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Uberleben hat Vorrang

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Von Clemens Martin AuerDas Pro-Leben-Komitee der amerikanischen Bischofskonferenz hat unter seinem Vorsitzenden Kardinal John J. O'Connor von New York in einem umfangreichen Dokument jede Form der Legalisierung der Sterbehilfe in den Vereinigten Staaten kategorisch abgelehnt.

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Von Clemens Martin AuerDas Pro-Leben-Komitee der amerikanischen Bischofskonferenz hat unter seinem Vorsitzenden Kardinal John J. O'Connor von New York in einem umfangreichen Dokument jede Form der Legalisierung der Sterbehilfe in den Vereinigten Staaten kategorisch abgelehnt.

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Mit einer eindeutigen Position hat sich die katholische Kirche der Vereinigten Staaten in der umstrittenen Diskussion über die gesetzliche Freigabe der „Sterbehilfe durch Ärzte" festgelegt. Bürgerbewegungen in verschiedenen Bundesstaaten setzen sich -bisher ohne Erfolg - für eine gesetzliche Freigabe der Sterbehilfe auf Verlangen eines Patienten ein. Im November 1992 wird in Kalifornien, dem mit 31 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA, eine Volksabstimmung zu dieser Frage stattfinden.

Die Forderung nach einer gesetzlichen Freigabe der Sterbehilfe wird logistisch von der „Hemlock Gesellschaft" unterstützt, die sich in den USA ihren Namen als Beratungsstelle für Selbstmorde gemacht hat. Einer ihrer Proponenten, der britische Journalist Derek Humphry, hat im vergangenen Jahr mit seinem Buch „Final Exit" (Letzter Abgang), das den bezeichnenden Untertitel „Praktische Hinweise zum Selbstmord und zur Sterbehilfe" trägt, in den USA einen Bestseller ungeahnten Ausmaßes gelandet.

Die katholischen Bischöfe versuchen in ihrem Dokument „Künstliche Ernährung und Hydrierung: Eine moralische und pastorale Reflexion" dieser Bewegung ein ethisches Korrektiv entgegenzustellen, und sprechen davon, daß jede Form des Entzugs von künstlicher Ernährung, der den Tod eines Patienten herbeiführen könnte, vermieden werden müsse. In jedem einzelnen Fall solle zunächst davon ausgegangen werden, daß dem Leben des betroffenen Patienten ein unveräußerlicher Wert zukomme, der nicht verletzt werden dürfe. Dieser hohe Anspruch gegenüber dem Leben könne lediglich in solchen Fällen aufgegeben werden, in denen keine Hoffnung mehr bestünde, daß der Patient ohne exzessive Belastung weiterleben könne. Aber selbst in der schwierigen Situation, in der ein Patient bereits ohne Bewußtsein sei, müsse sein Überleben sichergestellt werden.

Die Bischöfe bringen ihre „tiefe Sorge" zum Ausdruck, daß eine weitverbreitete Meinung in der Gesellschaft einen Patienten ohne waches geistiges Bewußtsein zur Un-Person erkläre, die keine menschliche Pflege und medizinische Versorgung zu erhalten brauche. In diesem Klima könnten selbst berechtigte moralische Argumente, wann und wie lange das Leben erhalten werden sollte, völlig mißverstanden werden, mit der Konsequenz, daß gegenüber denjenigen, die den Schutz der Gesellschaft am meisten bedürften, der Respekt vor dem Leben verlorenginge.

Kostenargumente abzulehnen

„Als Christen vertrauen wir in das ewige Leben, und anerkennen deshalb, daß der Tod nicht über das letzte Wort verfügt. Demgemäß müssen wir den Tod nicht bis zum letzten möglichen Augenblick vermeiden; aber wir sollten ihn niemals absichtlich herbeiführen, oder sterbende Menschen aufgeben, so als ob sie unserer Pflege und unseres Respekts nicht würdig wären."

Das Dokument geht sehr ausführlich darauf ein, was als „unverhältnismäßige Belastung" für einen Patienten gelten kann. Solche Überlegungen dürften aber niemals im Horizont von „makro-ökonomischen Argumenten" abgehandelt werden, die von „Schwerpunktsetzungen der öffentlichen Haushalte oder der Sorge um die hohen Kosten im Gesundheitswesen" ausgingen. „Das sind zwar alles schwerwiegende soziale Probleme, die aber niemals dazu führen dürfen,' daß die Pflege von chronisch kranken und hilflosen Personen oder Maßnahmen, die zu ihrem Überleben notwendig sind, in Frage gestellt werden."

Texaner weichen ab

Mittlerweile hat der Sprecher der Bischofskonferenz in Texas, Bischof Joseph A. Fiorenza, erklärt, die sechzehn texanischen Bischöfe seien vor zwei Jahren zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen gekommen:

„Während beide Stellungnahmen davon ausgehen, daß dem menschlichen Leben ein besonderer Wert an sich, getragen von der inneren menschlichen Würde, zukommt, glaubt die US-Bischofskonferenz, daß auch das Leben einer ständig bewußtlosen Person ein grundsätzlich schützenswertes Seiendes an sich sei. Wir dagegen glauben, daß dem rein biologischen und physischen Leben allein noch kein absoluter Wert zukommt, sondern dem seelisch-geistigen Sein eines Menschen untergeordnet ist. Und daher erkennen wir in der Aufrechterhaltung eines völlig bewußtlosen und rein biologischen Lebens ohne jegliche menschlich-bewußte Reaktion keinen Nutzen. Eine solche Person, glauben wir, soll die ewige Einheit mit Gott im Himmel erlangen können."

Die Bischöfe von Texas sehen in der künstlichen Ernährung eine medizinische Behandlung und nicht allein menschliche Pflege. Durch das Aussetzen der künstlichen Ernährung, so die sechzehn Bischöfe, würde der Tod des Patienten nicht durch Verhungern herbeigeführt, sondern durch die ursprünglich pathologischen Ursachen der Krankheit.

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