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Um 2000 - Ruinen

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Die in ihrem gotischen Kern ins 15. Jahrhundert zurückreichende Pfarrkirche von.Grin-zing, Wahrzeichen des fremden-veykehrsträchtigen Wiener Weinortes, wurde 1986 um rund vier Millionen Schilling im Inneren restauriert. Dabei wurde unter anderem ein Volksaltar errichtet, das gotische Sakramentshäuschen fand Wiederverwendung als Tabernakel, und eine Warmwasser-Fußbodenheizung wurde installiert. Den Aufwand trugen zu je einem Drittel die Pfarre, die Erzdiözese Wien und das Stift Klosterneuburg, unter dessen Pa-tronat die Kirche steht. Für denk-malpflegerische Belange, das Nachziehen der Fugen bei Rippen und Fenstern, stellte das Bundes-denkmalamt lediglich 167.000

Schilling zur Verfügung. Ein Bettelbrief an die rund 2900 Katholiken der Pfarre Grinzing erbrachte rund 212.000 Schilling, wobei die Rücklaufquote von 23 Prozent weit über dem Anteil der Kirchenbesucher lag. Für die bevorstehende Renovierung der Biedermeier-Orgel werden nochmals eine Million Schilling erforderlich sein.

An einem solchen Beispiel werden die — nun unzumutbar gewordenen — finanziellen Lasten deutlich, die der katholischen Kirche und den Ordensgemeinschaften in Österreich aus den Verpflichtungen des Denkmalschutzes erwachsen. „Alle in kirchlichem Besitz stehenden beweglichen und unbeweglichen kulturell bedeutsamen Objekte stehen in Österreich kraft Gesetzes unter Denkmalschutz. Sie sind daher im öffentlichen Interesse zu erhalten“, sagt das Denkmalschutzgesetz 1978. ' ; ~“v:

Zu erhalten sind also etwa 8000 kirchliche Baudenkmäler in Österreich, das sind schätzungsweise rund 60 Prozent der schützenswürdigen Bauten überhaupt. Trotz großer Anstrengungen der kirchlichen Denkmals-Eigentümer stehen viele Objekte knapp vor dem Ruin — und Ruinen werden sich im Jahr 2000 den Besuchern unseres Landes darbieten, wenn nicht umgehend mehr als Lippenbekenntnisse erfolgen.

Auf ausdrücklichen Wunsch der zuständigen Abteilungen des Wissenschafts- und des Finanzministeriums war im Jahr 1980 eine Bedarfserhebung an kirchlichen Baudenkmälern durchgeführt worden, die jährlich für „dringende Erhaltungsaufgaben“ das Erfordernis von rund einer Milliarde Schilling ergab (was heute schon etwa 1,3 Milliarden Schilling bedeuten würde!). Bis heute haben die Ministerien auf diese Erhebung nicht reagiert, bis heute wird auf die „Maßgabe der budgetären Möglichkeiten“ vertröstet — und die Denkmale „sterben leise“!

Obwohl laut Denkmalschutzgesetz ein „öffentliches Interesse“ an der Erhaltung dieser Bauten besteht, wird die mehrfach und vehement geforderte Refundie-rung der für die Restaurierungssummen abgeführten Mehrwertsteuer noch immer abgelehnt. Es geht dabei um eine Summe von mehr als 150 Millionen Schilling jährlich, denen jährlich durchschnittlich 42,6 Millionen Schilling als Förderungsbeitrag des Bundes gegenüberstehen. Zwischen 1981 und 1985 haben Kirche und Orden in die Erhaltung und Revitalisierung denkmalgeschützter Bauten jährlich zwischen 800 und 950 Millionen Schilling investiert.

Nun genügen diese nur unter größten Anstrengungen aufgebrachten Summen nicht mehr. Die Denkmalschutzbeauftragten der Bischofskonferenz und der

Superiorenkonferenz (Zusammenschluß der männlichen Ordensgemeinschaften) forderten dieser Tage bei einer Pressekonferenz, daß die Politiker für eine entsprechende Anhebung der Mittel zu sorgen hätten.

Die kirchlichen Denkmalschützer schlugen Alarm, daß der Verfall insbesondere bei den die österreichische Kulturlandschaft prägenden Bauwerken des Barock rapid fortschreite, deren Materialabnützung nach rund 250 Jahren jetzt dramatisch aktuell werde. Außerdem würden die zunehmenden Umweltbelastungen Schäden überproportional anwachsen lassen, so etwa am Stephansdom oder an den Kirchen-

bauten entlang des stark befahrenen Gürtel in Wien. Ein Umdenr ken, neue Prioritäten, andere politische Entscheidungen seien nptwendig. Prälat Maximilian Fürnsinn vom Stift Herzogenburg zeigte auf, daß die Ausgaben für den Straßenbau, die Straßenerhaltung oder die Einrichtungen des Fremdenverkehrs eine vielfache Höhe dessen erreichten, was staatlicherseits für den Denkmalschutz zur Verfügung stehe — aber erst für die Besucher dieser denkmalgeschützten Bauten würden Straßen und so weiter nötig.

Konkret fordern die Denkmalschützer der Kirche die Einbeziehung kirchlicher Bauwerke bei

der Altstadtsanierung, in die Wohnbauförderung und bei den Leistungen des Umweltfonds. Weiters könnten wertvolle Arbeitsplätze innerhalb der Region geschaffen und Aufträge an Klein- und Mittelbetriebe im Baugewerbe im Zuge der Restaurierung denkmalgeschützter Bauten vergeben werden. Die seit langem geforderte Refundierung der Mehrwertsteuer für Denkmalschutzausgaben und die volle steuerliche Absetzbarkeit von Spendenzahlungen wären weitere wichtige Schritte.

Die oft unterschätzte Spendenfreudigkeit könnte besser motiviert werden, wenn die staatlichen Beiträge namhafter wären. So haben beispielsweise die 1600 Katholiken des kleinen Ortes Dürnkrut im Marchfeld für die Innenrestaurierung ihrer Pfarrkirche 1986 eine halbe Million Schilling aufgebracht, ganze 4.500 Schilling steuerte das Bundes-denkmalamt bei.

Revitalisierung anstreben

Freilich müßte auch von Seiten der Kirche neu überlegt werden, ob etwa in der bisherigen Form nicht mehr genutzte Bauten anderweitig sinnvoll und entsprechend verwendet werden könnten. Sind tatsächlich überall jene beispielsweise im Prämonstra-tenserstift Geras im Waldviertel eingeschlagenen Nutzungsmöglichkeiten — Zentrum für Freizeitaktivitäten, Fortbildungskurse oder Angebote religiöser Vertiefung — schon ernsthaft überlegt worden? Könnten nicht denkmalgeschützte Nebengebäude im Sinne der Dorferneuerung zu Rathäusern oder sonstigen öffentlichen Gebäuden umfunktioniert werden, Kirche oder Orden dabei initiativ werden? Ist tatsächlich eine Unterscheidung zwischen mehr oder weniger erhaltenswür-digen Bauten unzumutbar, wenn die prekäre Lage des Staatshaushaltes keine Erhöhung der Mittel zuläßt? Vielleicht bedarf es auch hier des Umdenkens.

Der vorgesehene briefliche Appell an alle Nationalratsabgeordneten, nur einem Budget mit erhöhten Denkmalschutzausgaben zuzustimmen, wird hoffentlich nicht erfolglos bleiben.

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