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Tschentobyl vor der Haustüi-

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Oie österreichische Innenpolitik dreht sich um die CSFR-Energiepolitik. Jaslovske Bohunice, das Atomkraftwerk nördlich von Trnava {Tyrnau), dem „Slowakischen Rom", hat nach einem Bericht der Prager Atomkommission Schlagzeilen gemacht. Störfälle in der Vergangenheit, schwerwiegende technische Mängel und Nachlässigkeit ergeben aufgelistet ein Horrorszenarium: ein Tschernobyl vor der Wiener Haustür.

Noch vor Jahresfrist hätte Wien weder in Prag noch in Preßburg Gesprächspartner gefunden, die ein Ohr für die Sorgen und Ängste der Nachbarn gehabt hätten, ungeschminkte Information schon gar nicht. Proteste \Yären abgeschmettert worden.

Als Nutznießer der friedlichen Revolution sitzen wir heute am Verhandlungstisch, werden in Untersuchungskommissionen vertreten sein. Wien hatvQrerst einMaximum erreicht: Bohunice wird zUr Übe1'prüfung abgeschaltet, österreich kommt für den Ausfall an Strom im Gegenwert von 70 bis100 . Millionen Schilling pro Woche auf.

Was letztlich mit Bohunice passiert, ist - im Gegensatz zu dem, was dort derzeit passieren könntenicht absehbar. Ein Verzicht der CSFR ist leicht gefQrd????rt, aber ungleich schwerer .substituiert.

Österreich ist - und Bohunice ist nur eine von mehreren Anlagen, die das Land im Grenzraum umzingeln -damit überfordert. Das gilt ebenso für seinen „Energievorrat" wie für die finanaellen Möglichkeiten.

Natürlich kann man sich „europäische Lösungen" im großen Verbund ausmalen, langfristig überhaupt den Aus- und Umstieg von der Kerntechnik. Aber sofort?

Wir können für kurze Zeit mit sommerlichenLeistungsüberschüssen einspringen.Auchfranzösischer (Atom-)Stromüberfluß könnte etwa, freilich um teures Geld, über Europas „Strom-Autobahnen" in di,e Tschecho-Slowakei geleitet werden. Doch halt: So leistungsfähig sind die Energiestraßen, die das westlichemit dem östlichenStromnetz verbinden, eigentlichgarnicht. Und Umweltbedenken haben nicht nur den Kraftwerksbau, sondern auch-wirklich weitblickend?-den Leitungsbau praktisch lahmgelegt.

Die Hoffnung, daß das Aus für Bohunice kommt, ist vage. Noch kann man hoffen, sonst nur beten. Beten, daß weder dort noch in einemanderengrenznahen Atommeiler etwas passiert. Heute nicht und auch morgen nicht, denn über Nacht wird es keinen Ausstieg aus der Nukleartechnik geben.

Weit und breit gibt es bei uns keine Schutzräume, keine umfassende Katastrophenvorsorge, keine Bevorratung für den Fall des Falles. Gerade noch ein paar Soldaten sind für den Katastrophenschutz geschult- und die will man „abschaffen". Grobe Fahrlässigkeit, wohin man schaut. Wir haben allen Grund, uns zu fürchten. Kein Thema der innerösterreichischen Diskussion?

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