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Überflüssiges Jerusalem-Gesetz

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Es war am Mittwoch dem 30. Juli um acht Uhr abends im Parlament in Jerusalem. Die Abgeordneten waren zum größten Teil sehr müde. Sie saßen fast ununterbrochen von neun Uhr morgens an und „machten den Tisch rein". Es waren die letzten Abstimmungen vor den Parlamentsferien.

Nun gelangte das bekannte Jerusalem-Gesetz zur Abstimmung. Die verschiedenen Abgeordneten sprachen durcheinander. Alles, was man zu sagen hatte, war bereits gesagt. Dann hoben sich die Hände: 69 dafür, 15 dagegen und drei Stimmenthaltungen. Doch 33 zogen sich aus der Affäre: Sie hielten sich während der Abstimmung im Büffet des Parlaments auf und waren zwar dagegen, doch wollten sie trotzdem irgendwie Parteidisziplin wahren.

Es war klar: Auch wenn Premier Be-gin eine feierliche Stimmung ins Haus bringen wollte, war doch niemand richtig froh über dieses Gesetz, das jedem überflüssig erschien. Doch ein Jahr vor den Wahlen, wollten die großen Parteien, Koalition und Opposition nicht eingestehen, daß sie gegen dieses Jerusalem-Gesetz sind.

Gefeiert wurde nur in der zweiköpfigen ultrarechten „Auferstehungspartei". Sie hatte das Gesetz eingebracht, um die Friedensverhandlungen mit Ägypten zu torpedieren.

Was wurde eigentlich beschlossen, das die Gemüter so erregte und fast alle, Freunde und Feinde Israels, auf die Tagesordnung rief. Es war nichts anderes als eine Wiederholung von bereits längst bekannten Tatsachen.

So besagt das neue Gesetz: Jerusalem ist die ungeteilte Hauptstadt Israels, der Sitz des Parlaments, des Staatspräsidenten und des Obersten Gerichtshofes. Die heiligen Stätten der Stadt sollen für alle Religionen gewahrt und allen freier Zugang gestattet werden. Zur Entwicklung und Förderung der Stadt, soll diese außer dem normalen Budget besondere Zuschüsse erhalten.

Der in Wien gebürtige Bürgermeister der Stadt, Teddy Kollek, meinte der FURCHE gegenüber zu diesem Gesetz: „Ich würde mich wohler in meiner Haut fühlen, wenn man das Gesetz weder angenommen noch zur Sprache gebracht hätte. Es erweckt nur Fragen statt einfach die Tatsachen, so wie sie sind, hinzunehmen. Hätte man uns statt des Gesetzes tausend Wohnungen für junge Paare gebaut, wäre uns in Je-. rusalem mehr geholfen gewesen ..."

Seit Ende 1949 ist Jerusalem Israels Hauptstadt, bis zum Sechstagekrieg als geteilte, ab Juni 1967 dann als wiedervereinigte Stadt. Auch der Status der heiligen Stätten war längst festgelegt, doch nun wurde dieser Status erneut in einem weiteren, völlig überflüssigen Gesetz verankert.

Allein die Erwähnung Jerusalems erregt die Gemüter. Denn bis heute ist die Stadt nur von wenigen Staaten als Hauptstadt des Landes anerkannt, fast alle ausländischen Botschaften sind in Tel Aviv. Außer den Niederlanden haben in Jerusalem noch einige lateinamerikanische Staaten ihre Vertretung, obwohl das israelische Außenministerium seinen Sitz dort hat, ebenso wie die meisten Regierungsbüros dort sind.

Die USA, der Vatikan, Sadat - sie alle haben verschiedene Standpunkte über den besonderen Status dieser Stadt, die für Christen, Juden und Moslems eben heilig ist.

Schon bei den Camp-David-Friedensverhandlungen war man sich klar, die Gespräche über den Status Jerusalems bis ganz zuletzt hinauszuschieben. Denn hier gingen die Ansichten völlig auseinander. Es war ein ungelöstes Problem, das man so beließ, wie es war.

Sogar die ausländischen Diplomaten fanden es schon selbstverständlich, zu Gesprächen, Empfängen und dergleichen einfach nach Jerusalem zu fahren. Doch durch das neue Gesetz wurde das eingeschlafene Geschwür wieder akut.

Ministerpräsident Menachem Begin sowie Oppositionsführer Schimon Peres wußten dies, keiner wollte aber gegen ein Jerusalem-Gesetz stimmen, damit es nicht ein Jahr vor den Wahlen heißen kann, die „Partei" sei dagegen.

Die ursprüngliche Fläche des jüdischen und arabischen Jerusalems belief sich 1967 auf 37,5 Quadratkilometer. Die Fläche der vereinigten Stadt wurde bereits 1967 auf 108 Quadratkilometer vergrößert, um dadurch die Heilige Stadt auch zur größten des Landes zu

machen. Jüdischer und arabischer Boden in der Altstadt wurde konfisziert, um dort das alte jüdische Viertel wieder neu aufzubauen.

Neue jüdische Siedlungen wurden rings um die Altstadt erbaut. Auch die arabische Bevölkerung errichtete mit Hilfe von Petrodollars Hunderte Villen und Wohnhäuser, sodaß die arabische Bevölkerung von 56.000 (1967) auf 120.000 Einwohner anstieg. Das jüdische Jerusalem vergrößerte sich durch Neueinwanderer von etwa 80.000 (1948) auf 290.000 (1980).

Heute ist Jerusalem nicht nur Israels Hauptstadt, sondern auch die der palästinensischen Bevölkerung der besetzten Gebiete. Der Versuch, in der Stadt Nablus ein geistiges Zentrum der palästinensischen Bevölkerung zu schaffen, ist längst gescheitert.

Die großen arabischen Tageszeitungen: „El-Kuds", „A-Schaab", „El-Fadj'er" und „El Anba" werden hier produziert und die arabischen Verlage haben in Jerusalem ihren Hauptsitz. Jerusalem ist auch Treffpunkt der arabischen Intelligenz Israels mit der der besetzten Gebiete.

Ostjerusalem ist die einzige Region der von Israel besetzten Gebiete, die in den jüdischen Staat miteinverleibt worden ist. Die Einwohner der Stadt können deswegen israelische Staatsbürger werden. Hier gilt nur israelisches Recht. Bis auf einige ganz wenige zogen es aber viele Araber vor, die jordanische Staatsbürgerschaft beizubehalten.

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