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Über das Böse in der Kunst

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Wo liegen die gegenseitigen Verbindungen und Verknüpfungen zwischen Kirche und Kunst, Kirche und Publizistik? Darauf ist zu antworten: Das Thema der Kirche und das Thema der Künstler wie Publizisten ist der Mensch, das Bild vom Menschen, die Wahrheit vom Menschen, das „Ecce homo“, wozu seine Geschichte, seine Welt, und Umwelt gehören, ebenso der gesellschaftliche, ökonomische und politische Kontext. Die Kirche als Vermittlerin der Botschaft des christlichen Glaubens wird immer daran erinnern, daß die Wirklichkeit des Menschen nicht umfassend beschrieben werden kann ohne die theologische Dimension, daß nicht vergessen werden darf, daß der Mensch Geschöpf ist, zeitlich und räumlich begrenzt, auf Hilfe und Ergänzung angewiesen.

Auch der Kunst geht es in all ihren Bereichen - die Möglichkeiten von Film und Fernsehen immer miteingeschlossen - um den Menschen, um das Bild vom Menschen, um die Wahrheit vom Menschen. Obwohl der Augenschein oft dagegen spricht, sind diese tiefen Bestimmungen und Anliegen auch der Kunst von heute nicht völlig fremd. Der religiöse und christliche Ursprung der Kunst ist nicht gänzlich versiegt. Themen wie Schuld und Gnade, ja Barmherzigkeit und Freiheit, Solidarität und Nächstenliebe, Hoffnung und Trost kehren in der heutigen Literatur,

in Text- und Drehbüchern wieder und finden große Resonanz.

Eine Partnerschaft von Kirche und Kunst im Blick auf den Menschen besteht darin, daß beide den Menschen aus fremder Knechtschaft befreien und ihn zu sich selbst führen wollen. Sie eröffnen ihm einen Raum der Freiheit - Freiheit von den Zwängen des Nutzens, der Leistung um jeden Preis, des Effekts, der Verplanung und Funktionali- sierung.

Für diese Aufgabe leistet die Kunst der Kirche einen großen Dienst, den Dienst der Konkretion. Auf diesen Dienst ist die Kirche angewiesen; denn die Wahrheit ist konkret. In der heutigen Kunst, in Literatur und Theater, in der bildenden Kunst, im Film und weithin in der Publizistik wird der Mensch aller romantischen Verbrämung und Verklärung entkleidet - er wird, wie man sagt, in ungeschminkter Realistik dargestellt. Dazu gehören in der heutigen Kunst der Aufweis der Verirrungen und Verwirrungen, der Ängste und der Verzweiflung, der Absurdität und Sinnlosigkeit, die Darstellung einer zur Karikatur entarteten Welt und Geschichte. Oft wird dies verbunden mit dem Abbau aller Tabus.

Literatur, Theater, Film, bildende Kunst verstehen sich heute weithin als Kritik, als Protest, als Anklage gegen das Bestehende. Das Schöne scheint als Kategorie der Kunst auszufallen zu-

gunsten einer Darstellung des Menschen in seiner Negativität, in seinem Widerspruch, in seiner Ausweglosigkeit, in der Abwesenheit von jeglichem Sinn. Das scheint das aktuelle „Ecce homo“ zu sein. Die sogenannte „heile Welt“ wird Gegenstand von Hohn und Zynismus.

Gegen die Darstellung des Bösen in seinen Formen und Gestalten ist auch im Namen des christlichen Glaubens und der Kirche an sich nichts einzuwen- den. Das Böse ist eine Realität, deren Ausmaße gerade unser Jahrhundert bis an die äußersten Grenzen erlebt und erlitten hat. Ohne die Realität des Bösen ist auch die Realität des Guten, der Erlösung, der Gnade, des Heiles nicht zu ermessen. Das ist kein Freibrief für das Böse, aber ein Hinweis auf seinen Ort. Und hier ist auf einen nicht unwichtigen und nicht ungefährlichen Tatbestand hinzuweisen. Kann der Spiegel des Negativen in der Vielfalt heutiger Kunst nicht zum Selbstzweck werden? Kann er nicht zum Genuß am Bösen, zur Freude an der Zerstörung und am Untergang, kann er nicht zum Zynismus und zur Menschenverachtung führen?

Wenn die Realität des Bösen gezeigt wird, dann will dies, auch in der inneren Logik der Kunst, das Furchtbare als furchtbar aufzeigen, erschüttern. Somit zielt diese Darstellung nicht darauf, daß es beim Bösen bleibt; vielmehr darauf, daß es nicht schlimmer, sondern anders, bbsser wird.

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