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Trotz Krise ist Bonn optimistisch

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FURCHE: Herr Minister Blüm, die ökonomischen Rahmendaten zeigen einen Silberstreif am Horizont: Sinkende Bankraten, Erhohing der Bauwirtschaft,günstigere Energiepreise — vor allem für Ol. Die Bundesregierung strahlt Zuversicht aus. Düster bleibt aber eines: Die Prognose der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg für die weitere Arbeitslosenzahl. Auf welche Entwicklungen muß sich die Bundesrepublik einstellen?2,5 Millionen Arbeitslose in der Bundesrepublik - das heißt: jeder zehnte arbeitsfähige BRD-Bürger ist derzeit erwerbslos. Dennoch verbreitet die Bonner Regierung Optimismus, was wohl mit dem Wahlkampf zusammenhängt. Aber es gibt auch einige Anzeichen für eine Belebung der Wirtschaft. FURCHE-Mitarbei- ter Gerhard W. Appeltauer fragte Arbeitsminister Norbert Blüm (Bild) nach Gründen für seine Zuversicht.

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FURCHE: Herr Minister Blüm, die ökonomischen Rahmendaten zeigen einen Silberstreif am Horizont: Sinkende Bankraten, Erhohing der Bauwirtschaft,günstigere Energiepreise — vor allem für Ol. Die Bundesregierung strahlt Zuversicht aus. Düster bleibt aber eines: Die Prognose der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg für die weitere Arbeitslosenzahl. Auf welche Entwicklungen muß sich die Bundesrepublik einstellen?2,5 Millionen Arbeitslose in der Bundesrepublik - das heißt: jeder zehnte arbeitsfähige BRD-Bürger ist derzeit erwerbslos. Dennoch verbreitet die Bonner Regierung Optimismus, was wohl mit dem Wahlkampf zusammenhängt. Aber es gibt auch einige Anzeichen für eine Belebung der Wirtschaft. FURCHE-Mitarbei- ter Gerhard W. Appeltauer fragte Arbeitsminister Norbert Blüm (Bild) nach Gründen für seine Zuversicht.

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FURCHE: Herr Minister Blüm, die ökonomischen Rahmendaten zeigen einen Silberstreif am Horizont: Sinkende Bankraten, Erhohing der Bauwirtschaft,günstigere Energiepreise — vor allem für Ol. Die Bundesregierung strahlt Zuversicht aus. Düster bleibt aber eines: Die Prognose der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg für die weitere Arbeitslosenzahl. Auf welche Entwicklungen muß sich die Bundesrepublik einstellen?

ARBEITSMINISTER NORBERT BLUM: Wenn der Optimismus begründet ist^ und ich halte ihn für begründet — dann muß er sich an der Realität messen lassen. Für mich ist der Maßstab in der Tat die Frage der Arbeitslosenzahlen.’ Klar ist, daß ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht am selben Tag in Neubeschäfti-gungtibergeht.

Aber ich bin sehr zuversichtlich, daß es uns noch im Laufe dieses Jahres gelingen wird, die Arbeitslosigkeit zu stoppen und dann Schritt für Schritt abzubauen JDafür gibt es schon die ersten Anzeichen. Sie nannten einige; ich glaube auch, daß das Bauprogramm wieder Arbeitsplätze schafft. Fachleute schätzen, daß 200.000 Bauarbeiter neu beschäftigt werden können.

FURCHE: Sie fordern schon seit einer Reihe von Jahren Arbeitszeitverkürzung als Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Müssen solche Maßnahmen nicht zumindest sehr differenziert angegangen werden?

BLUM: Ich denke vor allem an Teilzeitarbeitsplätze. Für viele Personen könnte beispielsweise ein Vier-Stunden-Arbeitstag das richtige sein. Teilzeitarbeit müßte übrigens nicht auf den Tag reduziert werden: Zwei oder drei volle Arbeitstage in der Woche wären jedenfalls ivorstellbar. Ich glaube außerdem, daß man Arbeitszeitregelungen auch dazu benutzen sollte, das Leben wieder stärker mit der Arbeit ZU f, versöhnen"— also die Ubergänge von der Kindheit ins Erwachsenenleben nicht so abrupt vorzunehmen.

Das gleiche sollte für den Schritt von der Erwerbsarbeit in

den Ruhestand gelten: Es dürfte nicht so sprunghaft geschehen. Ich plädiere für altersspezifische Arbeitszeitverkürzungen, während denen die Umstellung von der Vollerwerbsarbeit zum Ruhestand leichter möglich ist.

Ein weiterer, praktischer Ansatz: Ich kenne viele Frauen, die gerne während der Zeit der Kindererziehung auf Erwerbsar^jeit verzichten würden, die sich aber nicht dazu entschließen können, weil sie um den Anschluß an ihren Beruf bangen. Deshalb müßte man es ermöglichen, sich „lebens-phasenweise" aus der Erwerbsarbeit zurückziehen zu können, um später zurückzukehren.

Es muß nicht alles so stur bleiben, wie es ist! Wir dürfen die Arbeitszeitverkürzung nicht nur einfach als ein Programm anbieten, mit dem der Mangel verwaltet wird. Ich möchte darin auch eine Perspektive von Freiheit und Humanisierung sehen.

FURCHE: Welche Eingriffe in das Netz der Sozialleistungen muß die Bundesregierung nach den Wahlen vornehmen, um das Staatsbudget über Wasser zu halten?

BLUM: Die Einkommen der Rentner sollen sich so entwickeln, wie die verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer. Der zweite, klassische Bereich ist die Arbeitslosenversicherung. Sie muß auf ihren gesetzlichen Aufgabenbereich beschränkt bleiben, sonst ist sie nicht mehr finanzierbar.

Das Problem der Arbeitslosigkeit ist in erster Linie ein Problem der Wirtschaftspolitik und keines der Arbeitslosenversicherung. Wenn die Arbeitslosen wieder von der Straße kommen, dann wird die. Arbeitslosenversicherung entlastet. Ich sehe den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hauptsächlich als eine wirtschaftspolitische Aufgabe, nicht als eine sozialpolitische. Die Sozialpolitik kann nur die Folgen lin-

dern, aber nicht die Ursachen beseitigen. Mir kommt es sowohl auf Ursachenbeseitigung an, als auf Folgenlinderung.

FURCHE:Mitten in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit sprechen Sie von Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Ihr Ansatz liegt bei der Betriebsinvestition durcli Arbeitnehtner. Als Gegenleistung soll Eigentum in Arbeitnehmerhand entstehen …

BLUM: Ein Teil des Sozialproduktes steht dem Konsum zur Verfügung, der andere Teil muß investiert werden. Wenn er nicht investiert wird, sind die Arbeitsplätze von morgen gefährdet. Ohne Investition entstehen keine Arbeitsplätze. Bleibt die Frage, wie der Anteil an den Investitionen verteilt wird: Soll das alles bei denen bleiben, die bisher schon investiert haben - oder sollen die Arbeitnehmer auch daran teilhaben?

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