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Tunnels gegen Süden

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„Die nordkoreanischen Kommunisten glauben, daß die Situation sich zu ihren Gunsten entwickelt. Ihrer Ansicht nach könnten sie Korea bol-schewisieren. In Korea ist die Lage jedoch anders als in Indochina, da in Südkorea keine erfolgreiche Guerilla geführt werden kann. Und wir sind außerordentlich wachsam. Wir besitzen auch Widerstandskraft“ — so ist die Meinung des ständigen Beobachters bei der UNO, Botschafter Tong Jin Park.

Im vergangenen November und im März wurden zwei Tunnels entdeckt, die mit offensiven Absichten unter der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea gebaut worden waren. Einer dieser Tunnels befindet sich im „Eisernen Dreieck“, auf einem der berühmtesten Kampfplätze des Koreakrieges und er ist breit genug für Motorfahrzeuge, schweres Kriegsmaterial, Artillerie und Panzer.

Präsident Kim II Sung, den die Sowjets 1945 eingesetzt haben, scheint der Ansicht zu sein, daß nach den kommunistischen Siegen in Vietnam und Kambodscha die Stunde der Entscheidung auch für Nordkorea geschlagen habe. Es fehlt nicht an demonstrativen Anlässen. Man feiert den 30. Jahrestag der Gründung der Nordkoreanischen Kommunistischen Partei; 1974 galt als das Jahr für die Vervollständigung der Kriegsvorbereitungen und 1975 als das Jahr der Kriegsausbildung.

Präsident Kim sucht politische Unterstützung nicht nur von China und der Sowjetunion zu erhalten, sondern auch von den Ländern der Dritten Welt. In den letzten zwei Jahren fanden heftige Saalschlachten in der UNO-Generalversammlung statt, wobei es um die Vertretung Koreas und um die Stationierung der UNO-Streitkräfte auf der Halbinsel ging. Die nordkoreanische Regierung entsandte wiederholt Delegationen in Länder der Dritten Welt, auch nach Lateinamerika, um Stimmen für die

Vollversammlung der UNO zu gewinnen.

„Manche Regierungen sind so naiv, zu glauben, Nordkorea sei ein kleines Land“, kommentierte Botschafter Park. „Aber Nordkorea bildet gefährliche Elemente aus zahlreichen Ländern aus, sogar Linksextremisten aus Mexiko; es hat versucht, die Regierung von Sri Lanka (Ceylon) zu stürzen, es entsandte 100 Piloten nach Ägypten während des Nahostkrieges von 1973, und die Emissäre nach Lateinamerika stehen in Verbindung mit dortigen extremistischen Gruppen.“ Botschafter Park kennt nämlich Südamerika und war Gesandter in Brasilien.

In Südkorea stehen 38.000 Amerikaner und einige kleinere, eher symbolische Truppen unter amerikanischem Kommando. „Wenn die UN-Streitkräfte zurückgezogen würden, könnte Nordkorea den Angriff gegen Südkorea versuchen. Nordkorea verfügt über 600.000 Mann regulärer Truppen, der Süden über 450.000. Und Nordkorea ist besser gerüstet!“ — so Park. Was würde ge-schehen.wenn die Mehrheit der UN-Generalversammlung gegen die Anwesenheit von UN-Kräften in Korea stimmen würde? „Gemäß der gültigen Charta gehört diese Frage in die Verantwortung des Sicherheitsrats und nicht der Vollversammlung“, meint Botschafter Park. „Der Sicherheitsrat muß handeln! Alle Friedensaktionen wurden vom Sicherheitsrat beschlossen und nicht von der Vollversammlung. Der Sicherheitsrat ist der Arzt, der die Krankheiten kurieren soll.“

Falls die Generalversammlung tatsächlich gegen die Anwesenheit der UNO-Streitkräfte stimmen sollte, würden die USA nach Ansicht Südkoreas genügend Truppen im Lande belassen, um eine nordkoreanische Aggression abwehren zu können. Vor allem für Japan ist die Verteidigung Südkoreas von eminenter Wichtigkeit. „Seltsam, die Infiltration nordkoreanischer Agenten erfolgt sehr oft via Japan“, bemerkte dazu der Botschafter.

Korea ist eine strategisch wichtige Halbinsel und Großmächte sind in den Streit verwickelt. Städte wie Peking, Tokio und Wladiwostok sind nahe. Präsident Kim versucht mit China und der UdSSR ein Balancespiel, aber Botschafter Park glaubt, daß in Nordkorea Chinas Einfluß stärker ist als jener der Sowjets.

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