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Über allen thront Magnago

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Im neugewählten Südtiroler Landtag wird es lebhafter zugehen als bisher. Dafür sprechen verschiedene Gründe.

Der erste Grund ist so alt wie der italienische Faschismus und heißt MSI. Diese Rechtspartei hat bei den Landtagswahlen den größten Stimmenzuwachs aller wahlwerbenden Gruppen für sich verbuchen können.

Ihre nationalistischen Parolen kommen vor allem bei der italienischen Arbeiterschaft gut an. Ihre Arbeitsplätze, vom Faschismus künstlich aus dem Boden gestampft, sind nun von der allgemeinen Wirtschaftskrise bedroht.

Der Wahlerfolg der Neofaschisten führt die italienischen Paket- Parteien mehr denn je in die Versuchung, auf der nationalistischen Welle zu schwimmen. Keine rosigen Aussichten also für eine baldige Vollendung des Autonomiestatuts nach Geist und Buchstabe.

Umso wichtiger wird die Aufgabe, der italienischen Bevölkerung in Südtirol konkret und plausibel vor Augen zu führen, daß die Autonomie auch in ihrem Interesse liegt, daß sie auch ihre Sache ist.

Neben dem erstarkenden Nationalismus auf italienischer Seite gehören auch die überethnischen Gegner jedes Nationalismus zu den Wahlsiegern.

Die „Liste für das andere Südtirol“ um den unruhigen und brillanten Intellektuellen Alexander Langer hat nun auch in allen Landgemeinden Fuß gefaßt, nicht nur in den Städten.

Die Alternativen greifen im Kampf gegen den Nationalismus bewußt häufig zum Mittel der Provokation.

Es ist noch nicht erwiesen, daß die Alternativen dem Nationalismus mehr schaden als nutzen. Mit ihrer Kampagne gegen die Sprachgruppenzugehörigkeitser- klärung bei der Volkszählung 1981 haben sie vielleicht — ohne es zu wollen — den Nationalismus indirekt gestärkt. Die alternative Kritik am ethnischen Proporz wird von den Neofaschisten dankbar aufgegriffen, unter entgegengesetzten Vorzeichen vereinfacht und erfolgreich unter das einfache Volk gebracht.

Es muß sich auch noch erweisen, wie einig sich das bunte Sammelsurium der alternativen Wähler ist, und wir klar ihre Vorstellungen von Politik sind. Im Landtag geht es halt doch um die Politik im engeren Sinne, um die Verwaltung von Steuergeldern, um den Interessenausgleich zwischen handfesten Gruppenforderungen.

Einen bescheideneren Wahlerfolg erzielten die zwei deutschen Oppositionsgruppen, der „Wahlverband des Heimatbundes“ und die „Partei der Unabhängigen“. Der Heimatbund erreichte mit seiner Forderung nach einem eigenen Südtiroler Freistaat 2,5 Prozent der Stimmen und wird mit Eva Klotz erstmals auch im Landtag auf die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts pochen.

Knapp dahinter liegt die PDU, die sich als liberaler Anwalt des kleinen Mannes versteht. Mit einem sachbetonten Wahlkampf hat sie ihren kleinen Wähleranteil fast verdoppelt und den zähen Kaufmann Gerold Meraner in den Landtag entsandt.

Weniger gesichert erscheint die Zukunft der sozialdemokrati schen SPS. Trotz SPÖ-Unterstüt- zung für ihr gemäßigtes Programm ist die rein deutschsprachige Linksopposition aus dem Südtiroler Landtag verschwunden. Ihre frühere Uneinigkeit und die starke Konkurrenz des .Arbeiter und Angestellten“-Flügels in der SVP haben sie ruiniert.

Der überwältigende Erfolg der vier Arbeitnehmervertreter auf der Liste der Südtiroler Volkspartei war eine der großen Überraschungen der Landtagswahl. Niemand kann sie jetzt noch als das „soziale Feigenblatt“ der SVP bezeichnen.

Der Sieg dieser sozialliberalen Strömung rechtfertigt den Anspruch der SVP, eine Sammelpartei aller Schichten zu sein.

Die blockmäßige Vergabe von Vorzugsstimmen für SVP-Kan- didaten dürfte künftig nicht nur von den Arbeitnehmern und den Bauern, sondern von allen Interessengruppen forciert werden. Dann würde die SVP allerdings — entgegen dem Willen ihrer Gründerväter — die stark korporativistischen Züge einer Bündepartei annehmen.

In diese Richtung weist auch das relativ schwache Abschneiden jener Politiker, namentlich der Landesräte, die weniger einer Interessengruppe oder einem mächtigen Verband verpflichtet sind als vielmehr der Regierungsverantwortung und der Gesamtpartei — eine bedenkliche Entwicklung.

Im unteren Mittelfeld der Gewählten landete der SVP-Lan- dessekretär Bruno Hosp, der bereits als Nachfolger für Silvius Magnago gehandelt wird. Er wird sein Landtagsmandat allerdings erst antreten können, wenn die Landesversammlung das SVP- Statut dahingehend ändert, daß die Ämter des Parteisekretärs mit dem des Landtagsabgeordneten vereinbart werden — eine maßgeschneiderte „Lex Hosp" sozusagen.

Uber allen thront souverän der Südtiroler „Landesvater“ Silvius Magnago auf einem breiten Polster von über 75.000 Vorzugsstimmen. Dieses überwältigende Vertrauensvotum wie auch den SVP- Erfolg insgesamt kann der große Taktiker jetzt in den Koalitionsverhandlungen mit den italienischen Christdemokraten, Sozialisten und Republikanern sowie bei der Verteilung der Regierungsressorts auch in der eigenen Partei voll ausspielen.

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