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Tschechien oder Tschechei?

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Am 1. Jänner 1993 fiel die tschechoslowakische Republik auseinander. Zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit. Das erstemal passierte dies 1939, als Hitler-entgegen seinen Versprechungen - die restliche Tschechoslowakei okkupierte, die Slowakei sich selbständig machte und die Ungarn die Karpatoukraine besetzten.

Letztere mußte die tschechoslowakische Republik nach ihrer Wiedererrichtung im Frühjahr 1945 ein Jahr darauf an die UdSSR abtreten. Die 1945 neugegründete tschechoslowakische Republik zerfiel am 1. Jänner in zwei Teile: einen slowakischen und einen tschechischen. Jeder Teil wurde ein selbständiger Staat. Der slowakische Teil nennt sich „Slovenska re-publika”, das heißt auf Deutsch „Slowakische Republik” und der andere Teil „Ceska republika”, das kann man nun auf zweierlei Art übersetzen: entweder in, Tschechische'' oder in „B öh-mische Republik”.

Nun hat sich leider in den österreichischen Medien der Brauch eingebürgert, die „Tschechische Republik” entweder mit „Tschechien” oder mit „Tschechei” zu bezeichnen. Beide Bezeichnungen sind äußerst unschön, „Tschechei” klingt so, als wäre dieses

Wort in der Goebbelschen Giftküche erfunden worden. Es hat etwas außerordentlich Verächtliches an sich.

Böhmen heißt auf tschechisch „Cechy” und von diesem Wort leitet sich die Bezeichnung „Tschechien” oder „Tschechei” ab. Aber um him-mels willen, warum verwenden die heimischen Medien nicht das schöne und berechtigte Wort „Böhmen”. Haben sie Angst - inmitten all der nostalgischen Wellen, die uns ständig überrollen, daß dies Erinnerungen an das alte Königreich mit seinen Nebenländern Mähren und Schlesien hervorrufen würde? Aber die Nennung von Steiermark oder Tirol ruft doch auch keine nostalgischen Gefühle hervor. Wenn die Wörter „Tschechien” et cetera weiter verwendet werden, wird man eines Tages sagen müssen „tschechischer Wald” statt „Böhmerwald” - der gute Stifter kann sich im Grabe umdrehen.

Tschechoslowakische Sprache?

Mit dem Auseinanderfallen der Tschechoslowakei fielen noch zwei (künstliche) Begriffe in sich zusammen, was von den Medien kaum erwähnt wurde: zunächst der Begriff „tschechoslowakische Nation” und dann der Begriff „Tschechoslowakische Staatssprache”. Letzterer Begriff war in der Verfassung festgelegt. Aber beide Begriffe waren künstlich konstruiert, aus dem Wunsche heraus, die tschechische Nation durch Hinzuziehung der slowakischen zur größten in der neuen Republik zu machen.

Und der Begriff „Tschechoslowakische Staatssprache” verursachte den Kronjuristen, als sie offiziell wurde, nicht geringes Kopfzerbrechen. Denn diese wußten natürlich, daß es nur eine tschechische und eine slowakische Sprache gibt. Sie lösten das Problem, indem sie erklärten, beide Sprachen seien gleichberechtigt und jeder Staatsbürger könne bei jedem Amt Eingaben in einer der beiden Sprachen tätigen. Was sie aber nicht sagten: daß die Antwort in der Sprache der Eingabe zu erfolgen habe. Und da begann der erste Mißmut der Slowaken in der neugegründeten Tschechoslowakei aufzutauchen: denn die tschechischen Beamten, die die Slowakei nach 1920 überfluteten - da die Ungarn ihre Beamten abgezogen hatten -, wurden durch tschechische ersetzt und diese konnten nicht slowakisch und beantworteten alle slowakischen Eingaben auf Tschechisch.

Also eine Bitte an die österreichischen Medien: sie mögen von nun an nicht mehr die Wörter „Tschechien” oder „Tschechei” verwenden, sondern das schöne Wort „Böhmen”. Das klingt so gut wie ein böhmischer Apfelstrudel schmeckt.

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