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Trotz fortgeschrittener Industrialisierung: Oberösterreich blieb Agrar-Kemland

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Trotz der weit fortgeschrittenen industriellen Entwicklung (Wirtschaftsgiganten wie VÖEST, Chemie Linz oder die Steyr-Daimler-Puch AG sind die eindrucksvollsten Aushängeschilder) ist Oberösterreich im wesentlichen doch ein Kernland der Agrarproduktion geblieben. Die sich daraus ergebenden Probleme sind nicht zu übersehen: Von den mehr als 70.000 bäuerlichen Betrieben zählen nicht einmal mehr 26.000 zu den Vollerwerbsbetrieben, mehr als 60 Prozent aller Betriebe sind bereits Nebenerwerbsbetriebe mit einem außerlandwirtschaftlichen Erwerb.

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Trotz der weit fortgeschrittenen industriellen Entwicklung (Wirtschaftsgiganten wie VÖEST, Chemie Linz oder die Steyr-Daimler-Puch AG sind die eindrucksvollsten Aushängeschilder) ist Oberösterreich im wesentlichen doch ein Kernland der Agrarproduktion geblieben. Die sich daraus ergebenden Probleme sind nicht zu übersehen: Von den mehr als 70.000 bäuerlichen Betrieben zählen nicht einmal mehr 26.000 zu den Vollerwerbsbetrieben, mehr als 60 Prozent aller Betriebe sind bereits Nebenerwerbsbetriebe mit einem außerlandwirtschaftlichen Erwerb.

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Obwohl die Öberösterreichische Landwirtschaft jährlich an die 1000 Hektar zumeist besten Bodens durch Wohn- und Industriebau sowie infrastrukturelle Maßnahmen einbüßt, liegt sie hinsichtlich der Produktionskraft noch immer im absoluten Spitzenfeld der Bundesländer: So entfallen etwa 20 Prozent der Brotgetreidefläche und 21 Prozent der Futtergetreidefläche auf Oberösterreich. Daraus erklärt sich auch die starke Position Oberösterreichs in der tierischen Veredelungswirtschaft. Immerhin liegt der Anteil Oberösterreichs in der Schweineproduktion bei 27 Prozent.

Dem Umstand, daß rund ein Drittel aller Betriebe Bergbauembetriebe sind, entspricht auch die Führungsrolle Oberösterreichs auf dem Rindersektor. 29 Prozent der Rinder stehen in oberösterreichischen Stallungen, und mit 30 Prozent aller Kühe liefert Oberösterreich beinahe 35 Prozent der Milchmarktleistung.

Das ist - im Telegrammstil geschildert - die wirtschaftspolitische Basis, an der die bäuerliche Interessenvertretung ihre Überlegungen und Aktivitäten auszurichten hat. Dabei wird von dem fundamentalen Grundsatz ausgegangen, daß dem bäuerlichen Familienbetrieb die Zukunft gehört. Folglich müssen alle Möglichkeiten genützt werden, um die bäuerlich betriebene Landwirtschaft mit ihrer historisch gewachsenen Agrarverfassung, die heute sicherlich Strukturschwächen aufweist, an die Erfordernisse der modernen Produktions- und Absatzsituation anzupassen. Der Problemkatalog, mit dem sich die Landwirtschaft heute konfrontiert sieht, ist sehr vielschichtig:

• Einem nur sehr schleppend verlaufenden Größenwachstum der Betriebe steht der Trend der Landmaschinenindustrie zum Gigantismus bei den Maschinen gegenüber, deren ungeheure Leistungskapazität vom Einzelbetrieb kaum noch rentabel genützt werden kann.

• Dem qualitätsmäßig unterschiedlichen, relativ kleinen Einzelangebot einer Vielzahl von Betrieben steht eine Nachfrage nach Agrarprodukten gegenüber, die sich in immer größeren Handelsuntemehmungen konzentriert.

• Zu diesen Strukturmängeln gesellt sich noch eine Reihe von marktwirtschaftlichen Problemen, wie etwa die Bereinigung des Brotgetreideüberhanges oder des Milchmarktes.

• Schließlich erwächst in der gewerblichen Massentierhaltung mit Mammutbeständen der bäuerlichen Landwirtschaft eine ernste Gefahr.

