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Triumph der Taktik

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Die Schlacht ist geschlagen und der Sieger heißt Dr. Schlein- zer. Es war eine Schlacht, wenn auch nur eine Redeschlacht. Gefährlicher waren die der Wahl vorangegangenen versteckten Angriffe gegen Schleinzer, deren Initiatoren größtenteils aus dem eigenen Funktionärsstab stammten. Aus dem Hinterhalt schießt man bekanntlich am besten.

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Die Schlacht ist geschlagen und der Sieger heißt Dr. Schlein- zer. Es war eine Schlacht, wenn auch nur eine Redeschlacht. Gefährlicher waren die der Wahl vorangegangenen versteckten Angriffe gegen Schleinzer, deren Initiatoren größtenteils aus dem eigenen Funktionärsstab stammten. Aus dem Hinterhalt schießt man bekanntlich am besten.

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Schleinzers Gegner hatten allerdings nicht mit zwei Faktoren gerechnet: Mit Schleinzer selbst und mit dem taktischen Geschick der Königsmacher, allen voran mit dem Dr. Maletas, Dr. Praders und Landeshauptmanns Maurer. Schleinzer erwies sich als bester Taktiker der Partei. Obwohl er auf Grund seiner reservierten Art wenig Popularität bei den Funktionären besaß, den scheidenden Parteiobmann Doktor Withalm und den amtierenden Klubobmann Dr. Koren gegen sich hatte und von einigen Journalisten vehement angegriffen wurde, setzte er sich durch, weil er besser wußte als seine Gegner, auf welche Männer und auf welche Gruppen in der ÖVP es ankam, um das Rennen zu machen. Sollte Schleinzer auch in der Innenpolitik ein gleich gutes taktisches Spiel spielen, die ÖVP könnte endlich wieder Hoffnung schöpfen. Welche Vorwürfe wurden gegen Schleinzer erhoben?

• Er habe auf der Klausurtagung in Gösing die Führung der Partei durch Withalm einer harten Kritik unterzagen und damit den Entschluß des Farteiabmannes ausgelöst, von seinem Amt zurückzutreten. Nun steht außer Frage, daß nach der Niederlage im März 1970 Withalm ein an derer geworden war. Er gab einsame Erklärungen ab, die der Partei zum Nachteil gerieten, und was noch schlimmer war, er hatte die Beziehung zur Macht verloren, was er bewies, als er den Klubabmann abgab, der in einer Oppositionspartei eine noch größere Schlüsselstellung ein- nimnmt als der Parteiobmann selbst. Schleinzer sah sich plötzlich einem Parteiobmann gegenüber, der nicht mehr wußte, worin seine eigentliche Aufgabe bestand. Aus dem machtpolitischen Duumvirat von Partei- öbmann und Generalsekretär, wobei der Parteiobmann noch das Amt des Klübobmannes innehatte, war völlig überflüssigerweise ein Triumvirat geworden. Der Schluß lag nahe, daß einer zuviel war, um so mehr, als nicht einmal der Bündeproporz befriedigt werden konnte. Der sogenannte Hoffnungsbund, der ÖAAB, ging leer aus. Der damalige Sieg Körens als Klubabmann vereitelte nun den Sieg Körens als Bundesparteiobmann. Das Duumvirat Koren- Lanner als Vertreter von Wirtschaftsbund und Bauernbund, hätte zwar die Troikalösung aufgehoben, doch den ÖAAB wieder leer ausgehen lassen. Dafür war der ÖAAB nicht mehr zu haben.

Außerdem muß gerechterweise festgehalten werden, daß Schlein- zers Kritik an Withalm im Rahmen der Fairneß blieb. Er verhielt sich jedenfalls besser gegen Withalm als seinerzeit Raab gegen Figl, als er ihn 1953 als Bundeskanzler ausbootete, und als sich Klaus und Withalm 1964 gegen Gonbach wandten. Dies nur für die vergeßlichen oder unwissenden Funktionäre.

• Schleinzer habe als Generalsekretär versäumt, der Partei ein neues Profil zu geben. Dieser Vorwurf geht jedoch daneben, weil dafür in erster Linde der Parteiobmann zuständig ist, der übrigens neben dem Klubabmann Erklärungen abgab, die mit Schleinzers Vorstellungen nicht konform gingen. Schleinzer kannte deshalb nichts anderes tun als zu schweigen und zu versuchen, Ausschüsse und Kommissionen zu bilden, die Grundsatzbeschlüsse fällen sollten, damit das Tohuwabohu an Erklärungen von ÖVP-Spitzen- politikem ein Ende nehme.

• Schleinzer fehle das Image, um ein populärer Politiker zu werden. Wenn man es mit dem Kreiskys vergleicht, dann besteht dieser Vorwurf zurecht. Mit Kreisky aber konnten weder der scheidende Obmann noch Schleinzers Gegenkandidaten konkurrieren. Es ist deshalb besser für die ÖVP, einen echten Gegentyp zu Kreisky zu haben als eine schlechte Kopie.

Es scheint eine Zeiterscheinung zu sein, daß die Sozialisten derzeit die populären Spitzenpolitiker besitzen, denken wir an Wilson, Brandt oder Kreisky. Alle drei haben Charme und etwas vom Air eines Führers von Heilsarmeen. Dies ist als Rest von der marxistischen Heilslehre geblieben. Nun hat sich auf seiten der großen nichtsozialistischen Parteien, die i’m Laufe des letzten Jahrzehnts immer mehr vom Weltanschaulichen abgerückt sind, ein neuer, sachlicher Typ des Parteiführers herausgehildet. Dies ist in Großbritannien der Fall, wo sich der trockene Heath als Führer der konservativen Partei siegreich gegen Wilson durchgesetzt hat. In der deutschen Bundesrepublik stellt die CDU gleichfalls einen technokratischen Typ gegen Brandt auf, gleichgültig, ob der künftige Parteiobamnn und Kanzlerkandidat Barzel oder Schröder heißen mag. Mit Schleinzer ist nun auch in Österreich ein mehr technokratischer Typ zum Zuge gekommen.

Schleinzer -ist zweifellos der derzeit einzige Spitzenpolitiker der ÖVP, der als Taktiker Kreisky gewachsen zu sein scheint. Er bann an mehreren Drähten ziehen. Allerdings muß er Zeit haben, seine Fäden zu spinnen. Zu frühe Neuwahlen brächten ihn in Zeitnot und könnten ihn vor vollendete Tatsachen stellen, die unter Umständen für die ÖVP eine vierjährige Opposition mit sich bringen würden. Außerdem setzt jede erfolgreiche Arbeit des neuen Parteiobmannes voraus, daß er sich mit dem Klubobmann, der nun einmal eine Schlüsselposition einnimmf, gut versteht. Daß beide eine gemeinsame Politik betreiben und nicht einander bekämpfen, was in letzten halben Jahr zur Desorganisation geführt hat.

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