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UMFASSENDER ÖKOSYSTEM-SCHUTZ

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Im Zuge der Industrialisierung hat der Mensch immer intensiver in seine Umwelt eingegriffen. Zonen, in denen das Zusammenleben von Pflanzen und Tieren in ursprünglicher, nicht durch zivilisatorische Einflüsse geprägter Form erhalten waren, wurden immer seltener. So entstand der verständliche Wunsch, möglichst unberührte Teile der Umwelt zu konservieren.

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Im Zuge der Industrialisierung hat der Mensch immer intensiver in seine Umwelt eingegriffen. Zonen, in denen das Zusammenleben von Pflanzen und Tieren in ursprünglicher, nicht durch zivilisatorische Einflüsse geprägter Form erhalten waren, wurden immer seltener. So entstand der verständliche Wunsch, möglichst unberührte Teile der Umwelt zu konservieren.

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Das führte 1872 zur Schaffung des ersten Nationalparks in den USA und zwar im Yellowstone-Gebiet. Seither sind weltweit über2.000 Gebiete unter derselben Bezeichnung unter Schutz gestellt worden, allerdings nach unterschiedlichsten Kriterien. Zum Zwecke einer gemeinsamen Sprachregelung beschloß 1969 die „International Union for Conservation of Nature und Natural Resources” (IUCN) im Auftrag der UNO eine international gültige Begriffsbestimmung für Nationalparks. •

Auf dieser Grundlage wurde eine Liste von Nationalparks angelegt. Die jüngste stammt aus dem Jahr 1985 und führt alle Schutzgebiete an, die über 1.000 Hektar groß sind. Darin ist kein österreichisches Gebiet angeführt.

In Österreich gibt es nämlich nicht wie in den USA weitgehend unberührte Zonen, weitab von wirtschaftlich genutzten Gebieten. Bei uns gehört fast jeder Quadratmeter jemandem. Alles wird irgendwie genutzt. Dennoch ist auch hierzulande Naturschutz ein Anliegen. Er fällt in die Kompetenz der Länder. Eine Übersichtskarte der geschützten Gebiete in Österreich zeigt, daß eine relativ große Fläche in irgendeinder Form unter Schutz steht.

Dieser ist insbesondere beim Landschaftsschutz jedoch dürftig: Erhalten wird da nur der Gesamteindruck einer Landschaft. Selbst schwerwiegende Eingriffe wie die Errichtung eines Kraftwerks (siehe Hainburg) ließen sich angeblich mit Landschaftsschutz vereinbaren.

Naturschutz ging lange Zeit von einer „Glassturz-Mentalität” aus. Man nagelte etwa an einen alten Baum die Tafel „Naturdenkmal” - und damit durfte an dem Objekt selbst nichts mehr geschehen. Rundherum aber hätte man durchaus einen Parkplatz anlegen dürfen. Hier haben sich die Konzepte weiterentwickelt.

Worum geht es also heute? Um „Schutz und Pflege von Natur und Landschaft in allen Erscheinungsformen... Es soll das ungestörte Wir-kungsgefüge des Lebenshaushaltes von Natur, also der Ablauf natürlicher Entwicklungen geschützt werden, sowie der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt (Artenschutz) und der natürlichen Lebensräume und Lebensgrundlagen (der Biotopschutz).” So steht es im Burgenländischen, dem jüngsten Naturschutzgesetz in Österreich. Geschützt werden also nicht nur Arten, sondern auch deren Lebensraum.

Um den Schutz von Lebensräumen geht es auch bei Nationalparks. Folgende Projekte gibt es in Österreich: Hohe Tauem und Neusiedler See (Seite 12), Donauauen und oberösterreichische Kalkalpen (Seite 14) sowie Thayatal. Ein weiteres Projekt wird für die Kalkhochalpen in Salzburg ins Auge gefaßt. Nicht zu verwechseln ist der Begriff Nationalpark mit der Bezeichnung „Naturpark” (etwa „Föhrenberge” bei Wien oder „Ötscher-Tormäuer”), einernicht sehr strengen Form des Schutzes.

Errichtet werden die Nationalparks nach österreichischem Recht. Entsprechen diese Regelungen den international festgeschriebenen Kriterien? Nun, eigene Nationalparkgesetze gibt es derzeit nur in Kärnten und in Salzburg für den Nationalpark Hohe Tauem. Und für diese melden die Naturschützer Bedenken an. Noch fehlt das Tiroler Nationalparkgesetz. Es ist derzeit in Begutachtung.

