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Überschüsse umschichten
Vor kurzem gründete Raiffeiser^eine eigene Bio-forschungs-Gesellschaft. Durch die Entwicklung neuer Produkte sollen die enormen Überschüsse (mit) abgebaut werden.
Vor kurzem gründete Raiffeiser^eine eigene Bio-forschungs-Gesellschaft. Durch die Entwicklung neuer Produkte sollen die enormen Überschüsse (mit) abgebaut werden.
Die Landwirtschaft ist aus den Fugen geraten. Die Produktions-überschüsse steigen, ihre negativen Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und das Budget sind hinlänglich bekannt. Ebenso bekannt ist die Tatsache, daß Exporte als Mittel zum Abbau der Uberproduktion durch empfindliche Preiseinbrüche und überquellende Märkte immer problematischer werden.
Die trockenen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Erträge bei Getreide und Mais haben sich in den letzten 25 Jahren fast verdoppelt. 1960 wurden pro Hektar durchschnittlich 2,5 Tonnen Weizen geerntet. 1985 waren es bereits 4,9 Tonnen pro Hektar. Gleichzeitig konzentrierte sich die Bewirtschaftung immer mehr
auf Getreide und Mais. (Derzeit werden auf 82 Prozent der Ackerfläche diese beiden Pflanzen angebaut.) Im Vorjahr mußten 1,3 Millionen Tonnen Getreide exportiert werden, was einer Größenordnung von 200.000 Hektar Ackerland entspricht.
Andererseits ist Österreich im Agrarbereich nach wie vor Nettoimporteur. Betrachtet man den Selbstversorgungsgrad bei verschiedenen Produkten, so sieht die Situation derzeit so aus: Mehl 210 Prozent, Fleisch 109 Prozent, Fett insgesamt nur 54 Prozent und bei pflanzlichen Fetten nur fünf Prozent. Jährlich werden daher rund 110.000 Tonnen pflanzlicher Fette und 500.000 Tonnen Eiweißfuttermittel importiert. Die Zahlen verdeutlichen die Dringlich-
keit für Lösungsansätze rund um die bäuerlichen Uberschüsse und die explodierenden Exportsubventionen.
Eine Hilfestellung zur Lösung des Problems wird das vor kurzem von Raiffeisen gegründete Bioforschungsinstitut leisten. Neue, alternative Produkte, die auch einen erfolgreichen Absatz versprechen, sollen hier entwik-kelt werden. Die Intentionen gehen in Richtung Umwandlung von traditionellen Feldfrüchten in andere Produkte für die Futtermittelerzeugung oder dem Einsatz in der chemischen Industrie.
Raiffeisen will durch die Gründung dieser Gesellschaft vor allem in der Biotechnologie Fuß fassen. Sie gilt neben der Mikroelektronik als die Wachstumsbranche der Zukunft. Zwar kommt die Biotechnologie auf leiseren Sohlen, ihre Auswirkungen sind aber nicht minder tiefgreifend und reichen von der gezielten Änderung pflanzlicher Erbanlagen zur Verbesserung ihres Nutzwertes bis zum Einsatz von Mikroorganismen.
Die Proponenten der Raiffei-sen-Bioforschungsgesellschaft reichen von den Banken bis zur Industrie. Derzeit sind vertreten: die österreichische Agrarindu-strie, der Verband ländlicher Genossenschaften, die österreichische Raiffeisen-Warenzentrale, die Genossenschaftliche Zentralbank AG, die Raiffeisenlandes-bank und die Tullner Zuckerfabrik.
Entsprechende Forschungslabors werden in der Tullner Zuk-kerfabrik stehen. Sie gehen Ende dieses Jahres in Betrieb und beschäftigen rund 50 Mitarbeiter. Dort werden anwendungsorien-tierte Projekte bis zur Produkti-
onsreif e entwickelt. Durch intensive Kontakte mit in- und ausländischen Forschungsstätten soll auch die internationale Entwicklung im Auge behalten werden..
Derzeit noch Zukunftsmusik, aber fixer Bestandteil des Bioforschungsprogrammes ist ihr Ausbau hin zur Auftragsforschung.
Nach wie vor laufen bei Raiffeisen daneben noch andere Projekte zur Lösung des Uberschußdilemmas. Es gibt Versuche zur Gewinnung von thermischer Energie etwa aus Energiehölzern. Durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, so meint man bei Raiffeisen, werden auch alternative Energieformen wieder stärker ins Gespräch kommen. So läuft auch das derzeit schubla-
dierte Biosprit-Projekt noch weiter, wenn auch auf Sparflamme.
Der Anbau von Raps und Sonnenblumen soll ebenfalls forciert werden, um die Lücken in der Selbstversorgung bei Fetten zu schließen. Bemühungen um Rapsmühlen sind schon so konkret, daß sie für eine Ernte im Jahr 1987 zur Verfügung stehen könnten.
Durch alle diese Maßnahmen erhofft sich Raiffeisen nicht nur den Abbau der Agrarüberschüs-se, sondern auch eine längerfristige Existenzsicherung für die Bauern durch Inlandsversorgung, Wertschöpfung durch Produktion im eigenen Land und nicht zuletzt eine Verringerung der Exportstützungen.
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