6928425-1982_20_07.jpg
Digital In Arbeit

Umdenken in Lateinamerika

19451960198020002020

Was immer die UNO im Falkland-Kon-flikt aushandelt, ob der Waffenstillstand hält oder nicht, die Trümmerhaufen im Südatlantik haben die alte Weltordnung unter sich begraben. In Lateinamerika hat das große Umdenken hinsichtlich des Dialogs mit Europa bereits begonnen.

19451960198020002020

Was immer die UNO im Falkland-Kon-flikt aushandelt, ob der Waffenstillstand hält oder nicht, die Trümmerhaufen im Südatlantik haben die alte Weltordnung unter sich begraben. In Lateinamerika hat das große Umdenken hinsichtlich des Dialogs mit Europa bereits begonnen.

Werbung
Werbung
Werbung

Westeuropa, der Kontinent der alten Heimat, um den man mehr als zwei Jahrzehnte leidenschaftlich geworben hatte, zeigte sein häßliches „Erste-Welt-Gesicht”, als es die alte Weltordnung verteidigte. Und Washington ließ Argentinien, seinen ideologisch verläßlichsten Verbündeten in den beiden Amerikas, ohne mit der Wimper zu zucken, fallen.

Jetzt machen sich die Lateinamerikaner ihren Reim auf die Loyalität aus dem Norden. Im plötzlich aufgerissenen Vakuum überdauert nur noch eines — die südamerikanische Solidarität

über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg, mit Nikaragua, mit den Linksperonisten, mit Castros Cuba oder auch El Salvadors rechtsradikalen Volkstribun D'Aubuisson.

Ein Blick zurück auf 1945/46, der Geburtsstunde der Pax America-na, die am Zerbrechen ist, lohnt sich. Damals konstruierten die Vereinigten Staaten mit einem politisch-militärischen Doppelpakt, dem TIAR (militärischer Beistandspakt) und der OAS (Organisation der amerikanischen Staaten) die, .Neue Weltordnung” auch für den Subkontinent.

Allein, es gab Verzögerungen, die Verträge wurden erst 47 und 48 unterzeichnet. Der Grund: das peronistische Argentinien mißtraute dem Norden und blockte ab. Juan Peron wollte die heraufdämmernde Abhängigkeit von den USA nicht. Aber damals hatte Argentinien keine Verbündete. Nicht zuletzt wegen der Propaganda aus Washington gegen den „nazi-faschistischen” Staat (und der Drohung, Argentinien aus der frisch geborenen UNO herauszuhalten) war Argentinien in Südamerika isoliert, Europa lag damals in Schutt und Asche, Japan stand unter dem Hiroshima- und Nagasaki-Schock. So mußte Peron schließlich einlenken.

Dreieinhalb Dekaden lang hielt diese Pax Americana, obwohl Belastungen nicht ausblieben. Wenn Washington „Kommunismus” oder „Subversion” argwöhnte und intervenieren ließ (Guatemala 1954, Brasilien 1964, Dominikanische Republik 1965), brandeten Antiamerikanismus und Antiim-perialismus über den Kontinent. Dennoch hielt die Weltordnung.

Wohl auch deshalb, weil den Lateinamerikanern immer das Ventil der Europahoffnung blieb.

Auch in dieser Hinsicht war der argentinische Peronismus ein erster Wegweiser. Seither taucht der „Plan Europa” in Varianten immer wieder auf.

Die Annähme: eine Zusammenarbeit mit Westeuropa im allgemeinen und den Europäischen Gemeinschaften im besonderen würde die härtesten Bedingungen der Pax Americana mildern und die Abhängigkeit von Washington relativieren und erträglich machen. Brüssel, nur an einer reibungslosen Außenhandelspolitik interessiert, ließ kein tiefes Engagement zu. De Gaulies berühmte Lateinamerika-Reisen 1964 waren schöne Gesten ohne Folgen.

Dennoch blieb Südamerika bei seiner Europa-Fixierung. Ja, Mitte der siebziger Jahre rückte der Kontinent teilweise vom Dritte-Welt-Lager ab, um sich den westlichen Industrieländern als spezieller Partner anzubieten.

Die weitest entwickelten Länder (Argentinien, Brasilien, Mexiko, Venezuela) lösten sich als „Schwellenstaaten” so weit als möglich aus dem „Südblock”, um einzeln mit der Ersten Welt Sonderabkommen zu suchen. In anderen Worten, man wollte sich „OECDisieren”.

Alle Hoffnungen, Absichten, Pläne und gesetzte Aktionen sind jetzt ein Scherbenhaufen. Der „Europa-Dialog” ist tot. Indem die westlichen Industrienationen einen lateinamerikanischen Staat i wie einen Aussätzigen von sich stießen, verwandelten sie die vielfachen Annäherungen der letzten 20 Jahre in eine erbitterte Nord-Süd-Konfrontation, deren Intensität in den kommenden Jahren den Konflikt um die Isias Malvi-nas als klein erscheinen lassen wird.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung