Kontinents auf neue und heutige Weise wiederherzustellen, absehen kann.

Auch heute gäbe es nur diesen Weg, „um Spannungen zu überwinden und Risse und Gegensätze in Europa und in der Welt zu beheben, die eine entsetzliche Zerstörung von Leben und Werten herbeizuführen drohen”.

Der Papst bleibt dabei ganz im allgemeinen. Er erwähnt mit keinem Wort die heutigen Regime Osteuropas. Nur in Form eines Gebets drückt er „für das ganze Europa” den Wunsch nach Überwindung von „gegenseitigem Mißtrauen und ideologischen Konflikten”, nach friedlichem Zusammenleben „in gegenseitiger Achtung und unverletzlicher Freiheit” aus.

Das alles ist bewußt unpolitisch formuliert, „nicht anklagend”, wie auch der slowakische Kurienkardinal Tomko betonte, als er das Dokument in Rom der Öffentlichkeit vorstellte. Dieses Lehrschreiben, das sich theologisch-doktrinär ungewöhnlich anspruchslos präsentiert, ist eher ein Jubiläumsgrußwort. Und eben als solches hat es sich am letzten Wochenende gleichsam bei der Osteuropa-Reise Kardinal Casarolis bewährt.

„Wenigstens geistig” werde ich dabeisein, schrieb der Papst und bedauerte damit, sehr delikat, daß ihm versagt blieb, was dann Hunderttausende tschechoslowakische Gläubige vor der Wallfahrtskirche in Velehrad laut und heftig reklamierten: „Wo ist der Heilige Vater? Wir wollen den Papst!”

Hätten sie aber den Prager Kulturminister Klusak, der die Heiligen als Sprachlehrer feiern und die Wallfahrt in ein Volksfest umtaufen wollte, auch dann ausgepfiffen, wenn er sich als souveräner staatlicher Gastgeber des slawischen Papstes hätte vorstellen können?

Freilich, die Furcht vor einer Religion, die seit Jahrhunderten über nationale, ideologische und theologische Konflikte hinweg „Abendland und Morgenland” verbindet, ist tief verwurzelt in Funktionären, die weder ihres eigenen „internationalistischen” Glaubens noch ihrer „Gläubigen” sicher sind.

Aber auch das christliche Europa, das der Papst beschwört, liegt weiter hinter dem Horizont denkbarer geschichtlicher Erwartung. Es war im Mittelalter schon so christlich wie es sich eine fromme Romantik — vor allem später — vorstellte, und es ist heute politisch wie konfessionell allenfalls in der säkularisierten Form einer „friedlichen Koexistenz” vorstellbar.

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