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Tupamaros aus Chile

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Als der nordamerikanische Fliegergeneral Eugen Le Bailly, eine der prominentesten Figuren des Nixon-Teams, noch im alten Jahr einen überraschenden Blitzbesuch in Buenos Aires (Argentinien) und Asunciön (Paraguay) unternahm, munkelte man, er schlage eine gemeinsame Anti-Guerilla-Aktion der Regierungen von Argentinien, Paraguay, Bolivien, Brasilien und Uruguay vor. Jedenfalls ist das Problem der Internationalisierung der Guerilla wieder höchst akut geworden.

In Argentinien fürchtet die Regierung, daß die Terrorwelle mit neuer Stärke entbrennen könnte, um den Normalisierungsprozeß, vor allem die Wahlen vom 1. März 1973, zu torpedieren. Diese Gefahr liegt um so näher, als Perön Juan Manuel Abal Medina als Generalsekretär seiner Bewegung in Buenos Aires zurückgelassen hat. Abal Medina wurde inzwischen von „Abweichlern“ mit Steinen beworfen. Er ist der Bruder von Fernando Abal Medina, der an der Ermordung des Expräsidenten Aramburu beteiligt war und dann in einem Feuergefecht mit der Polizei fiel. Kürzlich veranstalteten die revolutionären Jung-Peronisten einen Erinnerungsmarsch für ihn und den gleichfalls getöteten Gustavo Ramos. Die „Ordnungskräfte“ lösten die Kundgebung aber auf. Ein junger Peronist wurde getötet, 15 Polizisten wurden verletzt. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen erließ die Bundespolizei einen Steckbrief gegen den Führer der peronistischen Jugend, Rodolfo Galimberti. Perön stellte sich eindeutig auf Seiten der Guerilla, was ihre Stellung — trotz seinem Schaukelspiel — stärkt. Nachdem die „Montoneros“, eine der peronistischen „Spezial-Formationen“ (zu Deutsch: Terroristen) kürzlich ein folgenrei--ches Bombenattentat auf das neueröffnete Sheraton-Hotel in Buenos Aires unternommen hatten, sprengten sie ein Stockwerk des Hotels „Internacional“ in Paranä, in dem gerade eine Tagung der Minister für öffentliche Arbeiten stattfand, in die Luft. Überfälle auf Bahnhöfe und Polizeistationen und Entführungen am laufenden Band ergänzen das Bild einer ungebrochenen, wenn auch zur Zeit noch nicht hektischen Terrortätigkeit in Argentinien. In Uruguay gab die Pressestelle der Streitkräfte einen Plan der „Tupamaros“ bekannt, die „die Macht in einem einzigen blutigen Streich erobern wollten“ und warnte vor einer „Invasion“ von 2000 „Tupamaros“, die in Chile Asyl gefunden hätten. Auch der bolivianische Innenminister Oberst Mario Adett behauptet, daß sich Guerillagruppen an der chilenisch-bolivianischen Grenze konzentrieren. Ein prominenter uruguayischer „Tupa-maro“', Andres Felix Cultelli — früher sozialistischer Stadtverordneter in Montevideo —, ist auf dem Wege über Chile nach Schweden gelangt. Dort erklärte er der Presse, daß die uruguayischen „Tupamaros“ mehr Hilfe als je — auch Waffen — aus Nachbarländern erhielten und innerhalb einiger Monate eine neue Offensive beginnen würden.

Eine „Invasion aus Chile“ scheint auf den ersten Blick vorauszusetzen, daß die Allende-Regierung eine hie-zu etwa erforderliche Konzentration billigt. Nun hat Allende als Senatspräsident im Jahre 1968 die Reste der bolivianischen Guevara-Guerilla selbst nach Tahiti begleitet und im Jahre 1972 die vor dem sogenannten „Massaker von Trelew“ in einem geraubten Flugzeug nach Santiago entkommenen argentinischen Terroristen nicht ausgeliefert, sondern ihren Weiterflug nach Kuba ermöglicht. Aber in beiden Fällen handelt es sich um Flüchtlinge, die Asyl suchten, nicht um Aktivisten, die chilenischen Boden als Aktionsbasis mißbrauchten.

Allende lehnt die äußerliche Gewalt als Mittel der Revolution ab und hat deswegen auch harte Auseinandersetzungen mit seiner linksradikalen MIR („Movimiento de Izquierda Revolucionäria“ — Linksrevolutionäre Bewegung). Er hat im übrigen bei jeder Gelegenheit wiederholt, daß er auch sein Revolutionsmodell, das Modell des „legalen Weges zu grundlegenden Strukturänderungen“, nicht exportieren wolle.

Die „Überwindung der ideologischen Gegensätze“ ist der Slogan seiner Außenpolitik, mit dem er gute Beziehungen zum argentinischen Lanusse-Regime hergestellt hat. Es ist also nicht anzunehmen, daß Allende die Bildung einer uruguayischen Invasionstruppe auf chilenischem Gebiet billigen würde. Aber es läßt sich nicht verkennen, daß einflußreiche Kreise, die aus ihrer Sympathie für die Terroristen kein Hehl machen, weit in die Allende-Verwaltung vorgedrungen sind. Mit ihrer Hilfe können sich die „Tupamaros“, die sich in Chile weitgehender Bewegungsfreiheit erfreuen, leicht über die Grenze nach rilleros verhindern; aber die argentinischen Streitkräfte würden eine offene Infiltration uruguayischer Guerillas verhindern; aber die argentinische Guerilla ist gut genug organisiert, um den „Durchreisenden“ den Weg in den Untergrund zu ebnen.

Die Bildung eines Expeditionskorps, wie es einstmals die CIA aus Exilkubanern zum Angriff auf die Schweinebucht organisiert hatte, steht nicht zur Diskussion. Dagegen liegt es im Bereich des Möglichen, daß „Tupamaros“, die in Chile Asyl gefunden haben, im Untergrund in kleinen Gruppen durch Argentinien geschleust und bei neuen militärischen Aktionen in Uruguay eingesetzt werden.

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