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Überschaubar für alle: Demokratie im Ländle

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Demokratie und Bundesstaatlichkeit müssen mehr sein, als Schlagworte in den Verfassungsgesetzen. Bei der Umsetzung dieser wichtigen Grundsätze kommt deshalb deren Struktur und der Organisation große Bedeutung zu.

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Demokratie und Bundesstaatlichkeit müssen mehr sein, als Schlagworte in den Verfassungsgesetzen. Bei der Umsetzung dieser wichtigen Grundsätze kommt deshalb deren Struktur und der Organisation große Bedeutung zu.

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Rund 40 Jahre nach dem Wiedererstehen Österreichs wurden in Vorarlberg weitere wichtige Schritte zum Ausbau des Gemeinwesens, und zwar in Richtung „überschaubarere Demokratie und Verwaltung“, getan. Neben der neuen Landesverfassung wurde der erste österreichische Landesvolksanwalt installiert und dem einzelnen Gemeindebürger wurde im neuen Gemeindegesetz eine Reihe von Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt.

Die im März 1984 einstimmig von allen Landtagsfraktionen beschlossene Landesverfassung ist ein bedeutungsvoller Schritt, Vorarlbergs Gemeinschaft besser zu ordnen und zu gestalten. Die alte Landesverfassung war ein formales, weltneutrales Grundgerüst, eine Summe von Verhaltensregeln für die Landesorgane. Durch die Festlegung von Verfassungsprinzipien, von Staatszielen, Grundrechten und Grundsätzen des staatlichen Handelns wurde nun Neuland betreten. Die neue Vorarlberger Landesverfassung wurde mit Inhalten ausgefüllt, die in der Bundesverfassung und in anderen Landesverfassungen in dieser Deutlichkeit nicht artikuliert sind. Staatsziele sind aber gesetzespolitisch von großer Bedeutung.

Die Einrichtungen der direkten Demokratie wurden mit der Novelle zur Landesverfassung 1984 wesentlich verstärkt und erweitert, etwa im Hinblick auf die Mitwirkung des Stimmbürgers bei Entscheidungen, welche durch die Verwaltung zu treffen sind. Weiters wurden die Kontrollrechte für die Minderheitsfraktionen im Vorarlberger Landtag ausgebaut (Möglichkeit der

Anrufung einer selbständigen Kontrollabteilung oder des Rechnungshofes, Einführung des Untersuchungsrechtes für den Landtag).

Die neue Vorarlberger Landesverfassung betont, daß das Land die freie Entfaltung der Persönlichkeit des einzelnen sowie die Gestaltung des Gemeinschaftslebens nach den Grundsätzen der Subsidiarität und der Solidarität aller gesellschaftlichen Gruppen zu sichern hat. Selbstverwaltung und Selbsthilfe der Landesbürger sind demnach zu fördern. Außerdem hat jedes staatliche Handeln des Landes die Würde des Menschen, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel und die Grundsätze von Treue und Glauben zu achten.

Ein sehr entscheidender, eigener Artikel ist zum ersten Mal in einer österreichischen Verfassung der Ehe und Familie sowie den Rechten und Pflichten der Eltern gewidmet. Die Ehe und Familie sind als natürliche Grundlage der menschlichen Gesellschaft durch das Land zu schützen und zu fördern, ebenso sind die Eltern in ihrer Pflicht, die Kinder zu erziehen und zu pflegen, zu unterstützen.

Auch der so wichtige Schutz der Umwelt, der Schutz der Natur, der Landschaft, des Ortsbildes sowie der Luft, des Bodens und des Wassers wurde Verfassungsauftrag.

Eine wesentliche Verbesserung der Bürgernähe und eine bedeutende Ausweitung der Kontrolle wurde mit der Einrichtung des ersten Landesvolksanwaltes in Österreich erreicht. Durch die

Wahl des parteiunabhängigen Juristen Dr. Nikolaus Schwärzler, bisher Präsidialvorstand im Verfassungsgerichtshof, zum ersten Vorarlberger Landesvolksanwalt, erfuhr die Bundesstaatlichkeit in Österreich eine entscheidende Stärkung. Vorarlbergs Bürgerinnen und Bürger werden nun in Landes- und Gemeindeangelegenheiten durch den von der Landesregierung und vom Landtag unabhängigen Landesvolksanwalt, der mit Dreiviertel-Mehrheit vom Landtag zu wählen ist, in ihren Anliegen fachkundig beraten. Der Landesvolksanwalt hat auch in Landes- und Gemeindeangelegenheiten die Pflicht, Beschwerden nachzugehen oder Vorschläge an die Landesverwaltung und an den Landtag zu erstatten.

Der neue Vorarlberger Landesvolksanwalt ist für den Vorarlberger Bürger eine wichtige Anlaufstelle. Die Bundesvolksanwälte konnten wegen der weiten Entfernung zwischen Vorarlberg und Wien und ihrer Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet bisher nur in verhältnismäßig großen Zeitabständen nach Vorarlberg kommen, um mit den Vorarlberger Bürgern in direkten Kontakt zu treten. Der Landesvolksanwalt wird in unserem überschaubaren Land hingegen bürgernäher, rascher und damit letztlich auch billiger arbeiten können. Bürgerservice und Verwaltungskontrolle werden in verstärktem Ausmaß möglich.

Die Überschaubarkeit der Vorarlberger Gebietskörperschaften wird nicht nur dadurch unterstrichen, daß es im Ländle 96 selbständige Gemeinden gibt, in denen insgesamt 1695 Landesbürgerinnen und -bürger als Gemeindevertreter direkt an kommunalpolitischen Entscheidungen beteiligt sind, aüth das im Mai dieses Jahres vom Vorarlberger Landtag wesentlich geänderte Vorarlberger Gemeindegesetz brachte eine Stärkung der direkten Demokratie in den Gemeinden.

So sind beispielsweise jetzt auch auf Gemeindeebene Volksbegehren möglich, um Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden zu erledigen. Wird das Volksbegehren von einem Fünftel der Gemeindebürger unterstützt, muß es von der Gemeindevertretung behandelt werden.

Weiters wurde das Petitionsrecht auf Gemeindeebene neu geregelt. Petitionen, die an die Gemeinden gerichtet wurden, sind binnen drei Wochen zu beantworten.

Auch Volksabstimmungen in den einzelnen Gemeinden wurden durch das neue Gemeindegesetz erleichtert. Statt bisher ein Viertel der Gemeindebürger hat nun schon ein Fünftel die Möglichkeit, eine Volksabstimmung zu verlangen. Auch bei der Volksbefragung wurden die notwendigen Quoten ähnlich der Volksabstimmung gesenkt.

Mit der neuen Landesverfassung, der Installierung des ersten österreichischen Landesvolksanwaltes und dem modernen Vorarlberger Gemeindegesetz hat Vorarlberg im Einklang mit dem wachsenden Selbstbewußtsein der Länder und den Vorstellungen der Föderalismus-Volksabstimmung vom 15. Juni -1980 jenen gesetzlichen Spielraum genutzt, um trotz einer wenig föderalistischen Bundesverfassung die Landesund Gemeindepolitik möglichst eigenständig, bürgernah und subsidiärer zu gestalten.

Information der Vorarlberger Landesregierung

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