Die Zukunft des bäuerlichen Familienbetriebes hängt wesentlich von der Bereitschaft zur überbetrieblichen Zusammenarbeit ab. In Oberösterreich dürfen wir auf ein überaus erfreuliches Ergebnis auf diesem Sektor verweisen: 69 Maschinen ringe, von denen 54 auch die Betriebshilfe integriert haben, 17 eigene Betriebshilfevereine, dreizehn Mahl- und Misch- gemeinschaften mit 30 mobüen Anlagen, deren 80.000 Tonnen umfassender Umsatz jenem eines großen Mischfutterwerkes entspricht, sowie zehn Erzeugerringe in der tierischen Veredelungswirtschaft sind die stolze Bilanz unermüdlicher Aufbauarbeit seitens der Landwirtschaftskammer. Die Auswirkungen der Maschinenringe schlagen sich bereits sehr konkret in der Tatsache zu Buche, daß das Maschinenkapital bei den Mitgliedsbetrieben allmählich spürbar absinkt oder zumindest gleichbleibt, was angesichts der vehementen Kosteninflation ohnehin schon einen beachtlichen Erfolg darstellt. Mit der Aufnahme der Betriebshilfe in das Aktionsprogramm der Maschinenringe gelingt es uns, das Risiko des krankheitsbedingten Ausfalles der Hauptarbeitskraft auf dem Bauernhof einigermaßen abzudecken.

Das System der Betriebshilfe funktioniert so, daß der Maschinenring dem Betrieb, dessen Betriebsführer beispielsweise erkrankt oder verunglückt ist, eine fachlich versierte Kraft, den sogenannten Betriebshelfer, zur Fortführung der anfallenden Arbeiten - selbstverständlich gegen Entlohnung - beistellt. Der Betriebshelfereinsatz wird entsprechend gefördert, so daß dem betroffenen Betrieb lediglich ein Selbstbehalt im Ausmaß von etwa 20 Prozent verbleibt. Gerade die Betriebshilfe und ihre zielstrebige Verwirklichung betrachten wir als Eckpfeiler moderner Agrarpolitik.

Mit den im Rahmen des Vereines landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV) zusammengefaßten Erzeuger- und Vermarktungsringen auf dem Ferkel-, Mastschweine-, Geflügel- und in absehbarer Zeit auch auf dem Mastrindersektor soll die Produktion für die Bauern rentabler gestaltet, der Absatz verbessert und letztlich eine verstärkte Abstimmung auf die Marktbedürfnisse, also auf die Wünsche der Konsumenten, erzielt werden. Es ist eine Bestätigung für die Bemühungen des VLV, daß in Oberösterreich 70 Prozent des freivermittelten Ferkelangebotes aus seinen Erzeugerringen stammen.

Das von den Ringen angebotene, qualitätsmäßig ausgewogene und äußerst hochwertige Ferkelmaterial ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg der spezialisierten Schweinemast. Wie überhaupt die Spezialisierung der Betriebe im Rahmen einer regionalen oder betrieblichen Arbeitsteilung der Schlüssel für die Bewältigung der Anforderungen von seiten des Marktes ist. Der Preis ist zweifellos der wirksamste Anreiz für die Steigerung der Qualität.

Deshalb hat die Landwirtschaftskammer für Oberösterreich als Grundlage für die Qualitätsbezahlung die Totvermarktung mit Klassifizierung in allen größeren Schlachtstellen unseres Bundeslandes eingeführt. Und hier zeigt sich auch die positive Ausstrahlung der Erzeugerringe in den Klassifizierungsergebnissen: Während im Jahre 1976 im allgemeinen Durchschnitt der Anteil der Schweine in den beiden obersten Qualitätsklassen bei knapp 53 Prozent lag, erreichten die VLV-Schweine einen solchen von mehr als 68 Prozent. Mit der Einrichtung einer Schweinebörse wurde in preislicher Hinsicht ein objektiver Orientierungsmaßstab geschaffen, der in seiner Bedeutung sogar über unser Bundesland hinausreicht.

Als stärkster Milchproduzent verfolgt die oberösterreichische Landwirtschaft die Diskussion zur Marktbereinigung auf diesem Sektor mit besonderem Interesse. Die Landwirtschaftskammer für Oberösterreich hat die Erfahrung gemacht, daß die in der Schleinzer-Ära zur Eindämmung der Milcherzeugung eingeleitete, durch die schlechten Viehpreise der letzten Jahre aber wiederum zum Stillstand gekommene Umlenkungspolitik in der Produktion von Milch auf Fleisch der absolut richtige, komplikationslose Weg war und es noch immer ist. Um diese Umlenkung wiederum in Gang zu bringen, ist in erster Linie ein zufriedenstellender Rinderpreis und darüber hinaus ein ganzes Bündel von flankierenden Maßnahmen erforderlich, wie etwa der Aufbau der Milchkälbermast bei gesicherten Preis- und Absatzverhältnissen oder die Verwertung von Magermilch in der Schweinemast.

Wir müssen leider feststellen, daß trotz nachdrücklichster Forderungen der bäuerlichen Interessenvertretung von der Regierung befriedigende Maßnahmen in dieser Hinsicht nicht getroffen wurden. Nachdem der nötige aktive Impuls fehlt, um das Pendel in der Produktion von der Milch mehr in Richtung Fleischerzeugung aus- schwingen zu lassen, sind Radikallösungen mit unabsehbaren Folgen für die Bauern zu erwarten, die obendrein noch den Nachteü haben, daß sie kaum vernünftig zu administrieren sind.

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