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Trilaterale Lokomotive

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Der Transitverkehr über den Brenner bleibt ein Sorgenkind. Was den Verkehr auf die Schiene lockt, bringt eine Verbesserung, so auch eine neue Lok, die die Fahrzeit über den Brenner verkürzt.

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Der Transitverkehr über den Brenner bleibt ein Sorgenkind. Was den Verkehr auf die Schiene lockt, bringt eine Verbesserung, so auch eine neue Lok, die die Fahrzeit über den Brenner verkürzt.

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Um das Leben an den Ufern der Tiroler Transitrouten wieder menschenwürdig zu gestalten, muß vor allem der Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Noch verfügen die Österreichischen Bundesbahnen über mehr als genug freie Kapazität. Sollte das Verkehrskonzept in Zukunft wirklich zu funktionieren beginnen, erweist sich der Brenner jedoch als Nadelöhr. Eine von der Simmering Graz Pauker Verkehrstechnik (SGP) und Asea Brown Boveri (ABB) entwickelte Zweisystem-Streckenlokomotive könnte dieses Problem lösen.

Zur Zeit befahren an Werktagen etwa 140 Züge die Verbindungsstrecke Deutschland-Italien. Eine Untersuchung des Betriebsdienstes der Österreichischen Bundesbahnen zeigt auf, daß bei einer Erhöhung der Frequenz um etwa ein Drittel die Kapazitätsgrenze erreicht sein würde. Den Engpaß verursachen die Gleisanlagen des Brennerbahnhofes.

Das österreichische Bahnnetz arbeitet mit Wechselstrom (ebenso das deutsche), das italienische hingegen mit Gleichstrom. Deshalb muß am Brenner ein zeitraubender Zugmaschinenwechsel durchgeführt werden. Diese Verschubtä-tigkeit widerspricht nicht nur dem alten Eisenbahnerprinzip „Du sollst einen Zug zwischen Abf ahrts- und Zielbahnhof nicht anfassen", sondern lastet bereits heute die Schienenanlagen des Grenzbahnhofes aus. Um 200 Züge täglich abfertigen zu können, müßten die Anlagen bereits erweitert werden. Dies sei jedoch problematisch, meint Gottfried Kubata, Maschinendirektor der Österreichischen Bundesbahnen. Der Bahnhof liege in einer Mulde, auf der einen Seite durch die Paßstraße begrenzt, auf der anderen durch den Berg, wodurch eine flächenmäßige Vergrößerung an landschaftliche Grenzen stoße. Deshalb sei eine nennenswerte Erhöhung der Fahrtenfrequenz nur über eine Reduktion der Verschub-tätigkeit möglich.

Die „Brennerlok" löst dieses Problem. Sie ist mit Antrieben für beide Stromnetze ausgerüstet. So kann die Strecke München-Verona ohne Lokwechsel durchgefahren werden, wodurch die Fahrtzeit um etwa eine Stunde verkürzt wird. Der Führerstand wurde auf die Bedienungsphilosophien und Anforderungen der drei beteiligten Bahnverwaltungen abgestimmt.

Am 18. Dezember verließ die erste 82 Tonnen schwere Zugmaschine nach dreijähriger Entwicklungsarbeit das SGP-Werk in Graz. Mit ihrer Leistung von 4,3 Megawatt verbraucht sie die Energie eines kleinen Kraftwerkes. Bei der Talfahrt holt sich die 140 Stundenkilometer schnelle Lok jedoch über eine Rückspeisung der Bremsenergie etwa 20 Prozent jener Leistung zurück, die sie bei der Bergfahrt verbraucht. In den nächsten Jahren ist die Produktion von 80 Stück geplant.

Die „Brennerlok" kann jedoch nicht alle Bahntransitprobleme lösen. Die momentan im Einsatz befindlichen achtachsigen Nieder-flurwaggons der ÖBB können nur Lastkraftwagen bis 38 Tonnen Gesamtgewicht transportieren. Das ist weniger, als die auf der Straße zugelassene Tonnage. Nicht unbedingt förderlich für den Schienenersatzverkehr. Deshalb wurden neue Zwölfachser entwickelt, die mit 50 Tonnen Ladegewicht jeden LKW transportieren können.

Um auch den Transport höherer Fahrzeuge und Container zu ermöglichen, wird der Brennertunnel durchgehend auf vier Meter Höhe erweitert. Zur Zeit beträgt die maximale Durchfahrtshöhe 3,6 Meter.

An der Lösung der Transitproblematik wird also gearbeitet. Vielleicht ist die „Neue Bahn" in der Lage, die technischen Voraussetzungen und die entsprechende Attraktivität zu schaffen, um den Verkehr auf die Schiene zu bekommen. Zusammen mit einer Beschränkung des Straßentransits ist dies die einzige Hoffnung für jene Menschen, deren Lebensqualität täglich vom Schwerverkehr überrollt wird.

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