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Um jeden Preis?

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Es fällt mir schwer, mich in die Mentalität derer, die, ob sie nun aus dem kirchlichen oder dem linken politischen Lager stammen, für einen sofortigen Frieden, für einen Frieden um jeden Preis im Golfkrieg eintreten, hineinzuversetzen. Was wäre aus uns geworden, wenn unsere Vorfahren eine ähnliche Haltung gegenüber dem Ansturm der Türken, wenn die freie Welt ein ähnliches Verhalten gegenüber Hitler an den Tag gelegt hätten?

Aber, so wird uns versichert, die durch die Atombombe eingeleitete neue Dimension der Kriegführung mache jeden Krieg unmöglich und unmoralisch. Doch diese Behauptung ist vorläufig ein frommer Wunsch, aber keine Beschreibung der Realität, mit der sich auch tatsächlich operieren läßt. Noch immer gilt nämlich das Schiller-W&rt: „Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Und so lange dieses Wort gilt, ist ein Pazifismus, der von den Inhalten, bei denen es in einem Krieg geht, absieht, eine Versündigung an den Menschen und den zu verteidigenden Werten und Gütern.

Solange der Krieg eine Realität ist, bleibt uns nichts übrig, als uns an den bewährten Denkmustern, wie der Lehre vom gerechten Krieg, der vernünftigen Güter- und Übelabwägung, der Wahl des kleineren Übels, zu orientieren. Legt man aber diese voreilig außer Kraft gesetzten Maßstäbe an, hat es schon lange keinen Krieg gegeben, ja seit dem Zweiten Weltkrieg wohl überhaupt keinen, der so gerecht war als der jetzt wütende.

Denn in diesem Falle hat erstmalig die ganze Völkergemeinschaft Sanktionen gegen einen Staat, der einen anderen gewaltsam überfiel und sich einverleibte, befürwortet. In diesem Krieg geht es aber nicht nur um die Verurteilung und Rückgängigmachung einer völkerrechtswidrigen Annexion, sondern auch um Werte, die durch den irakischen Diktator, wenn man ihn ungehindert gewähren läßt, extrem bedroht erscheinen.

Das sollten sich all jene vor Augen halten, die möglicherweise gutgemeint, deswegen aber noch lange nicht gut und richtig, für einen Frieden um jeden Preis eintreten, der Saddam Hussein nur einen Triumph und eine ersehnte Atempause bringen würde, die er nicht zum Frieden, den er jederzeit haben könnte, sondern zu neuen Aggressionen nützen würde. >

Die falschen Friedensfreunde sollten sich bewußt machen lassen, daß sie sich, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht, in die psychologische Kriegsführung auf seiten des Diktators einfügen.

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