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Übereilte Geburt

19451960198020002020

1960 drohte die Große Koalition nach 15 Jahren an einer Budgetkrise zu scheitern. 1981 ist die A lleinregierung in einer ähnlichen Situation - jetzt eben 15 Jahre alt geworden. Es ist kein Jubiläum im eigentlichen Sinn, trotzdem bereits ein historischer Jahrestag in dieser Zweiten Republik: Am 19. April 1966 trat die erste Alleinregierung ihr Amt an. Ludwig Reichhold beschreibt in seiner „Geschichte der ÖVP” das Werden dieses einfarbigen Kabinetts und die Fehler, die dabei gemacht wurden. Fehler, aus denen Bruno Kreisky später vielleicht sogar gelernt hat. Kreisky wiederum ist bei einem außerordentlichen SPÖ-Parteitag am 15. April 1966, die FURCHE zitiert aus dieser ' Rede, entschieden für eine weitere R egierungsbeteiligung der Sozialisten eingetreten - mit Argumenten, die 15 Jahre danach noch immer aktuell sind. Vielleicht mit ein Grund, daß der Ruf nach Zusammenarbeit immer lauter wird.

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1960 drohte die Große Koalition nach 15 Jahren an einer Budgetkrise zu scheitern. 1981 ist die A lleinregierung in einer ähnlichen Situation - jetzt eben 15 Jahre alt geworden. Es ist kein Jubiläum im eigentlichen Sinn, trotzdem bereits ein historischer Jahrestag in dieser Zweiten Republik: Am 19. April 1966 trat die erste Alleinregierung ihr Amt an. Ludwig Reichhold beschreibt in seiner „Geschichte der ÖVP” das Werden dieses einfarbigen Kabinetts und die Fehler, die dabei gemacht wurden. Fehler, aus denen Bruno Kreisky später vielleicht sogar gelernt hat. Kreisky wiederum ist bei einem außerordentlichen SPÖ-Parteitag am 15. April 1966, die FURCHE zitiert aus dieser ' Rede, entschieden für eine weitere R egierungsbeteiligung der Sozialisten eingetreten - mit Argumenten, die 15 Jahre danach noch immer aktuell sind. Vielleicht mit ein Grund, daß der Ruf nach Zusammenarbeit immer lauter wird.

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Als sich am Abend des 6. März 1966 herausstellte, daß die Volkspartei zum zweiten Male seit 1945 die absolute Mehrheit erreicht hatte, kam das zwar nicht ganz überraschend, gleichwohl aber war die Partei in keiner Weise darauf vorbereitet, die ihr zugefallene Macht mit beiden Händen zu ergreifen, denn trotz aller seit 1956 mit der Koalition gemachten Erfahrungen hatte deren Mythos seine Wirkungen auf die Volkspartei noch immer nicht verloren ...

Die Koalitionsverhandlungen begannen am 18. März 1966 ... Letztlich hatten die beiden Verhandlungsteams das Problem der Quadratur des Kreises zu lösen.

Für die Volkspartei bestand der harte Kern ihrer Forderungen in zwei Punkten - sie wollte keinen Koalitionspakt mehr abschließen und war nicht bereit, auf den Gebrauch ihrer Mehrheit zu verzichten. Beide Forderungen bildeten einfach eine Konsequenz der Wahlentscheidung vom 6. März, über die sich die ÖVP nicht hinwegsetzen konnte, ohne mit ihren Wählern und der öffentlichen Meinung in Konflikt zu geraten.

Umgekehrt waren das genau jene Forderungen, auf die das sozialistische

Verhandlungsteam nicht eingehen konnte, das gleichfalls im Hinblick auf die absolute Mehrheit der Volkspartei Garantien für die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit fordern mußte, da die ÖVP der SPÖ sonst bei jeder erwünschten Gelegenheit den Stuhl vor die Tür setzen konnte.

Beide Verhandlungspartner standen außerdem noch unter dem Druck des Parteivolkes, das ihnen in dieser Situation ein schwächliches Zurückweichen nicht verziehen hätte.

