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Überleben auf Märkten

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Früher wurden Märkte nur bedient. Heute muß ein Unternehmer sie suchen und sich behaupten. Ansatzpunkte dafür bietet das neue Buch eines Österreichers in den USA.

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Früher wurden Märkte nur bedient. Heute muß ein Unternehmer sie suchen und sich behaupten. Ansatzpunkte dafür bietet das neue Buch eines Österreichers in den USA.

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Der Autor, Peter Drucker, gebürtiger Wiener, bedarf hier wohl kaum einer Einführung, denn er ist in Österreich bestens bekannt. In den USA gibt es das Management-Studium schon seit den zwanziger Jahren, es blieb aber Peter Drucker vorbehalten, es zu jener Disziplin auszubauen, wie wir sie heute kennen. Darum ist es auch unbestritten, daß er der Begründer und Bahnbrecher der modernen Management-Lehre ist. Drucker gilt heute weit über die Grenzen der USA hinaus als pointiert formulierender, unorthodoxer und eigenwilliger Denker.

In „Innovation und Unternehmertum“ beleuchtet der Autor die Management-Probleme in umfassender und systematischer Weise. Seine Botschaft ist durch und durch optimistisch: „Während wir glauben, uns in einem Zustand ökonomischer Stagnation, ja vielleicht sogar in einem Abstieg zu befinden, ist in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall. Wir erleben seit 15 Jahren ein in Friedenszeiten beispielloses Wachstum, das die Schaffung von 40 Millionen Arbeitsplätzen mit sich brachte, wie zum Beispiel auf dem Dienstleistungssektor.“ Er glaubt eine ganz neue Entwicklung zu erkennen, nämlich die

Verlagerung von einer Wirtschaft der Manager zu einer der Unternehmer.

Diesen Wandel führt der Autor „auf die Wahrnehmung sich immer wieder bietender neuer Möglichkeiten, die der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen“ zurück. Drucker nennt sieben Quellen, aus denen diese neuen Möglichkeiten fließen:

• Unerwarteter Erfolg, Mißerfolg oder ein Anstoß von außen: Der Mißerfolg mit dem Automodell Edsel zwang Ford zum Beispiel im Jahre 1957, auf die veränderten Verbrauchergewohnheiten Rücksicht zu nehmen. Das Resultat war der Thunderbird, der sich jahrzehntelang als „Renner“ erwies.

• Das Auseinanderklaffen zwischen vermeintlicher und tatsächlicher Realität: Der weltweit steigende Stahlverbrauch ging Hand in Hand mit sinkenden Gewinnen, aber mit Chancen für kleine Stahlwerke.

• Innovation, basierend auf einem echten Entwicklungsbedürfnis wie die Vedrängung der alten, zerbrechlichen photographischen Platten durch Filme.

• Produktionstechnische oder marktbedingte Veränderungen: Die amerikanische Autoindustrie beispielsweise entwickelte sich innerhalb von zwei Jahrzehnten (1960 bis 1980) von einer rein nationalen zu einer ausgeprägt globalen Industrie.

• Soziale Veränderungen: Der

Club Mediterranee hat erkannt, daß es eine große Zahl junger Erwachsener gibt, die zwar einer höheren Bildungsschichte angehören und kaufkräftig sind, die aber kein touristisches „Selbstvertrauen“ haben.

• Veränderte Werte, neue Trends.

• Neue Erfindungen: Es dauert oft 25 bis 30 Jahre, bevor eine Erfindung in die industrielle Massenproduktion Eingang findet wie das Penicillin, der Diesel-Motor etc.

„So verschieden die Probleme alter Unternehmen und neugegründeter Firmen auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: Sie müssen bestrebt sein, im unerbittlichen Konkurrenz-Kampf zu überleben.“

Peter Drucker arbeitet dafür in seinem neuesten Buch vier Unternehmer-Strategien heraus:

• Bewußtes Anpeilen eines Führungsanspruches. Beispiel: Die Brüder Mayo haben sich zum Ziel gesetzt, Ärzte mit außergewöhnlichen Fähigkeiten für ihre Privatklinik zu gewinnen und sich gleichzeitig auf einen Kreis sehr zahlungskräftiger Patienten zu konzentrieren.

• Kreatives Nachahmen. Die Schweizer waren die ersten, die quarzbetriebene Digitaluhren entwickelten. Aber die japanische Firma Hattori hat sie mit ihren Seiko-Uhren übertrumpft.

• Aufspüren einer Marktnische, die einen vor Konkurrenz schützt So hat die Firma Alco ein Enzym entwickelt, das die Erfolgschancen bei Operationen von „GraUem Star“ erheblich verbessert.

• Verbindung eines alten Produktes mit einer neuen Idee: Die Porzellan-Firma Lennox, die immer schon Braut-Ausstattungen lieferte, hat ein eigenes, exklusives Standesamt eingerichtet.

Fast mutet es an, als hätte Druk-ker nicht so sehr an die USA, als vielmehr an sein Heimatland Österreich gedacht, wenn er schreibt: „Eine ständige, gleichmäßige Erneuerung ist nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch für die Gesellschaft unerläßlich ... Es ist lebensnotwendig, Umstellungsprozesse in der Wirtschaft zu erleichtern und zu fördern und den Wandel als etwas Normales und als eine Chance anzusehen.“

Der Autor ist Leiter der Repräsentanz der Genossenschaftlichen Zentralbank AG in New York.

„Innovation and Entrepreneurship - Practi-ce and Principles“, (Innovation und Unternehmertum — Praxis und Grundsätze), Verklag Harper & Row, New York 1985, umgerechnet derz. 300 Schilling.

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