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Tunnelieren

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Auf die Frage „Wie ist die Lage Österreichs?“ kann man als Deutscher nur sagen: „Äußerst ungünstig, nämlich genau im Weg.“

Wenn wir und die Skandinavier oder die Beneluxler nach Italien, Jugoslawien, Ungarn, Griechenland und in die Türkei fahren wollen, liegt Österreich genau quer. Wollen die Italien-, Ungarnoder Balkanbewohner uns im Norden und Westen Europas besuchen oder beliefern, liegt in der Gegenrichtung wiederum Österreich im Weg. Euer Land verstopft praktisch halb Europa.

Geheime Studien der EG über Möglichkeiten einer Verlegung Österreichs haben ein negatives Ergebnis gebracht, obwohl beispielsweise zwischen China und der Mongolei eine durchaus sinnvolle Verwendung für einen neutralen Pufferstaat ausfindig zu machen war. Aber hier, mitten in Europa, stört Österreich im Grunde alle bei ihren natürlichen Verkehrsbedürfnissen.

Fährt man oben drüber, gibt es unbestreitbare Belästigungen mit Staus, Lärm und Abgasen. Darum wäre die weitgehende Längs- und Querasphaltierung Österreichs nach der Evakuierung der nicht im Transit-Service beschäftigten Bevölkerung sicher die bequemste Lösung gewesen. Natürlich hätte man dazwischen großzügige Grünstreifen, Feuchtgebiete und Auwälder erhalten können, die dann auch nicht mehr von Bau- und E-Wirtschaft und Gewerkschaften bedroht würden.

Aber das Geheim-Projekt scheiterte einfach an der Frage: Wohin mit den Österreichern? Nicht einmal der Vatikan wollte sich dieses Problem aufhalsen. Daraus entstand dann das Ersatz- Projekt mit der Tunnelierung, was den Österreichern ja seit Bruno Kreisky ein vertrauter ßegriff ist.

Es begann mit Überlegungen für einen kurzen Brenner-Tunnel, also südlich von Innsbruck bis nördlich von Brixen. Aber da waren die Südtiroler dagegen, weil sie nicht viele Jahre den ganzen Baustellenverkehr mit Millionen Tonnen an Erdmassen ertragen wollten.

Nun gibt es neue Pläne für einen gewaltigen Basistunnel, nicht mehr unter dem Brenner, sondern gleich unter ganz Österreich hindurch - also von Bayern bis tief nach Italien. Damit wäre natürlich für Österreich auch das letzte Geschäft mit den entnervten Durchreisenden beim Teufel — ähnlich wie beim Flugverkehr, über Österreich hinweg. Darum sind jetzt auch gegen diesen Tunnel österreichische Bedenken vorgebracht worden.

Ja, was sollen wir denn jetzt machen? Oben sollen wir nicht drüber, unten sollen wir nicht durch — da bleibt uns ja am Ende aus Verzweiflung nur noch ein Urlaub in Österreich selbst.

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