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Triester Straße unter rotem Stern

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Die katholische Kirche Sloweniens ist beschei-"den, gibt aber kräftige Lebenszeichen. Das Regime behandelt sie besser als jene in Kroatien. Auf keinen Fall will sie in Polen ein Vorbild sehen.

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Die katholische Kirche Sloweniens ist beschei-"den, gibt aber kräftige Lebenszeichen. Das Regime behandelt sie besser als jene in Kroatien. Auf keinen Fall will sie in Polen ein Vorbild sehen.

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„Wenn du nach Österreich fährst, mußt du deinen Bauch zu Hause lassen", sagen die Bewohner Sloweniens und meinen damit, daß die Gasthauspreise nördlich der Karawanken spürbar höher sind. Was fraglos stimmt.

Sie sagen aber auch, wenn sie zum Ausdruck bringen wollen, daß etwas Erstrebenswertes nicht im eigenen Land, sondern nur im Westen erhältlich ist: „Das mußt du dir am anderen Ende der Trie-ster Straße besorgen."

Das „andere Ende der Triester Straße" liegt im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Und auf eben

dieser Triester Straße fährt man immer noch, wenn man von Maribor (Marburg) nach Ljubljana (Laibach) und von dort weiter südwärts reist.

Einige katholische Journalisten aus Österreich nahmen kürzlich diesen Weg—auf den Spuren Kardinal Königs, der im Mai kirchliche Persönlichkeiten und Einrichtungen in Slowenien besucht hatte, und wenige Wochen vor einer FURCHE-Leserreise in das mit szenischen Reizen und gastfreundlichen Menschen so reich gesegnete Land.

Starker Eindruck: Das zweiseitige Verhältnis hat sich entspannt, Österreicher werden freundlich aufgenommen, man hebt die Eigenständigkeit der katholischen Kirche Sloweniens selbst gegenüber jener Kroatiens hervor - und man will nicht mit Polen verglichen werden.

Rein äußerlich erinnern viele Merkmale der Entwicklung Sloweniens an Zustände in Österreich: starke Industrialisierung (1950 waren 13 Männer und sieben Frauen von je 100 Einwohnern berufstätig, 1979 schon 22 Männer und 18 Frauen), Abnahme der bäuerlichen Bevölkerung (1961 noch fast 32 Prozent", 1981 dreizehn), Verstädterung (1948 knapp 27,1977 gut 41 Prozent der Bevölkerung).

Die Auswirkungen auf das kirchliche Leben überraschen nicht: Schwinden der Volksfrömmigkeit, Rückgang der Praktikantenzahlen, Entfremdung der Jugend.

In der Diözese Laibach sind die Kindertaufen von 89% der Katholiken 1959 auf 61 Prozent 1979 zurückgegangen, die kirchlichen Trauungen von 72 auf 48%, der Sonntagsmeßbesuch von 31 auf knapp 20% — nur kirchlich beerdigen lassen sich weiterhin mehr als 80 Prozent.

In Portorož an der Adria tauschten kürzlich ein Kirchen-und ein Parteifunktionär selbstkritisch und inoffiziell ihre Erfahrungen aus und kamen zu dem Schluß: Je drei Prozent der Jugendlichen „gehören" einer der beiden Seiten - 94% weder noch -an.

„So schlecht sieht es bei uns nicht aus", heißt es dazu im Bischofshof von Marburg, aber daß es „ sehr schwer" ist, wissen alle zu berichten.

In Marburg-Stadt kommen in den unteren Jahrgängen 45, im Diözesanschnitt 65% der Schulbesucher zum Religionsunterricht -in den höheren Jahrgängen nur noch zehn bis 15 Prozent. Aber: Zwölf Neupriester wurden allein in Marburg heuer geweiht. Das Durchschnittsalter der Priester liegt hier wie in Laibach bei nur 45 Jahren!

Kirchen bauen dürften die Katholiken derzeit mehr, als sie finanzieren können. Der Neubau im malerischen Touristenstädtchen Portorož, seit Jahrzehnten dringend vonnöten und immer wieder durch bürokratische Schikanen verhindert, ist plötzlich möglich geworden.