Die schlichte Wahrheit bestand darin, daß unter den Bedingungen der absoluten Mehrheit einer Partei das bisherige Koalitionsregime nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Den harten Kern der Forderungen des sozialistischen Koalitionspartners bildete das Verlangen, daß die ÖVP ihre absolute Mehrheit nur mit Ausnahme des Budgets einsetzen dürfe. Bei der zentralen Bedeutung des Budgets für jede Regierungspolitik wäre darin ein wesentlicher Verzicht eingeschlossen gewesen.

Da die ÖVP auf diese gravierende Bedingung nicht eingehen konnte, fruchteten auch alle Zugeständnisse auf anderen Gebieten nicht mehr. Das letzte Wort sprach schließlich der sozialistische Parteivorstand, als er am

Abend des 18. April die Verhandlungen abbrach, was mit dem Entschluß der SPÖ gleichbedeutend war, in die Opposition zu gehen. Die Koalitionsära der Zweiten Republik war unwiderruflich zu Ende gegangen.

Noch in der Nacht zum 19. April komplettierte Josef Klaus seine Kabinettsliste um die Leiter jener Ministerien, die der SPÖ angeboten worden waren. Schon am 20. April gab er im Parlament seine Regierungserklärung ab, die gegenüber der mit den Sozialisten ausgehandelten Fassung nur um wenige Punkte verändert worden war.

Das alles erweckt auf den ersten Blick den Anschein, als habe sich die Führung der Volkspartei längst auf den Fall der Bildung einer Alleinregierung eingestellt. Doch obwohl in Kreisen der SPÖ schon bald nach Beginn der Regierungsverhandlungen die Forderung laut wurde, der Volkspartei allein die Verantwortung zu überlassen, hatte man sich in der Kärntnerstraße über die Eventualität einer Alleinregierung nur wenig Gedanken gemacht.

Die neue Regierung kam aus der Situation des Augenblicks heraus zustande, denn eben darin lag von vornherein ihre Schwäche beziehungsweise die Schwäche der politischen Position,

die von der Volkspartei nunmehr in Österreich eingenommen wurde. Die ÖVP-Alleinregierung vom April 1966 war das Produkt einer Art politischen Inzucht, nämlich ausschließlich auf die Kräfte angewiesen, auf die Klaus in der Volkspartei selbst zurückgreifen konnte.

Sie trat zwar unter dem Slogan, eine „Regierung für alle Österreicher“ zu sein, in das Rampenlicht der Öffentlichkeit, tatsächlich aber hatte der rasche Abschluß der Regierungsbildung weitergehende Überlegungen darüber verhindert, was in der durch den Oppositionsbeschluß der SPÖ völlig veränderten Situation getan werden mußte.

Die ÖVP-Alleinregierung wurde - trotz ihres Anspruchs, eine Regierung für alle Österreicher sein zu wollen - ausschließlich aus Funktionären und Mandataren der Volkspartei gebildet und war daher nur teilweise ein Spiegelbild der politischen Kräfte Österreichs, unter denen sich die sozialistischen sicherlich selbst ausgeschlossen hatten.

Doch wäre es zumindest angemessen gewesen, durch die Hereinnahme einiger parteipolitisch nicht abgestempelter Persönlichkeiten den Willen dieser Regierung zu dokumentieren, die Grenzen einer rein parteipolitischen Sicht zu überschreiten. Da dies unterlassen wurde, konnten in der Folge Anspruch und Realität dieser Regierung nur schwer zur Deckung gebracht werden.

In diesem Zusammenhang spielte freilich auch die hündische und föderalistische Struktur der Volkspartei eine entscheidende Rolle, die sich hier erstmals in einem exemplarischen Fall als Hindernis einer überlegten politischen Lösung erwies: Klaus stand bei der Regierungsbildung unter dem Druck der Forderung der Bünde- und Ländervertreter, deren Organisationen in dieser ersten Alleinregierung möglichst optimal vertreten sein wollten.

Die Übereilung dieser Regierungsbildung war umso weniger am Platz, als sich die Führung der Volkspartei nicht einmal dessen sicher sein konnte, daß ihr jetziger Alleingang in der Regierung von allen Mandataren und Funktionären der eigenen Partei goutiert wurde. Umso mehr war sie darauf angewiesen, sjch nach Bündnispartnern außerhalb der eigenen Reihen umzusehen.

Zitiert aus: GESCHICHTE DER ÖVP. Von Lud- wig Reichhold. Verlag Styria, Graz 1975, öS 390,- (dzt. vergriffen).

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