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Trotz Burgerkrieg im Libanon Widerstand in Westjordanien

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„Wir, die Söhne des palästinensischen Volkes, wollen auf unserem Grund und Boden leben und keinen Ersatz für unsere Heimat suchen. Die PLO ist die einzige Vertretung der Palästinenser in den arabischen Ländern. Sie hat das Recht, die Kampfmittel zu wählen, die geeignet sind, unsere heilige Erde zu befreien ... Die Existenz der Palästinenser in den arabischen Staaten ist ein naturgegebenes Recht, das der arabischen Einheit entspricht... Jede Absage an dieses Recht kommt einem Verrat an der arabischen Einheit gleich ... Statt Eure Kanonen gegen unsere palästinensischen Kämpfer zu richten, solltet Ihr besser auf die Tore der Gefängnisse zielen, in denen wir alle heute schmachten. Die zionistischen Besatzer unseres Landes profitieren von Eurer Zwietracht. Ihr Könige Arabiens, entspricht das arabischer Nationalehre, wenn Eure Armeen gegen unsere Flüchtlinge marschieren? Ist das die Befreiung, die Ihr verkündet? Die heroische Standhaftigkeit der Palästinenser sollte die Fackel sein, die auf Euren Wegen leuchtet!“

Mit diesen Worten wandte sich Karim Chalaf, der Oberbürgermeister von Ramallah (Westjordanien) in einem Schreiben an die arabische Gipfelkonferenz in Kairo. Karim Chalaf ist Jurist, 45 Jahre alt, und gehört einer vornehmen christlichen Familie an. Er bezeichnet sich offiziell, obwohl er unter israelischer Besatzung Bürgermeister ist, als Sympathisant der PLO. Ramallah, mit seinem starken christlichen Bevölkerungsanteil hat eine lange nationalistisch-arabische Tradition. Der Vorgänger Chalafs wurde wegen angeblicher Zugehörigkeit zur PLO des Landes verwiesen. Er war seitdem mehrmals Minister im jordanischen Kabinett, als Vertreter der nicht PLO-hörigen Palästinenser.

Die weitgehende Identifizierung der Araber Westjordaniens mit den Palästinensern im Libanon geht darauf zurück, daß viele Familienmitglieder von West Jordaniern im Libanesischen Bürgerkrieg gefallen sind. Von Zeit zu Zeit erscheinen denn auch in den arabischen Zeitungen Jerusalems („Al-Quds“, „Al-Schaab“, „Al-Fadgr“) ganze Seiten mit Traueranzeigen, die den Tod junger, im Libanesischen Bürgerkrieg gefallener Leute melden.

Das Schreiben des Oberbürgermeisters Karim Chalaf ist symptomatisch für die Haltung eines großen Teiles der Palästinenser West Jordaniens, die den arabischen Staaten deren Haltung im Libanesischen Bürgerkrieg zum Vorwurf machen. Die jordanische Regierung, die neuerdings wieder den Versuch unternommen hat, in Westjordanien Fuß zu fassen, ist nur bei der älteren Generation populär. Die jüngere Generation sympathisiert nach wie vor mit der PLO. Die verhältnismäßig kleine christliche Minderheit hält zwar zu den Falangas im Libanon, wagt aber nicht, dies öffentlich zu bekunden. Nur die christlichen Araber in Israel hatten den Mut, für einen Hilfsfonds zugunsten der maronitischen Christen im Süden des Libanon Gelder zu stiften.

Der Widerstand der westjordanischen Bevölkerung gegen Israel hat sich trotz des Bürgerkrieges und trotz der schweren Schlappen, die beide Teile der PLO (Verweigerungsfront und Fatah) im Libanon einstecken mußten, nicht verringert. In den Städten Nablus und Ramallah, den Hochburgen des arabischen Nationalismus, finden von Zeit zu Zeit Schülerdemonstrationen statt, israelische Passanten und ausländische Touristen werden behelligt, nicht, um .irgend etwas besonderes zu erreichen, sondern, wie ein junger Lehrer mir erklärte, um „der Welt klar zu machen, daß trotz des Bürgerkrieges im Libanon der Kampf der Palästinenser um ihre Freiheit weitergeht.“ Nablus war übrigens der einzige Ort der arabischen Welt, an dem nach dem Fall von Tel el-Zatar eine Trauerdemonstration stattfand. All dies soll nicht etwa heißen, daß es keine Opposition zur PLO in den besetzten Gebieten gäbe. Eine Opposition besteht unter den Kaufleuten und im Mittelstand. Doch wagt auch hier niemand, gegen den nationalen Trend offen Stellung zu nehmen. Andernfalls kann es nämlich geschehen, daß ein Laden verbrannt wird oder daß die Fensterscheiben einer Wohnung eingeschlagen werden...

Die israelischen Besatzer kümmern sich wenig um die Ansichten der Bevölkerung. Nur wenn die Sympathisanten der Freischärler-Bewegungen aktiv werden, Zellen gründen und zu Demonstrationen aufrufen, greifen die Israelis ein.

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