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Übergang ins Jenseits

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In irgendeiner Form lehrt jede Religion einen Fortbestand nach dem irdischen sichtbaren Tod und befindet sich damit im Einklang mit dem uralten natürlichen Empfinden des Menschen, sofern er es nicht durch sophistische Überlegungen verdrängt hat. Beweise im Sinn der Naturwissenschaften, also durch Experimente, gibt es weder dafür noch dagegen, Erlebnisse, die diesen Fortbestand wahrscheinlich machen, jedoch in reicher Zahl. Die Schwierigkeit, daran zu glauben, liegt oft weniger in der Tatsache als solcher, als in der Form. Was soll da eigentlich überleben?

Wir haben dafür eine Sprachregelung und nennen es die „Seele“, aber empfinden den Ausdruck heute als ungenügend. Was ist die Seele? Verläßt sie „nach“ dem Tod sozusagen von im unberührt den „von ihr beleb-

ten“ Körper? Und wo geht sie dann hin? Hierüber gibt es hunderterlei Aussagen, die jedoch eines gemeinsam haben: Sie übertragen unsere irdischen Begriffe von Raum und Zeit ins Jenseitige.

Diese Vorstellung vom Jenseits ließ sich noch bis vor kurzem entschuldigen, denn unsere Sprache stammt aus der Auseinandersetzung mit der uns umgebenden Welt, und anscheinend ist auch unser Verstand in gewissem Sinn auf ein Denken in den Kategorien Raum und Zeit vorprogrammiert, so daß wir den Zustand, den wir Ewigkeit nennen, eben zwangsläufig mit Vorstellungen verknüpfen, die aus unserer Umwelt stammen und sicher nicht angemessen sind.

Haben wir gar keinen andern Zugang zum jenseitigen Bereich? Seit urdenklichen Zeiten durch Inspiration und Erlebnis! Wenn viele Menschen diesen Zugang als nicht mehr dem heutigen Denken entsprechend bezeichnen, haben sie nicht einmal so unrecht. Wir haben im 20. Jahrhundert auch neue Zugänge, nur werden sie leider noch zu wenig beschritten.

Die Mikrophysik, die Einsteinsche Relativitätstheorie, gibt uns den Schlüssel hierzu. Die Welt, die wir sehen und greifen, ist eine Täuschung durch unsere Sinne - Maya nennen es die Inder -, es gibt keine Farben oder Töne, nur Wellen, die unser Auge oder Ohr treffen. Was wir als feste Materie greifen, ist eine weitgestreute Atomstruktur, so weit wie die Sterne am Firmament.

Und auch diese Atome sind nicht „Materie“, sondern geballte Energie, die sich bei der „Atomzertrümmerung“ gewinnen läßt. Das alles braucht uns in unserm Alltagsleben wenig zu kümmern. Aber eines ist eher erschreckend: Die Zeit, die wir mit unsern Sinnen als unweigerliches Verstreichen der Sekunden erleben, ist in der Mikrophysik, die eine Welt hinter der sichtbaren beschreibt, nur eine Dimension des Raumes. Ohne Raum keine Zeit!

Das ist der Punkt, an dem wir innehalten und uns besinnen müssen. Nun wissen wir, auch durch „wissenschaftliche Beweise“ belegt, daß es hinter unserer Alltagswelt eine zweite gibt, die der Mikrophysik, die wir zwar nur an ihren Auswirkungen in Raum und Zeit studieren können, die aber trotzdem durchaus real ist.

Haben wir uns einmal an diesen Gedanken gewöhnt, müssen wir ehrlicherweise zugeben, daß wir keinen triftigen Grund haben, weiter unbekannte Welten hinter der der Mikrophysik von vorneherein auszuschließen, auch nicht eine Welt der Ewigkeit. Wir können sogar eine fundierte Aussage über sie machen: Im Jenseits gibt es keinen Raum und keine Zeit in dem uns geläufigen Sinn, vielmehr entziehen sich ihre Gesetzlichkeiten vollständig unserm irdischen Vorstellungsvermögen.

Was geschieht dann also nach dieser neuen Möglichkeit der Aussage, wenn ein Mensch „in die Ewigkeit eingeht“? Er fällt aus Raum und Zeit heraus in einen Zustand, den zu beschreiben unsere Alltagssprache - wie schon in der Mikrophysik - unzureichend ist

Was fallt da heraus? Eben die Seele, die Thomas von Aquin die „Form des Körpers“ genannt hat. Und ist nicht die Form wesentlicher als die Energien, die zu Atomen geballt den irdischen Leib gebildet hatten? Darum spricht man von „Materialisation“, wenn eine Individualität wieder in Raum und Zeit zurückkehrt und dazu den gewohnten Körper bildet, nur in „verklärter Form“, siehe hierzu die Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen in den Evangelien.

Das Form-Sein bezieht sich natürlich auch auf das Gehirn, das zwar für unsere Sinne mit dem Körper zerfällt, aber als Form mit allen Erinnerungen und Tatfolgen, die wir als im Gehirn gespeichert ansehen, erhalten bleibt

So kommt es nun darauf an, von welchem Standpunkt aus wir eine Aussage über den Tod machen wollen. Von dem unserer Alltagswelt aus stirbt der ganze Mensch, denn das, was überlebt, ist nachher nicht mehr in Zeit und Raum.

Versuchen wir aber eine religiöse Aussage, müssen wir ebenfalls sagen: es überlebt der ganze Mensch, denn seine Seele als Trägerin seiner Form und der Ergebnisse seines irdischen Lebens geht in das Jenseits ein, zurück bleibt nur neutrale Energie in Form von Atomen in einer noch erkennbaren, aber sich rasch auflösenden Zusammenstellung, jederzeit nach der alten Form wieder bildbar.

Hier muß noch etwas hinzugefügt werden: Das Wiedereintauchen in Raum und Zeit, die Materialisation, ist offenbar an Bedingungen geknüpft, die nicht so leicht zu erfüllen sind. Doch das ist ein anderes Problem.

(Der Autor ist als Diplomingenieur in der Industrie tätig.)

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