Nationalpark heiße nämlich grundsätzlich: nicht nutzen - nicht nach ökonomischen, nicht nach sonstigen Kriterien, meint Kurt Kirchberger vom „World Wildlife Fund”. Offen sei sicher, in welchem Zeithorizont man zu diesem Ziel gelange, aber es müsse

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Es geht also nicht um Nationalparkwächter, die Strafmandate austeilen. Diese Organe sollen vielmehr informieren... ic intendiert sein. Und da gibt es in Österreich Schwierigkeiten, weil im Nationalparkbereich Menschen leben und vor allem: weil es dort Jagdrechte gibt.

Außerdem heißt Nationalpark: Ökosystem-Schutz. Es muß also der gesamte Raum, das gesamte System geschützt werden. Dabei kann durchaus auch eine besonders schützenswerte kulturelle Aktivität erhalten bleiben. Daher ist sinnvoll, rund um eine streng geschützte Zone (Kernoder Naturzonen) Zonen mit „verdünntem” Eingriff (Bewahrungszonen) zu legen.

Wie können nun solche Eingriffe aussehen? Dazu ein Beispiel vom Neusiedlersee: Wenn man dort eine Trockenrasenfläche unter Schutz stellt, so möchte man diese Naturform erhalten. Jedenfalls aber soll dort sicher kein Birkenwald entstehen. Beginnt also ein Pioniergehölz aufzuwachsen, so wird es im Rahmen von Pflege- oder Managementmaßnahmen entfernt. Oder: In einer Trockenrasenfläche soll auch kein Schilf auf wachsen. Wie kann man das verhindern? An der „Langen Lacke” erledigen 80 Rinder unter Aufsicht eines Hirten diese Aufgabe.

Naturschutz und Fremdenverkehr können in Konflikt geraten. Vor allem in den Kemzonen soll ja jede Form von Nutzung - auch die in Form von Besichtigung - vermieden werden. Man muß also geeignete Wege finden, um den Interessierten etwas zu bieten, ohne daß damit das Biotop gestört wird. Heute ist man sich weitgehend einig, daß man dies durch geeignete Maßnahmen der Besucherlenkung erreichen kann: Man versucht, die Besucher an den Naturschätzen wie an einem Freigehege im Zoo vorbeizuführen.

Eine gewisse Form von Überwachung erweist sich da als zweckmäßig. Es geht aber nicht um Nationalparkwächter, die Strafmandate austeilen. Diese Organe sollten vielmehr informieren, die Besonderheiten der Schutzregion erklären können und so die Besucher motivieren, wirklich schützenswerte Bereiche nicht zu betreten. Fremdenverkehr ist also nicht ausgeschlossen. Im Seewinkel ist er sogar ziemlich massiv gegeben. Aber er ist zu lenken.

Die Einrichtung von Nationalparks bedeutet immer Besorgnis auf Seiten der betroffenen Bevölkerung. Hier bedarf es gezielter Aufklärung. Bei den Bauern muß die Bereitschaft zur Verlagerung des Schwerpunkts ihrer Aktivität geweckt werden: weg von intensiver Nutzung, hin zu landschaftspflegerischen, extensiven Formen der Bewirtschaftung. Diese müssen auch finanziell gefördert werden. Hier träfen sich Naturschutzanliegen und Bemühungen der Agrarpolitik zum Abbau der Agrarüber-schüsse. Auf nebeneinanderliegenden Felder einerseits Naturschutz und andererseits intensive Landwirtschaft zu betreiben, ist unsinnig.

Ein weiteres Problem ist die Jagd. Sie stellt eine beachtliche Einnahmequelle auch in jenen Regionen dar. Hier treten regelmäßig Interessens-konflikte bei der Errichtung von Nationalparks auf. Denn in den Kemzonen müßte auch die Jagd unterbleiben. Naturschützer fordern, daß eindeutige Zielvorgaben - und sei es auf lange Sicht - zur Einstellung der Jagdführen. Um da ein Zeichen zu setzen, hat der World Wildlife Fund kürzlich im Kärntner Teil des Nationalpark Hohe Tauem ein Jagd gepachtet - um dort nicht zu jagen.

Eines wird im Gespräch mit Natur-schützem auch noch deutlich: Man wünscht sich allgemein mehr Aufgeschlossenheit für dieses Anliegen bei den Eigentümern großer Gebiete, insbesondere bei den österreichischen Bundesforsten, aber auch bei den Stiften. Hier stünden nach wie vor die rein wirtschaftlichen Interessen allzu sehr im Vordergrund der Überlegungen. Und dabei müßten doch gerade der Bund und die Kirche eine besondere Antenne für das Anliegen der Bewahrung unseres Lebensraumes haben.

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