In drei Jahren soll er vollendet sein, ein Sechstel des Geldes ist schon da, und selbst die Banken geben plötzlich Staatskredite, freut sich Pfarrer Franc Prelc, ein Fokolare-Aktivist.

Freilich: Im alten Heiligtum auf der pittoresken Insel mitten im See von Bled, wo schon 1004 die erste Marienkapelle errichtet wurde, darf noch immer keine Messe gefeiert werden. Darüber schüttelt sogar der staatliche Wächter des Kirchen-„Museums" den Kopf.

Wo möglich, werden katholi-

sche Kirchen auch evangelischen und orthodoxen Christen für Gottesdienste zur Verfügung gestellt. Selbst mit den Muslimen (rund 30.000 in Slowenien) gibt es ökumenische Kontakte.

Die Lage in den Diözesen Marburg, Laibach und Köper differiert bisweilen auch auf Grund personeller Eigenheiten. Aber den offenen Kirchenkampf, den in Kroatien Republikpräsident Jakov • Blazevic eröffnet hat (FURCHE Nr. 8/1981), gibt es nirgendwo in Slowenien — wohl auch, weil der slowenische Katholizismus frei von den nationalstaatlichen Ambitionen vieler kroatischer Katholiken ist.

Was ist der gemeinsame Kurs der katholischen Kirche Sloweniens? „Die Vertiefung des religiösen Lebens und die Stärkung der ethischen Komponente im öffentlichen Leben", erläutert Erz-bischof Alojzij Suštar, ein eindrucksvoller „Mann von Welt", der 27 Jahre in der Schweiz verbracht hatte, ehe er zum Metropoliten der slowenischen Kirchenprovinz berufen wurde.

In einem offenen, ebenso selbstbewußt wie selbstkritisch geführten Gespräch in schweizerisch gefärbtem, exzellentem Deutsch schildert er das Konzept einer Kirche, die glaubensstarke Verfechter der Menschenwürde und nicht politisierende Klerikale zum Ziel hat.

Ob die Kirche mit Gottesdienstsammlungen und Stolagebühren auskommt? „Ja, sogar sehr gut." Verhältnis zu Basisgruppen?„Im großen und ganzen sehr positiv." Zugang zu den Massenmedien? „Wir fordern ihn aus Gründen der Gerechtigkeit, aber ich sage mei-

nen Christen: Vom Fernsehen lebt die Kirche nicht…"

Die katholische Wochenzeitung „Družina" urtter der kundigen Leitung von Prälat Ivan Merlak und Drago Klemenčič geht behutsam an die Grenzen des Möglichen: 100.000 Abonnenten lohnen ihr journalistisches Mühen um ansprechende Inhalte und (für osteuropäische Begriffe auffallend moderne) Aufmachung.

Ähnliches gilt von der Kinderzeitung „Mavrica" (.Regenbogen") und dem Jugendblatt „Ognijšče", das von Franc Bole geleitet wird: lauter Geistliche, die im Alltag alle in Zivil und Ausschlaghemd auftreten.

Im Umgang locker und formlos, sind sie in der Doktrin eher rigide und gegen theologische Extratouren: ein bißchen weniger theologische „Pluralität" aus dem Westen wäre ihnen sehr recht. („Spüren Sie denn einen solchen Einfluß?" , Ja, sehr.")

Dem früheren Weihbischo^ von Marburg, Grmic, der nach zweijähriger Sedisvakanz nicht Erzbi-schof wurde und heute nur noch an der Universität lehrt, wirft man auch Küng-Nähe und „Hu-manae-vitae"-Ferne vor. Das Volk glaubt vor allem, daß er wegen seiner Regimenähe („roter Bischof") nicht bestellt wurde.

Der neue Ordinarius Franc Kramberger ist ein gottesfürchti-ger, freundlicher Mann. Daß ein Papstbesuch in Slowenien Auswirkungen wie in Polen haben könnte, weist er meilenweit von sich. „Vielleicht eine Stärkung im Glauben", aber selbst das ist fast schon zuviel. „Ein Impuls" soll davon ausgehen, aber „keine Entwicklung".

Das erwarten sich offenbar auch die Kommunisten. Laibachs Vizebürgermeister Niko Lukes hofft ganz unverblümt nicht weniger auf einen solchen Papstbesuch im nächsten Jahr: „Das wäre eine große Sache!"

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