6995616-1987_08_06.jpg
Digital In Arbeit

Um jeden Preis?

Werbung
Werbung
Werbung

Er ist ein Schnelldenker, und eine rasche Sprechweise ist ihm eigen: Er sagt aber auch viel. Der polnische Historiker und Publizist Wla-dyslaw Bartoszewski feierte diesen Donnerstag (19. Februar) seinen 65. Geburtstag. Jede Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen, ist bereichernd. Bartoszewskis Augen lachen ständig, und er strahlt einen unverdrossenen Optimismus aus.

Das ist nicht selbstverständlich: die Deutschen brachten ihn ins Konzentrationslager Auschwitz, in der Ära des Stalinismus sperrten ihn die polnischen Landsleute ein, und als 1981 in Polen das Kriegsrecht proklamiert wurde, war der Gastprofessorfür Zeitgeschichte an der Universität Lublin wieder einer der ersten, die verhaftet wurden.

Im Krieg hat er in einer katholischen Widerstandsgruppe verfolgten Juden geholfen, und nach dem Krieg setzte er sich entschieden für die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen ein. „Es lohnt sich, anständig zu sein“, das ist der Untertitel seines Buches .Jierbst der Hoffnungen“.

Er hat keine Scheu, über Begriffe wie Wahrheit, Würde, Ehre und Gewissen zu reden.

In .Jierbst der Hoffnungen“ schreibt er: ,Jch wollte nicht sterben in Polen, aber ich wollte auch nicht leben um jeden Preis. Leben um jeden Preis ist eine Schande.“

Auf diesen Satz hin wird Bartoszewski oft angesprochen, und er steht dann nicht an, die Parole ,X>ieber rot als tot“ als eine der gefährlichsten und törichtesten zu kritisieren.

Er hat dabei ein Argument für sich, das in solchen Diskussionen kaum erwähnt wird: was ist eigentlich mit denen, die für mehr Freiheit und für menschliche Würde ihr Leben hingegeben haben? Werden mit einer sol-chenParole, die auch abwandelbar ist (,JJ.eber faschistisch als tot“), nicht alle die Millionen Opfer beleidigt, „die gelitten haben für diese Werte, die es immer neu zu erringen gilt, an die immer neu erinnert werden muß, die immer neu verteidigt werden müssen?“

Er weiß, daß Frieden schaffen ein sehr langwieriger Prozeß ist und daß richtiger Friede nur in Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit bestehen kann. Daher wendet sich der Publizist gegen die Anerkennung der Politik des Stärkeren in Demutsgesten schon vor Beginn der Auseinandersetzung: „Wer Frieden um jeden Preis will, verrät den Frieden als eines der kostbarsten Güter der Menschheit.“

Und Bartoszewski fragt sich und die anderen nachdrücklich: „Wie lange dauert die Ruhe, die man sich durch Passivität erkauft? Reicht sie für das eigene Leben, für die Kinder?“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung