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Um Beiruts Nachfolge

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Nach 14 Monaten Bürgerkrieg ist Beirut ein Trümmerhaufen. Bankpaläste, Konzernniederlassungen, Nobel- und sonstige Hotels sind völlig zerstört. Je länger sich das Blutbad hinzieht und je heftiger die muselmanischen Linksparteien auf einer revolutionären politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umgestaltung der einstigen liberalen Gesellschaftsordnung beharren, um so unwahrscheinlicher wird die Wiedergewinnung der alten Rolle Beiruts als Wirtschafts und Handelsdrehscheibe des arabischen Nahen Ostens. Unter den Bewerbern für die Nachfolge befindet sich neben Kairo, Dschidda, Kuweit, Bahrein, Abu Dhabi und Teheran auch eine Stadt mitten im geographischen Zentrum Ostarabiens — die jordanische Metropole Amman.

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Nach 14 Monaten Bürgerkrieg ist Beirut ein Trümmerhaufen. Bankpaläste, Konzernniederlassungen, Nobel- und sonstige Hotels sind völlig zerstört. Je länger sich das Blutbad hinzieht und je heftiger die muselmanischen Linksparteien auf einer revolutionären politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umgestaltung der einstigen liberalen Gesellschaftsordnung beharren, um so unwahrscheinlicher wird die Wiedergewinnung der alten Rolle Beiruts als Wirtschafts und Handelsdrehscheibe des arabischen Nahen Ostens. Unter den Bewerbern für die Nachfolge befindet sich neben Kairo, Dschidda, Kuweit, Bahrein, Abu Dhabi und Teheran auch eine Stadt mitten im geographischen Zentrum Ostarabiens — die jordanische Metropole Amman.

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Die Hauptstadt des späteren Königs Abdullah, .der 1951 auf den Stufen der geheiligten El-Aksa-Moschee im Jerusalemer Tempelbezirk ermordet wurde, war lange ein Beduinendorf mit höchstens einigen zehntausend Einwohnern. Es gab wenige, meist ungepflasterte Gassen in den engen Schluchten zwischen den Amman umgebenden sieben Hügeln. Der Vorfrühlingsregen verwandelte sie in reißende Bäche oder unpassierbare Sandsümpfe.

1963 hatte die Stadt bereits knapp eine Viertelmillion Einwohner. Der Verkehr war jedoch immer noch vergleichsweise bescheiden. Die Zahl der Eselskarren war kaum geringer als die der Personenwagen. Erst 1970, nach dem blutigen „Schwarzen September“, erzwang die zunehmende Verkehrsdichte endlich die Einführung moderner Ampeln.

Heute zählt Amman fast eine Dreiviertelmillion Einwohner. Doch noch immer hat es viel von seinem einstigen ländlichen Charme. Im Zentrum gibt es nur bescheidene Grünflächen, in den Außenbezirken drängen üppige Gärten die Wüste zurück. Amman besitzt einzigartige antike Sehenswürdigkeiten wie das römische Amphitheater, liebevoll restauriert und Schauplatz historischer Folkloredarbietungen einheimischer und ausländischer Theatergruppen, eine Akropolis und die historische Zitadelle. In der Umgebung liegt der Berg Nebo, der Berg, auf dem Moses starb.

In den letzten zwölf Monaten kamen zahlreiche Neubürger nach Amman: Geflohene Libanesen. Sie fahren mit ihren Beiruter Polizeikennzeichen und vor allem wesentlich rücksichtsloser als die einen ruhigeren Fahrstil gewohnten Einheimischen. Tausende libanesische Familien fanden hier erste Zuflucht vor dem Blutbad in ihrer Heimat. Viele blieben und warten auf bessere Zeiten.

Mit den Libanesen kam auch eine starke Hundertschaft ausländischer Firmenniederlassungen. Sie machen jetzt von hier aus ihre Geschäfte mit den arabischen Handelspartnern. Die Bürokratie, Zoll und Polizei, funktionieren reibungsloser als selbst in dem früher so liberalen Beirut. Auch hier öffnet ein Bakschisch vielleicht manche Tür, doch man ist wesentlich weniger bestechlich als in anderen Araberstaaten. Noch immer spürt man die lange britische Tradition.

Amman erkannte sofort seine Chance. Man verbesserte die Kommunikationsbedingungen. Telephonverbindungen nach Europa benötigen durchschnittlich nur eine Viertelstunde Wartezeit. Bei der Zensur stoßen selbst Journalisten auf großzügige Handhabung der Vorschriften. Der Postweg wurde erheblich beschleunigt. Die Regierung entschloß sich zudem, unbürokratisch rasch zu einer ähnlich großzügigen Steuergesetzgebung wie früher Beirut. Gewinne, die im Ausland erwirtschaftet werden, brauchen nicht versteuert zu werden. In Vorbereitung befinden sich weitere Erleichterungen.

Wohnungs- und Büroprobleme gibt es nicht; feststellbar ist jedoch bereits ein nicht geringer Mietenanstieg. Die Hotelkapazitäten halten allerdings noch nicht Schritt. Neben dem etwas schäbig gewordenen „Philadelphia“ im Herzen der Stadt gab es bislang nur ein Luxushotel von internationalem Zuschnitt, das „El-Urdon Intercontinental“. Es ist jetzt meistens ausverkauft. Als erste internationale Hotelgesellschaft erkannte „Holyday Inn“ die Chance.

Zu schaffen macht den staatlichen Planern am meisten die verkehrsungünstige Lage der Stadt. Fällt der Flugverkehr über Beirut aus, was in den letzten Monaten oft der Fall war, bleibt nach Europa und Amerika nur der zeitraubende Umweg über Istanbul. Dafür sind alle wichtigen arabischen Hauptstädte, wie Damaskus, Bagdad, Kairo, Kuweit, Dschidda und er-Riad, Bahrein und Abu Dhabi und sogar Teheran, leicht in Tagesausflügen zu erreichen.

Manager, die sich in Beirut wohlfühlten, werden hier privat jedoch einiges vermissen. Nachtleben gibt es nicht, und die Stadt besitzt auch nur sehr wenige, ausschließlich arabische Restaurants.

Amman ist ein Platz zum Arbeiten. Es entschädigt den Fremden aber durch seine Sicherheit, die Freundlichkeit seiner Einwohner und die einzigartigen Schönheiten seiner von Historie und Religion bestimmten Umgebung.

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