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Trotz Krisen ist Portugal stabil"

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Portugal, dessen Staatschef letzte Woche zu einem mehrtägigen Besuch in Österreich weilte, kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise. Auch in der Parteienlandschaft bewegt sich einiges.

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Portugal, dessen Staatschef letzte Woche zu einem mehrtägigen Besuch in Österreich weilte, kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise. Auch in der Parteienlandschaft bewegt sich einiges.

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Mit 2000 Dollar Pro-Kopf-Einkommen, einem Bevölkerungsanteil von 29 Prozent in der Ländwirtschaft und einer rückständigen Industrie gehört Portugal zu den ärmsten Ländern Europas. Eine Arbeitslosenrate von etwa 10 Prozent, eine Inflation von rund 25 Prozent und extrem hohe Staatsverschuldung lassen die Atlantik-Nation alle Probleme der Wirtschaftskrise der Industrienationen miterleben.

Mit einer beispielhaften Deko-lonisation und einem demokratischen Prozeß, der im vergangenen Sommer mit einer Verfassungsreform gekrönt wurde, haben die Portugiesen innerhalb von nur acht Jahren nach der „Nelkenrevolution" aus einer faschistischen Diktatur ein freies Staatswesen gemacht, mit dem sie 1984 zur EG beitreten wollen. Eine der Schlüsselfiguren dieser Entwicklung, General Antonio dos Santos Ra-malho Eanes, besuchte in der vergangenen Woche Österreich.

Als der damals 41jährige Chef des Generalstabs Ramalho Eanes im Juni 1976 gemäß einer übereinstimmend beschlossenen semi-präsidentialistischen Verfassung das Amt des Staatspräsidenten übernahm, hatte sein Land die stürmischen Tage der „Nelkenrevolution" wie die darauffolgenden Putschversuche von Links und Rechts bereits überstanden.

„Die Schaffung einer sozialistischen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft in Portugal" formulierte der Berufssoldat nach seiner Wahl seine politischen Ziele, die er vor allem durch eine Reform der darniederliegen-r den Wirtschaft erreichen wollte.

Doch gerade mit der Wirtschaft wollte und will es in Portugal nicht klappen. Die derzeitige Mitte-Rechts-Regierung unter Pinto Balsemao gab dafür vor allem der Verfassung die Schuld. Denn dort wird die im revolutionären Uberschwang erfolgte Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Banken als „unabänderbare Errungenschaft des portugiesischen Volkes" bezeichnet.

Außerdem kritisierte die Regierung das Arbeitsgesetz, das die Entlassung von Arbeitnehmern so gut wie unmöglich macht. „Zu wenig Anreize für Unternehmer", konstatierte die Regierung als Hauptursache für die Wirt-schaftszores und verhandelte ein Jahr lang mit der Sozialistischen Partei des früheren Premierministers Mario Soares über eine Verfassungsänderung, die im Sommer beschlossen wurde.

Der ausgehandelte Kompromiß läßt zwar weiterhin keine Repri-vatisierung der verstaatlichten Unternehmen zu, doch sollen Private die Möglichkeit zur Schaffung von Konkurrenzunternehmen in Sektoren haben, die bis jetzt dem Staat vorbehalten waren.

Einer Verpachtung von Staatsunternehmen oder gar der Schließung von Defizitbringern will indessen die kommunistisch dominierte Gewerkschaft Intersindical entschieden entgegenwirken. Der Streik von 250.000 Arbeitern in Lissabon am vergangenen Donnerstag, der die Energieversorgung der Hauptstadt einen Tag lang lahmlegte, war ein nicht zu überhörender Warnschuß.

Doch während die Wirtschaft des Landes sich bis jetzt nicht konsolidieren konnte, gerät nun auch die junge, aber schon recht reif erscheinende Parteienwelt der Seefahrernation ins Schwanken.

Staatspräsident Ramalho Eanes — im Dauerclinch mit Regierungschef Balsemao - kann nach Ablauf seiner Amtsperiode 1985 nicht mehr kandidieren. Da der beliebte Politiker, aber kaum in den Kasernenhof zurückkehren wird, spricht man in Portugal von einer neuen Partei. Ein „Partido Eanista", ausgerichtet auf die Person des Präsidenten, soll eine undogmatische sozialistische Alternative werden. Eanes schweigt aus Staatsräson vorläufig noch darüber.

Premierminister Francisco Pinto Balsemao hat freilich drückendere Probleme. Der Nachfolger des im Dezember 1980 verunglückten Charismatikers Sä Car-neiro muß nicht nur das Staatsschiff lenken, sondern auch noch die größte Partei des Landes, die Sozialdemokraten.

Das Dilemma dieser Partei: Während das Grundsatz-Programm dem Namen der Gesinnungsgemeinschaft durchaus entspricht und eine kleine Gruppe für eine entsprechende Politik eintritt, läuft der Parteikurs eher unter der Flagge „konservativ-liberal". Seit dem Sommer werden deshalb Diskussionen über die Nachfolge für den feschen Balsemao geführt.

Diese Diskussion ist noch nicht ausgestanden. Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage - erschienen in der Lissabonner Wochenzeitung „Expres-so", die pikanterweise dem Premierminister selber gehört - wird seine Person weiter im Gerede lassen. Demnach würde bei sofortigen Neuwahlen das derzeit regierende Wahlbündnis der „Demokratischen Allianz" nurmehr 37 Prozent der Wählerstimmen (bei elf Prozent Unentschiedenen) erreichen.

Der Vizepremierminister, der junge christdemokratische Jus-Professor Diogo Freitas do Ama-ral, der erst vor kurzem in der Öffentlichkeit über seinen vorübergehenden Rückzug aus der Politik nachdachte (er müsse auch einmal forschen, war die Begründung) wird immer häufiger als Kandidat für die Eanes-Nachfol-ge genannt. Ob es die Wissenschaft oder das höchste Amt im Staat sein wird: die Christdemokraten werden bald ohne ihren besten Mann auskommen müssen.

Die meisten Sorgen bereitet das Projekt eines „Partido Eanista" wohl Mario Soares, Intimfeind des Präsidenten. Der sozialistische Klubobmann Saigado Zenha ist nicht der einzige aus der Soa-res-Riege, dem Sympathien zum Präsidenten nachgesagt werden. Außerdem würden die Eanistas wohl am stärksten im sozialistischen Wählerteich fischen.

Nur bei den Kommunisten gibt es — nach unschön stalinistischer Manier — nach außen hin keine Probleme. Die Anhängerschaft des geheimnisumwobenen Alvaro Cunhal liegt konstant bei etwa 15 Prozent der Wähler.

Ob Balsemao nun abgesägt wird oder nicht, ob die Eanistas kommen oder nicht - fest steht, daß die portugiesische Demokratie stabil ist und auch die starken Militärs im und nicht — wie etwa beim spanischen Nachbarn oft — neben dem Staat agieren. Auch Befürchtungen, Eanes könne sich zu einem Juan Peron entwickeln, sind unbegründet.

Wie beliebt die derzeit bestehenden Parteien wirklich sind, werden die Regionalwahlen im Dezember zeigen.

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